Leitsatz
* Der Ertragsanteil einer Rente aus einer privaten Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung bemisst sich in aller Regel nach dem Zeitraum zwischen Eintritt der Berufsunfähigkeit und dem voraussichtlichen (wahrscheinlichen) Ende der Versicherung.
*Leitsatz nicht amtlich
Normenkette
§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstb. a EStG , § 55 Abs. 2 EStDV
Sachverhalt
Infolge eines 1989 erlittenen Unfalls trat beim Kläger eine Erwerbsminderung um 80 % ein. Seit 1980 erhielt er Renten aus mehreren von ihm im Zusammenhang mit Lebensversicherungen (= Hauptversicherungen) abgeschlossenen Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherungen. Nach den maßgebenden Versicherungsbedingungen erloschen die Rentenansprüche, wenn die Berufsunfähigkeit wegfiel, die Zusatzversicherung (zusammen mit der Lebensversicherung) ablief oder wenn der Kläger starb. Die Versicherungsgesellschaft behielt sich das Recht vor, die Fortdauer der Berufsunfähigkeit zu überprüfen und zu diesem Zweck einmal jährlich eine ärztliche Untersuchung anzuordnen.
Der Kläger ging davon aus, die Renten seien angesichts der in seinem Fall vom Versicherer in ca. zweijährigem Abstand vorgenommenen ärztlichen Untersuchungen seines Gesundheitszustands nicht als Bezüge mit einer einheitlichen Laufzeit vom Rentenbeginn bis zum vertraglichen Versicherungsende, sondern als mehrere aufeinander folgende, jeweils zeitlich befristete Renten anzusehen. Deshalb gab er in seinen Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 1992 und 1993 die Laufzeiten der Renten mit 6 und 7 Jahren und deren Ertragsanteile mit 10 und 12 % an. Das FA meinte dagegen, dass die wahrscheinliche Dauer der Renten entsprechend den voraussichtlichen Laufzeiten der Versicherungen 9, 13, 22 und 23 Jahre und deren Ertragsanteile daher 16, 22, 34 und 35 % betrügen.
Das FG wies die Klage ab (vgl. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.3.2004, 11 K 268/99). Der BFH bestätigte die Vorentscheidung.
Entscheidung
Der BFH wies zunächst darauf hin, dass es sich bei den streitigen Bezügen um abgekürzte Leibrenten i.S.v. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstb. a EStG i.V.m. § 55 Abs. 2 EStDV handele. Weder aus den einschlägigen Versicherungsbedingungen noch aus den sonstigen Umständen lasse sich folgern, dass die streitigen Renten – wie der Kläger meine – auf einen engen Zeitraum von zwei oder drei Jahren befristet gewesen seien.
Etwas anderes folge entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht aus dem Umstand, dass sich der Versicherer in den Versicherungsbedingungen das (im Grund genommen selbstverständliche) Recht vorbehalten gehabt habe, das Fortbestehen der Berufsunfähigkeit nachzuprüfen und zu diesem Zweck jederzeit sachdienliche Auskünfte und einmal jährlich eine ärztliche Untersuchung zu verlangen.
Hinweis
1. Im vorliegenden Fall handelte es sich um abgekürzte Leibrenten i.S.v. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstb. a EStG i.V.m. § 55 Abs. 2 EStDV. Dies folgt daraus, dass die Rentenansprüche nach den maßgebenden Versicherungsbedingungen nicht nur beim Tod des Versicherten, sondern auch dann erloschen, wenn die Zusatzversicherungen abliefen oder die Berufsunfähigkeit wegfiel.
2. Der Kläger meinte, aus dem Umstand, dass der Versicherer in seinem Fall ca. alle zwei Jahre eine ärztliche Untersuchung vornehmen ließ, herleiten zu können, dass die Renten jeweils auf einen derart engen Zeitraum befristet gewesen seien. Dem sind FA, FG und BFH – m.E. zu Recht – entgegengetreten. Gegen eine derartige enge Befristung der Renten sprach schon die Tatsache, dass nach den einschlägigen Versicherungsbedingungen eine Leistungspflicht des Versicherers überhaupt nur dann eintrat, wenn der Versicherte aufgrund ärztlichen Nachweises "voraussichtlich dauernd" außer Stande war, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben.
Da folglich schon bei der erstmaligen Gewährung der Rentenzahlungen eine ärztlich fundierte Prognose über eine "voraussichtlich dauerhafte" Berufsunfähigkeit vorlag, ergibt sich hieraus, dass auch der Versicherer zumindest eine kürzerfristige Besserung des Gesundheitszustands des Klägers für fernliegend hielt mit der Konsequenz, dass eine dennoch ausgesprochene enge zeitliche Befristung der Rentenzahlungen eher ungewöhnlich erschienen wäre.
Dementsprechend sahen die Rentenbewilligungsbescheide des Versicherers eine solche (enge) Befristung denn auch ausdrücklich nicht vor. Eine dahingehende enge Befristung ergab sich um Übrigen auch nicht daraus, dass die Rentengewährungen unter der "auflösenden Bedingung" standen, dass die Berufsunfähigkeit des Klägers später entfiel.
Aufgrund dieser Umstände unterscheidet sich der vorliegende Streitfall von dem Sachverhalt, der dem BFH-Urteil vom 22.1.1991, X R 97/89, BStBl II 1991, 686 (betreffend gesetzliche Erwerbsunfähigkeitsrente i.S.v. § 53 Abs. 1 AVG a.F.) zugrunde lag.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 9.2.2005, X R 17/04