Leitsatz
Dem Vergütungsantrag ist i.S. von § 61 Abs. 2 Satz 3 UStDV a.F. in elektronischer Form die Rechnung "in Kopie" beigefügt, wenn das elektronisch übermittelte Dokument eine originalgetreue Reproduktion der Rechnung ist.
Normenkette
§ 18 Abs. 9 Satz 1, Satz 2 Nr. 4 UStG, § 61 Abs. 2 Satz 3 UStDV, Art. 10 Richtlinie 2008/9/EG
Sachverhalt
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), ein in Polen ansässiger Unternehmer, beantragte im Jahr 2012 im elektronischen Verfahren über das von der polnischen Finanzverwaltung eingerichtete Portal bei dem Beklagten und Revisionskläger (Bundeszentralamt für Steuern – BZSt) die Vergütung von Vorsteuer. Dem Vergütungsantrag war eine Rechnung der X GmbH, die mit dem Aufdruck "Kopie" versehen war und in der deutsche Umsatzsteuer ausgewiesen ist. Eine elektronische Kopie (Scan) des Originals der Rechnung wurde dem BZSt erst im Februar 2013 übermittelt.
Das BZSt lehnte den Antrag für den Vergütungszeitraum mit der Begründung ab, dass es sich bei dem auf elektronischem Weg eingereichten Beleg nicht um den Scan der Originalrechnung handele. Der Einspruch des Klägers blieb erfolglos.
Das FG (FG Köln, Urteil vom 11.5.2016, 2 K 1572/14, Haufe-Index 10084695, EFG 2017, 82) gab der Klage statt. Es vertrat die Auffassung, die innerhalb der Antragsfrist beim BZSt eingereichte, als "Kopie" bezeichnete Ausfertigung der streitgegenständlichen Rechnung in elektronischer Form genüge den Anforderungen an einen Antrag auf Vorsteuervergütung.
Entscheidung
Der BFH wies die Revision des BZSt als unbegründet zurück. Er blieb dabei offen, ob § 61 Abs. 2 Satz 3 UStDV in den Fassungen ab 30.12.2014 und 20.7.2017 mit Unionsrecht vereinbar sind.
Beiläufig wies der BFH darauf hin, dass sowohl das Unionsrecht (Art. 178 Buchst. a MwStSystRL) als auch das nationale Recht (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG) für die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug verlangen, dass der Unternehmer eine nach den Art. 218 ff. MwStSystRL, § 14, § 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt.
Hinweis
1. Formelle Anforderungen erweisen sich im Vorsteuer-Vergütungsverfahren (§ 18 Abs. 9 UStG) immer wieder als Klippe.
a) Weil sowohl die Behörden der Mitgliedstaaten als auch Unternehmen erhebliche Probleme mit dem zuvor geltenden Recht hatten, hat der Unionsgesetzgeber durch die Richtlinie 2008/9/EG die unionsrechtlichen Bestimmungen des Vergütungsverfahrens teilweise geändert, um u.a. das Verfahren zu vereinfachen und die Stellung der Unternehmen zu stärken (vgl. 1., 3. und 4. Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/9/EG).
b) Teil der getroffenen Maßnahmen ist u.a., dass der Vergütungs-Mitgliedstaat nach Art. 10 der Richtlinie 2008/9/EG (nur noch) oberhalb bestimmter Schwellenwerte verlangen kann, dass der Antragsteller zusammen mit dem Erstattungsantrag "auf elektronischem Weg eine Kopie der Rechnung oder des Einfuhrdokuments einreicht". Die Anforderung von Originalen ist vom Richtliniengeber auf Fälle beschränkt worden, in denen der Vergütungs-Mitgliedstaat "begründete Zweifel" am Bestehen einer bestimmten Forderung hat (Art. 20 Abs. 1 Sätze 3 und 4 der Richtlinie 2008/9/EG).
c) Dies setzte § 61 Abs. 2 Satz 3 UStDV in der bis zum 29.12.2014 geltenden Fassung dadurch um, dass dem Vergütungsantrag auf elektronischem Weg "die Rechnungen und Einfuhrbelege in Kopie" beizufügen waren.
2. Da eine Kopie eine originalgetreue Reproduktion eines Schriftstücks o.Ä. ist, war es jedenfalls nach § 61 Abs. 2 Satz 3 UStDV i.d.F. bis zum 29.12.2014 ausreichend, wenn mit dem Vergütungsantrag ein Dokument elektronisch übermittelt wurde, das eine originalgetreue Reproduktion der Rechnung ist (vgl. auch BFH, Urteil vom 17.5.2017, V R 54/16, BFH/NV 2017, 1294, BFH/PR 2017, 333, BStBl II 2017, 935; BFH, Urteil vom 30.8.2017, XI R 25/16).
3. Der Verordnungsgeber hat zum 30.12.2014§ 61 Abs. 2 Satz 3 UStDV geändert: Seither sind "eingescannte Originale" (gemeint wohl: das Original einer elektronischen Rechnung oder der Scan eines Originals einer Papier-Rechnung, vgl. Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 18 Rz. 718; Treiber in Sölch/Ringleb, UStG, § 18 Rz. 205) beizufügen.
Diese Bestimmung ist in doppelter Hinsicht problematisch:
a) Sie weicht möglicherweise zum Nachteil der Antragsteller von Art. 10 der Richtlinie 2008/9/EG ab, sodass sich möglicherweise die Frage stellt, ob Deutschland zu dieser Abweichung unionsrechtlich berechtigt ist.
b) Es ist außerdem unklar, ob Deutschland anordnen darf, dass allein ein Verstoß gegen § 61 Abs. 2 Satz 3 UStDV es rechtfertigt, den Vergütungsantrag abzulehnen.
aa) Der BFH-Beschluss vom 18.7.2016 (V B 5/16, BFH/NV 2016, 1594) weist zwar zu Recht darauf hin, dass dies nach nationalem Recht nach wie vor der Fall ist.
bb) Ob jedoch Art. 15 Abs. 1 Satz 2 Richtlinie 2008/9/EG, wonach der Erstattungsantrag nur dann als vorgelegt gilt, wenn der Antragsteller alle in den Art. 8, 9 und 11 der Richtlinie 2008/9/EG geforderten Angaben gemacht hat, im Umkehrschluss entnommen werden kann, dass die Unterlagen i.S.d. Art. 10 der Richtlinie 2...