Leitsatz
* 1. Leistet ein Steuerpflichtiger Zahlungen an ein in Großbritannien ansässiges Bauunternehmen für Leistungen, die dieses Unternehmen im Inland erbracht hat, besteht regelmäßig kein Anlass, von einer Domizilgesellschaft auszugehen. Eine solche Annahme widerspräche den gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten.
2. Die Aufforderung des FA an den Steuerpflichtigen, die "hinter" dem Zahlungsempfänger stehenden Personen zu benennen, ist ermessensfehlerhaft, wenn für den Steuerpflichtigen bei vernünftiger Beurteilung der Umstände und bei Ausschöpfung seiner zumutbaren Erkenntnismöglichkeiten nicht erkennbar gewesen ist, dass es sich bei dem Zahlungsempfänger um eine Domizilgesellschaft handeln könnte.
* Leitsatz nicht amtlich
Normenkette
§ 160 AO
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH, betreibt im Rahmen eines Bauunternehmens insbesondere das Fliesengewerbe. Sie hat im Streitjahr 1996 Banküberweisungen an ein englisches Unternehmen (D-Ltd.) vorgenommen und die überwiesenen Beträge als BA verbucht. Die entsprechenden Rechnungen der D-Ltd. enthielten im Kopf unter der Angabe der Firma den Zusatz "Registered Company No. 304238" und die Anschrift in England. Die D-Ltd. erbrachte Leistungen als Subunternehmerin der Klägerin aufgrund eines zwischen beiden per Telefax geschlossenen schriftlichen Werkvertrags, der die jeweiligen im Inland belegenen Baustellen als vereinbarte Leistungsorte auswies.
Vor Vertragsabschluss hatte die Klägerin Erkundigungen über die D-Ltd. angestellt. Sie ließ sich von dieser diverse Unterlagen zum Nachweis der Identität vorlegen, so die Urkunde über die Eintragung einer "Private Limited Company", die Handwerkskarte der zuständigen deutschen Handwerkskammer nebst Bescheinigung über die Eintragung der D-Ltd. in die Handwerksrolle, wonach die D-Ltd. als Inhaberin eines Bau-, Dachdecker- und Klempnereibetriebs im Handelsregister eingetragen und in der als Betriebssitz die Adresse in England angegeben und ein Betriebsleiter namentlich genannt ist, den britischen Umsatzsteuerbescheid der D-Ltd. und die Versicherungsbestätigung über den Abschluss einer Betriebshaftpflichtversicherung.
Auf Nachfrage teilte das BfF dem FA mit, bei der D-Ltd. handle es sich wohl um eine Sitz- oder Domizilgesellschaft: Es sei weder eine Geschäftsadresse noch ein Telefonanschluss unter ihrem Namen in Großbritannien ersichtlich. Die D-Ltd. verfüge lediglich über ein für Briefkastenfirmen typisches "Büroservice-Domizil" bzw. eine "Korrespondenzadresse" unter der Anschrift einer Agentur für Büro- und Sekretariatsdienste, welche vorgebe, die D-Ltd. nicht zu kennen. Deren eingezahltes Kapital betrage nur 2 Brit. Pfund. Sie habe keine Mitarbeiter, sei im Streitjahr im Telefonbuch nicht verzeichnet und in den einschlägigen Branchen- und Wirtschaftsführern nicht auffindbar.
Ihr Direktor (Geschäftsführer) sei schon bei weiteren Firmen als Funktionsträger in Erscheinung getreten, die auch als Domizilgesellschaften bekannt seien. In Großbritannien, das aus gesellschafts- und steuerrechtlichen Gründen als "de facto Steueroase" zu klassifizieren sei, würden Briefkastengesellschaften üblicherweise durch örtlich ansässige RÄ, WP oder spezielle Gesellschaftsgründungsfirmen (sog. Registrierungsgesellschaften) gegründet, in deutschen Tageszeitungen zum Verkauf angeboten und auf Wunsch vor Ort verwaltet.
Aufgrund dieser Angaben versagte das FA unter Hinweis auf § 160 AO den von der Klägerin für die Zahlungen an die D-Ltd. beanspruchten BA-Abzug. Die Klägerin habe die hinter der Gesellschaft stehenden Zahlungsempfänger nicht benannt.
Das FG gab der dagegen gerichteten Klage statt (EFG 2001, 320).
Entscheidung
Die Revision des FA blieb ohne Erfolg. Ein Benennungsverlangen sei nur rechtmäßig, wenn der Steuerpflichtige bei vernünftiger Einschätzung der Gegebenheiten davon ausgehen müsse, dass der Empfänger einer Zahlung den Bezug zu Unrecht nicht versteuert habe. Nur dann stehe dem FA ein berechtigtes Interesse an der Offenbarung der "Hintermänner" als der "wahren" Empfänger zu.
Allerdings sei dabei der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit für den Steuerpflichtigen zu beachten, sich nach den Gepflogenheit eines ordnungsmäßigen Geschäftsverkehrs der Identität seines Geschäftspartners zu vergewissern. Dem habe die Klägerin im Urteilsfall indes durch ihre Nachforschungen voll und ganz entsprochen. Zu mehr habe aus ihrer Sicht kein Grund bestanden.
Insbesondere aber müsse sie sich nicht entgegenhalten lassen, dass es sich bei dem Geschäftspartner um eine englische Ltd. handle. EU-Mitgliedsstaaten seien keine Steueroasen. Folglich müsse der Steuerpflichtige auch nicht davon ausgehen, dass die als solche unverdächtige Gesellschaft "zur Umgehung der Steuerpflicht von Inländern eingeschaltet" worden sei. Dies gelte um so mehr, als selbst das FA sich nicht ganz sicher sei, dass die Ltd. überhaupt einen bloßen "Briefkasten" darstelle.
Hinweis
1. Immer wieder gibt es Ärger, wenn das FA vermeint, der Vertragspartner des Steuerpflichtigen nicht ein honoriges, über jede...