Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Zusammenfassung
Erbringt ein Unternehmer eine im Inland steuerbare Lieferung oder sonstige Leistung oder wird an ihn eine Leistung ausgeführt, für die er die Umsatzsteuer schuldet, muss der Unternehmer die Bemessungsgrundlage für die Leistung zutreffend ermitteln. Die Bemessungsgrundlage wird grundsätzlich von dem abgeleitet, was der leistende Unternehmer vom Leistungsempfänger oder von einem anderen für die Leistung erhält oder erhalten soll. In besonderen Fällen können sich aber Probleme bei der Ermittlung der zutreffenden Bemessungsgrundlage ergeben, wenn Zahlungen zwischen Vertragsparteien außerhalb des Leistungsaustauschs erfolgen: Zuschüsse, durchlaufende Posten oder Hinzurechnungsbeträge bei innergemeinschaftlichen Erwerben sind genauso häufige Fehlerquellen, wie Änderungen bei der Bemessungsgrundlage.
1 Problematik
Ist eine Lieferung oder sonstige Leistung in Deutschland steuerbar und steuerpflichtig ausgeführt worden, muss der leistende Unternehmer oder – im Fall des Reverse-Charge-Verfahrens – der Leistungsempfänger ermitteln, welchen Betrag er der Umsatzsteuer unterwirft. Dabei ist die Bemessungsgrundlage i. S. d. § 10 Abs. 1 UStG auf den ersten Blick einfach zu bestimmen: Alles das soll der Besteuerung unterliegen, was der leistende Unternehmer von seinem Leistungsempfänger oder einem anderen für seine Leistung erhält oder erhalten soll.
Bemessungsgrundlage stellt subjektive Besteuerungsgrundlage dar
Die Bemessungsgrundlage ist deshalb eine subjektive Größe. Nicht das, was der leistende Unternehmer erhalten möchte oder was den objektiven Wert der ausgeführten Leistung darstellt, unterliegt der Umsatzsteuer, sondern nur das, was der leistende Unternehmer tatsächlich für die von ihm ausgeführte Leistung erhält. Dies ist insbesondere in den Fällen des Zahlungsausfalls von Bedeutung. Hat der leistende Unternehmer den Umsatz schon angemeldet und die Umsatzsteuer schon gezahlt, ergibt sich bei nachträglichen Veränderungen eine Änderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 UStG. Aber auch bei einem Tausch (mit Baraufgabe) sind diese Grundsätze für die jeweils erhaltene Gegenleistung zu beachten.
Diese subjektive Größe steht aber häufig mit einem anderen Grundprinzip des Umsatzsteuerrechts in einem Zielkonflikt: Der Besteuerung nach vereinbarten Entgelten. Die Umsatzsteuer entsteht beim leistenden Unternehmer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistung ausgeführt worden ist (Sollversteuerung). Häufig ist zu diesem Zeitpunkt aber die Gegenleistung noch gar nicht vereinnahmt worden, sodass der leistende Unternehmer die Bemessungsgrundlage schätzen muss, dies geschieht regelmäßig anhand dessen, was der leistende Unternehmer für seine Leistung erhalten soll. Erst nach tatsächlicher – endgültiger Vereinnahmung – kann dann geprüft werden, ob eine Änderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 UStG eingetreten ist.
Besondere Probleme ergeben sich in der Praxis bei der Bestimmung der zutreffenden Bemessungsgrundlage insbesondere bei der
- Abgrenzung eines durchlaufenden Postens von einem Bestandteil der Bemessungsgrundlage,
- zutreffenden Erfassung eines Zuschusses (echter oder unechter Zuschuss),
- Behandlung von Überzahlungen,
- Berücksichtigung von Verbrauchsteuern bei innergemeinschaftlichen Erwerben sowie
- Änderung der Bemessungsgrundlage.
2 Fall: Die Beratungsleistung aus dem Ausland
2.1 Sachverhalt
Unternehmer U aus Deutschland ist in einen Rechtsstreit mit einem Kunden in der Schweiz verwickelt. Er lässt seine Interessen von dem in Zürich (CH) ansässigen Rechtsanwalt R vertreten. Nach Abschluss des Gerichtsverfahrens im Juli 2024 in der Schweiz stellt R seinem Auftraggeber U folgende Rechnung:
Beratungs- und Verhandlungsgebühr |
20.000 EUR |
in Ihrem Namen verauslagte Gerichtskosten |
2.000 EUR |
Fahrtkosten in der Schweiz |
500 EUR |
Übernachtung am Gerichtsort (netto, d. h. ohne Schweizer USt) |
150 EUR |
Portoauslagen – pauschal |
50 EUR |
Gesamtbetrag |
22.700 EUR |
2.2 Fragestellung
U möchte wissen, ob sich für ihn aus dem Sachverhalt umsatzsteuerrechtliche Konsequenzen ergeben.
2.3 Lösung
R aus der Schweiz ist Unternehmer nach § 2 Abs. 1 UStG, da er selbstständig, nachhaltig und mit Einnahmeerzielungsabsicht tätig ist, er wird im Rahmen seines Unternehmens tätig. Nicht von Bedeutung ist, dass es sich um einen Unternehmer aus der Schweiz handelt. Er führt mit der Rechtsberatung eine sonstige Leistung nach § 3 Abs. 9 Satz 1 UStG aus, deren Ort sich nach den allgemeinen Grundsätzen des § 3a Abs. 2 Satz 1 UStG bestimmt. Der Ort der sonstigen Leistung ist damit dort, wo der Auftraggeber (Leistungsempfänger) sein Unternehmen betreibt, in Deutschland. Die von R ausgeführte Leistung ist damit in Deutschland nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar und unterliegt auch keiner Steuerbefreiung nach § 4 UStG.
Abweichende Ortsbestimmung bei Leistungsbezug durch Betriebsstätte
Etwas anderes könnte sich nur dann ergeben, wenn U noch eine Betriebsstätte in der Schweiz unterhalten würde und die Leistung an die Betriebsstätte a...