Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Beide Beteiligten sind Unternehmer nach § 2 Abs. 1 UStG, da sie selbstständig, nachhaltig und mit Einnahmeerzielungsabsicht tätig sind. S führt gegen Entgelt und im Rahmen seines Unternehmens eine Werklieferung aus, da er offensichtlich von ihm selbst beschaffte Hauptstoffe verwendet und auch Dritten gehörende Gegenstände bearbeitet. Der Ort der Werklieferung ist dort, wo sich der Gegenstand zum Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet. Annahmegemäß ist dies in Deutschland, sodass eine nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbare Lieferung vorliegt, die auch keiner Steuerbefreiung nach § 4 UStG unterliegt. Als leistender Unternehmer ist B der Steuerschuldner nach § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG.
Bei Bauarbeiten Prüfung des Reverse-Charge-Verfahrens notwendig
Eine Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens scheidet aus, da der Leistungsempfänger kein bauleistender Unternehmer ist. Der Leistungsempfänger müsste selbst nachhaltig Bauleistungen ausführen. Regelmäßig weist er dies gegenüber dem leistenden Unternehmer mit der Bescheinigung USt 1 TG nach.
Die Leistung des B ist offensichtlich im September 2024 – mit Abnahme durch die S-AG – ausgeführt worden. Allerdings entsteht eine Umsatzsteuer schon durch die im August erhaltene Anzahlung.
Anzahlungsrechnung löst keine Umsatzsteuer aus
Dass B im Juli 2024 schon die Anzahlungsrechnung ausgestellt hat, ist für die Entstehung der Umsatzsteuer unerheblich. Da im Juli noch keine Leistung oder Teilleistung ausgeführt gewesen ist und auch keine Zahlung erfolgte, kann keine Umsatzsteuer im Juli entstanden sein. Insbesondere ist i. Z. m. Steueränderungen darauf zu achten, dass Anzahlungen grundsätzlich die Umsatzsteuer noch nicht abschließend der Höhe nach entstehen lassen.
Da B im August insgesamt 5.950 EUR erhalten hat, ergibt sich für ihn unter Anwendung des Regelsteuersatzes nach § 12 Abs. 1 UStG von 19 % eine Umsatzsteuer von 950 EUR auf einer Bemessungsgrundlage von 5.000 EUR.
Im September 2024 ist die Leistung von B ausgeführt und die Umsatzsteuer entsteht dafür nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 1 UStG. Bemessungsgrundlage ist alles, was B für die von ihm ausgeführte Leistung von seinem Vertragspartner erhalten hat. Dabei ergeben sich für B allerdings zwei Probleme: Einerseits hat er die Schlussrechnung falsch ausgestellt, da er neben der auf die gesamte Bemessungsgrundlage berechneten Umsatzsteuer (2.090 EUR) die Anzahlung nur mit dem Bruttobetrag abgesetzt hat. B hätte in seiner Schlussrechnung die in der Anzahlungsrechnung offen ausgewiesene Umsatzsteuer auch wieder offen absetzen müssen oder in der Schlussrechnung nur den Nettoschlusszahlungsbetrag und die darauf entfallende Umsatzsteuer ausweisen müssen. Da B in beiden Rechnungen zusammen (2.090 EUR + 950 EUR =) 3.040 EUR ausgewiesen hat, schuldet er mindestens diesen Betrag.
Überhöhter Steuerausweis wird nach § 14c UStG geschuldet
Hätte sich keine Überzahlung durch die S-AG ergeben, würde B aufgrund der tatsächlich erhaltenen Gegenleistung 2.090 EUR und aufgrund des unrichtigen Steuerausweises in den Rechnungen nach § 14 c Abs. 1 UStG noch einmal 950 EUR Umsatzsteuer gegenüber seinem Finanzamt schulden. Da der Leistungsempfänger (Rechnungsempfänger) ein Unternehmer ist, ist auch eine potenzielle Gefährdung des Steueraufkommens gegeben, sodass es zur Steuerschuld nach § 14c Abs. 1 UStG kommt. Nur in den Fällen, in denen eine Leistung an einen Endverbraucher ausgeführt wird, ergibt sich nach der Rechtsprechung des EuGH aufgrund fehlender Gefährdung des Steueraufkommens keine Steuerschuld nach Art. 203 MwStSystRL.
Andererseits hat B auch die Schlusszahlung doppelt erhalten. Nach der Rechtsprechung des BFH gehören auch Doppel- oder Überzahlungen zur steuerlichen Bemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 1 UStG. Damit hat B von seinem Vertragspartner insgesamt (5.950 EUR + 7.140 EUR + 7.140 EUR =) 20.230 EUR erhalten. In diesem Betrag sind 19 % Umsatzsteuer (3.230 EUR) enthalten, sodass die Bemessungsgrundlage (20.230 EUR ./. 3.230 EUR =) 17.000 EUR beträgt.
Da die Umsatzsteuer, die sich aufgrund der tatsächlich erhaltenen Beträge ergibt, über dem liegt, was B in seiner Rechnung gesondert ausgewiesen hat, kann sich im Ergebnis kein unrichtiger Steuerausweis mehr ergeben. § 14c Abs. 1 UStG geht somit ins Leere. B schuldet wegen der tatsächlich erhaltenen 20.230 EUR insgesamt 3.230 EUR an Umsatzsteuer.
Unrichtiger Steuerausweis lebt bei Rückzahlung der Überzahlung auf
Stellt die S-AG in einem späteren Besteuerungszeitraum die Überzahlung fest und fordert den überzahlten Betrag von 7.140 EUR zurück, würde sich bei Rückzahlung eine Änderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 UStG ergeben. Gleichzeitig würde dann aber wieder § 14c Abs. 1 UStG aufleben, sodass B aus der ausgeführten Leistung 2.090 EUR und wegen des unrichtigen Steuerausweises 950 EUR schulden würde. Allerdings kann B die unrichtig ausgewiesene Umsatzsteuer berichtigen.