Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Nach Art. 10 Abs. 2, Art. 11 Abs. 2 OECD-MA steht dem Stpfl. der Anspruch auf Reduzierung der Quellensteuer nur zu, wenn er Nutzungsberechtigter ist. Nach Art. 12 OECD-MA tritt der Ausschluss der Quellensteuer für Lizenzgebühren in gleicher Weise nur ein, wenn der Empfänger auch der Nutzungsberechtigte ist. Ist in dem jeweils anzuwendenden DBA die Quellenbesteuerung für Lizenzgebühren aufrechterhalten, kann in entsprechender Weise der Empfänger der Vergütung die Reduzierung der Quellensteuer nur verlangen, wenn er Nutzungsberechtigter ist. In den DBA wird der Begriff des Beneficial Owners bzw. Nutzungsberechtigten nicht definiert.
Die Voraussetzung, dass der Empfänger der Vergütung Beneficial Owner bzw. Nutzungsberechtigter sein muss, deutet darauf hin, dass es für den Anspruch auf Reduzierung der Quellensteuer nicht genügt, dass der Empfänger zivilrechtlich der Inhaber des Anspruchs ist. Es genügt also nicht, dass er "owner" ist; er muss "beneficial owner" bzw. nutzungsberechtigt sein. Damit ist klar, dass von der Ermäßigung der Quellensteuer jedenfalls solche Personen ausgeschlossen sind, die die Zahlung auf eigenem Namen, aber auf fremde Rechnung entgegennehmen. Dies betrifft Treuhänder und Vertreter, aber auch Personen, die zivilrechtlich verpflichtet sind, die erhaltene Zahlung an eine andere Person weiterzuleiten. Diese Personen sind zur Reduzierung der Quellensteuer nicht berechtigt.
Nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob auch Personen unter die Regelung fallen, die ohne eine rechtliche Verpflichtung, aber bestimmungsgemäß oder aufgrund eines vorher gefassten Plans die Zahlung weiterleiten. Dies ist jedenfalls für sog. Durchleitungsgesellschaften (conduit companies) zu bejahen, die nur formal zwischen den Leistenden und denjenigen, für den die Leistung wirtschaftlich bestimmt ist, zwischengeschaltet wird.
Der in Art. 1 Abs. 1 der Zins- und Lizenzrichtlinie verwendete Begriff des Nutzungsberechtigten hat die gleiche Funktion wie der entsprechende Begriff in den DBA. Es soll verhindert werden, dass eine Person die Reduzierung der Steuer durch die Richtlinie in Anspruch nehmen kann, die nicht der materiell Berechtigte ist. Die entsprechende nationale Vorschrift ist in § 50g Abs. 3 Nr. 1 EStG enthalten. Anders als in den DBA wird in Art. 1 Abs. 4, 5 der Zins- und Lizenzrichtlinie der Begriff des Nutzungsberechtigten näher definiert. Ein Unternehmen ist danach nur Nutzungsberechtigter, wenn es die Zahlung zu eigenen Gunsten und nicht nur als Zwischenträger erhält. Eine Betriebsstätte ist Nutzungsberechtigter, wenn die Zahlung mit der Betriebsstätte in einem konkreten Zusammenhang steht und bei ihr der Besteuerung unterliegt.
Der EuGH hat diese Regelung ausgeweitet und verallgemeinert, sodass sie als ungeschriebener, aber bindender Grundsatz zur Verhinderung von Missbrauch wirkt.
Eine Reduzierung der Steuer kann danach nicht dadurch erreicht werden, dass eine Pro-forma-Struktur geschaffen wird, um einen Steuervorteil zu erlangen, der dem Ziel und Zweck der anwendbaren Steuervorschriften zuwiderläuft. Das ist insbesondere der Fall, wenn in einer Unternehmensgruppe zwischen die zahlende Gesellschaft und dem Nutzungsberechtigten eine Durchleitungsgesellschaft geschaltet wird. Ein Indiz hierfür ist, dass die zwischengeschaltete Gesellschaft die erhaltene Zahlung kurz darauf an eine andere Gesellschaft weiterleitet, die nicht die Voraussetzungen der Reduzierung der Steuer erfüllt. Weitere Indizien sind, dass die zwischengeschaltete Gesellschaft selbst keinen nennenswerten Gewinn erzielt, dass ihre einzige Tätigkeit in der Entgegennahme und Weiterleitung der Vergütungen besteht oder dass sie im Wesentlichen nicht berechtigt ist, über die Vergütung zu verfügen. Hinsichtlich der Beweislast muss die Finanzbehörde nicht ermitteln, wer tatsächlich Nutzungsberechtigter ist. Es reicht aus, wenn sie nachweist, dass der Zahlungsempfänger nicht der Nutzungsberechtigte ist.