Leitsatz
Es wird die Entscheidung des BVerfG darüber eingeholt, ob § 3 SolZG 1995 n.F. insoweit mit dem GG vereinbar ist, als Auszahlungen des KSt-Guthabens gem. § 37 Abs. 5 KStG 2002 i.d.F. des SEStEG die Bemessungsgrundlage zum SolZ nicht mindern und § 3 SolZG 1995 n.F. oder eine andere Vorschrift auch nicht die Festsetzung eines Anspruchs auf ein SolZ-Guthaben anordnet.
Normenkette
§ 37 Abs. 4, Abs. 5 KStG 2002 i.d.F. des SEStEG, § 1 Abs. 1, Abs. 2, § 3 Abs. 1 Nr. 1 SolZG 1995 n.F., Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG
Sachverhalt
Das FA setzte gegenüber der Klägerin den Anspruch auf Auszahlung des KSt-Guthabens gem. § 37 Abs. 5 KStG 2002 i.d.F. des Gesetzes über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften vom 7.12.2006 (BGBl I 2006, 2782, BStBl I 2007, 4) – KStG 2002 n.F. – auf 56.317 EUR fest. Der jährliche Auszahlungsbetrag betrug 5.631,70 EUR. Die Klägerin beantragte die gesonderte Festsetzung eines Anspruchs auf Auszahlung eines entsprechenden SolZ-Guthabens. Auf das festgestellte und ratierlich zur Auszahlung kommende KSt-Guthaben i.H.v. 56.317 EUR sei nach Maßgabe des § 3 Abs. 1 SolZG 1995 n.F. ein Guthaben auf SolZ i.H.v. 3.097,44 EUR (= 5,5 % des Auszahlungsanspruchs aus dem KSt-Guthaben) zu berechnen und festzusetzen.
Diesen Antrag lehnte das FA ab. Die dagegen gerichtete Sprungklage wies das FG ab (FG Köln, Urteil vom 9.3.2010, 13 K 64/09, Haufe-Index 2349892, EFG 2010, 1353).
Entscheidung
Der BFH gab dem FG in der Sache nach der Gesetzeslage recht. Anders als das FG war er aber davon überzeugt, dass die "Vernachlässigung" des SolZ bei den Übergangsvorschriften verfassungswidrig sei. Deswegen setzte er das Revisionsverfahren aus und legte die Sache dem BVerfG zur abstrakten Normenkontrolle vor.
Hinweis
1. Der BFH hat dem BVerfG die Frage vorgelegt, ob es den allgemeinen Gleichheitssatz und die Grundsätze rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes verletzt, dass die Rückzahlung des KSt-Guthabens weder die Bemessungsgrundlage zum SolZ mindert noch ein Anspruch auf Auszahlung eines SolZ-Guthabens besteht:
Bis Ende 2000 wurden die von Kapitalgesellschaften einbehaltenen und nicht ausgeschütteten Gewinne mit (zuletzt) 40 % besteuert. Zusätzlich wurde hierauf der SolZ erhoben. Wurde der Gewinn später ausgeschüttet, reduzierte sich die KSt auf (zuletzt) 30 % und der SolZ minderte sich. Ab 2001 löste das sog. Halbeinkünfteverfahren das Anrechnungsverfahren ab. Die Gewinne der Körperschaften werden seither nur noch mit einem einheitlichen KSt-Satz von zunächst 25 % und nunmehr 15 % zzgl. SolZ belastet. Damit den Kapitalgesellschaften ihr KSt-Minderungspotenzial erhalten bleibt, wurde das Ende 2000 mit Thesaurierungsteuer belastete verwendbare Eigenkapital der Kapitalgesellschaften in ein KSt-Guthaben umgewandelt, das während einer Übergangszeit von ursprünglich 15 Jahren (später 18 Jahren) unter grundsätzlicher Beibehaltung des bisherigen Anrechnungsverfahrens abgebaut werden konnte. Beschlossen die Kapitalgesellschaften die Ausschüttung dieses Kapitals, verringerte sich zugleich die Bemessungsgrundlage für den SolZ.
Mit Wirkung ab 2007 änderte sich das Gesetz. Die Rückzahlung des KSt-Guthabens wurde aus dem Veranlagungsverfahren gelöst. Die Körperschaften haben nunmehr innerhalb eines Auszahlungszeitraums von 2008 bis 2017 einen Anspruch auf Auszahlung des KSt-Guthabens in zehn gleichen Jahresbeträgen. Auf den SolZ wirkt sich dies im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage nicht mehr aus.
Letzteres ist nach Auffassung des BFH verfassungswidrig: Es werden diejenigen Steuerpflichtigen benachteiligt, die im Vertrauen auf die ursprüngliche Regelung davon abgesehen haben, durch Gewinnausschüttungen ihr KSt-Guthaben anzufordern. Ein sachlicher Grund für diese Benachteiligung ist nicht ersichtlich. Die vom Gesetzgeber angeführten Gründe für die Änderung des KStG – Missbrauchsabwehr, Verwaltungsvereinfachung, Vorhersehbarkeit der finanziellen Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte – rechtfertigen die nachteilige Änderung für den SolZ nicht. Bestätigt der Gesetzgeber durch eine bestimmte Regelung für einen Übergangszeitraum die Fortdauer des bisherigen Rechts, setzt er einen besonderen Vertrauenstatbestand. Eine Änderung dieser Regelung zulasten der Steuerpflichtigen ist nur zulässig, wenn erhebliche Gründe des Gemeinwohls dies geböten. Solche Gründe sind nicht ersichtlich.
2. Diese Entscheidung ist für alle Kapitalgesellschaften bedeutsam, die Ende 2006 aus der Zeit des körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens noch über ein KSt-Guthaben verfügen. Solche Gesellschaften werden sich nun einschlägige Steuerbescheide offenhalten und sich sodann gedulden müssen: Erfahrungsgemäß wird es mindestens fünf und – tatsächliche oder "gefühlte" – zehn Jahre dauern, bis das BVerfG entscheidet.
3. Nicht vorgelegt hat der BFH dem BVerfG die Grundsatzfrage danach, ob der SolZ als solcher verfassungswidrig ist. Das wird "heiß" diskutiert. Es ist auf die (zur...