Leitsatz
Befand sich das Kind das ganze Jahr in Berufsausbildung, ist das gesamte im Jahr erzielte Einkommen einschließlich der Bezüge zu berücksichtigen. Einkünfte und Bezüge des Kindesvaters sind bei Berechnung der Einkünfte und Bezüge des Kindes nicht zu berücksichtigen, wenn der Kindesvater der Kindesmutter gegenüber (Tochter der Klägerin) nicht unterhaltsverpflichtet ist.
Sachverhalt
Die im Jahr 1988 geborene Tochter der Klägerin war nach Abschluss der Fachoberschule im Juni 2009 zum Zwecke der Qualifizierung zur Verwaltungsfachwirtin im öffentlichen Dienst beschäftigt. Die Familienkasse hat die Festsetzung des Kindergeldes rückwirkend ab Januar 2009 aufgehoben, da unter Berücksichtigung von Unterhaltsansprüchen gegenüber dem mit der Tochter zusammenlebenden Kindesvater Einkünfte und Bezüge zuzurechnen seien, die den Grenzbetrag nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG überstiegen und ein sogenannter Mangelfall nicht vorliege.
Entscheidung
Nach Auffassung des FG ist die Unterhaltsverpflichtung der Klägerin gegenüber ihrer Tochter nicht entfallen, weil der Kindesvater der Tochter der Klägerin gegenüber nicht unterhaltsverpflichtet war. Da durch den Familienleistungsausgleich des § 31 EStG nur derjenige begünstigt wird, der eine vorrangige Unterhaltsverpflichtung gegenüber einem Kind im Sinne des § 32 Abs. 1 EStG hat, setzt der Anspruch auf Kindergeld für ein volljähriges Kind zusätzlich zu den eigenen Einkünften und Bezügen der Tochter der Klägerin eine "typische Unterhaltssituation" der Eltern voraus. Diese liegt nicht vor, wenn mit der Geburt eines Kindes durch ein Kind der andere Elternteil des Kindeskindes vorrangig unterhaltspflichtig gemäß § 16151 BGB wird. Diese Voraussetzung war im Streitfall nicht erfüllt, weil nach Auffassung des FG der Kindesvater der Tochter der Klägerin gegenüber nicht nach § 16151 BGB unterhaltsverpflichtet war.
Hinweis
Die von dem FG zugelassene Revision wurde eingelegt und wird unter dem Az. V R 42/11 beim BFH geführt. In diesem Verfahren muss der BFH entscheiden, ob die Tochter der Klägerin dem Grunde nach einen Unterhaltsanspruch nach 16151 BGB gegen den Vater ihres eigenen Kindes hat, der zum Wegfall des Kindergeldanspruches der Klägerin führen würde, und ob der Unterhaltsanspruch der Tochter gegenüber dem Kindesvater zu den "Bezügen" i. S. von § 32 Abs. 4 S. 2 EStG gehört. Versagen die Familienkassen in vergleichbaren Fällen die Gewährung von Kindergeld sollten die ablehnenden Bescheide mit einem Einspruch offen gehalten und auf das vorstehende Revisionsverfahren verwiesen werden.
Link zur Entscheidung
Niedersächsisches FG, Urteil vom 27.06.2011, 16 K 123/11