Leitsatz
Die Entfernungspauschale für Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte gilt arbeitstäglich zwei Wege (einen Hin- und einen Rückweg) ab. Legt ein Arbeitnehmer nur einen Weg zurück, so ist nur die Hälfte der Entfernungspauschale je Entfernungskilometer und Arbeitstag als Werbungskosten zu berücksichtigen.
Normenkette
§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Sätze 1 und 2, Abs. 4 Sätze 1 und 2 EStG
Sachverhalt
Der Kläger war als Flugbegleiter in X beschäftigt. Er fuhr im Streitjahr mit seinem Pkw an 12 Arbeitstagen von seiner Wohnung zum dortigen Flughafen und zurück. An 31 Tagen fuhr er mit seinem Pkw von der Wohnung zum Flughafen, ohne an dem betreffenden Arbeitstag nach Hause zurückzufahren. In diesen Fällen kehrte er nach seinem Dienst als Flugbegleiter erst nach mindestens einem weiteren Arbeitstag an den Flughafen zurück. Von dort trat der Kläger dann den Heimweg an.
Im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr (2014) begehrte der Kläger den arbeitstäglichen Ansatz der vollen Entfernungspauschale auch, wenn er die Hin- und Rückfahrt zwischen seiner Wohnung und dem Flughafen an unterschiedlichen Tagen durchgeführt hat. Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage wies das FG ab (FG Münster, Urteil vom 14.7.2017, 6 K 3009/15 E, Haufe-Index 11256676, EFG 2017, 1582).
Entscheidung
Die Revision des Klägers hat der BFH aus den in den Praxis-Hinweisen ausgeführten Gründen zurückgewiesen.
Hinweis
1. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 1 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung sind Werbungskosten auch Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 4 EStG.
Zur Abgeltung dieser Aufwendungen ist nach Satz 2 der Vorschrift für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die erste Tätigkeitsstätte aufsucht, eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte von 0,30 EUR anzusetzen, höchstens jedoch 4.500 EUR im Kalenderjahr; ein höherer Betrag als 4.500 EUR ist anzusetzen, soweit der Arbeitnehmer einen eigenen oder ihm zur Nutzung überlassenen Kraftwagen benutzt.
2. Der Abzug der Entfernungspauschale setzt voraus, dass der Steuerpflichtige an einem Arbeitstag den Weg von der Wohnung zu seiner ersten Tätigkeitsstätte (hier unstreitig am Flughafen X) und von dort wieder zurück zu seiner Wohnung zurücklegt. Legt der Steuerpflichtige diese Wege an unterschiedlichen Arbeitstagen zurück, kann er die Entfernungspauschale für jeden Arbeitstag nur zur Hälfte geltend machen.
a) Der BFH hat bereits zu dem in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG a.F. geregelten früheren Kilometer-Pauschbetrag von 0,36 DM für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit dem eigenen Kraftfahrzeug entschieden, dass dieser zwei Fahrten (eine Hin- und eine Rückfahrt) abgilt und dass ein Arbeitnehmer, der nur eine Fahrt zurücklegt, entsprechend nur die Hälfte des Kilometer-Pauschbetrags – also 0,18 DM je Entfernungskilometer und Arbeitstag – als Werbungskosten abziehen kann. Denn der Gesetzgeber sei bei der Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG a.F. vom Normalfall ausgegangen, dass der Arbeitnehmer täglich zur Arbeit hin- und von dort wieder nach Hause zurückfahre (BFH, Urteil vom 26.7.1978, VI R 16/76, BStBl II 1978, 661).
b) An dieser Rechtslage hat sich im Grundsatz weder mit der Einführung der Entfernungspauschale durch das Gesetz zur Einführung einer Entfernungspauschale vom 21.12.2000 (BGBl I 2000, 1918) noch durch das seit dem VZ 2014 geltende (neue) Reisekostenrecht (Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts, BGBl I 2013, 285) etwas geändert.
c) Damit gilt die Entfernungspauschale für "Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte" (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 1 EStG) auch im Streitjahr zwei Wege (einen Hin- und einen Rückweg) ab. Ein Arbeitnehmer, der an einem Arbeitstag nur einen Weg zurücklegt, kann folglich nur die Hälfte der Entfernungspauschale von 0,30 EUR (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG) – also 0,15 EUR je Entfernungskilometer und Arbeitstag – als Werbungskosten abziehen.
d) Dem steht insbesondere nicht § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG entgegen, soweit es dort heißt, dass die Entfernungspauschale "für jeden Arbeitstag" angesetzt wird, "an dem der Arbeitnehmer die erste Tätigkeitsstätte aufsucht". Diese Formulierung verdeutlicht zum einen, dass die Entfernungspauschale nur für tatsächlich durchgeführte Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte berücksichtigt werden kann. Zum anderen folgt daraus, dass die Entfernungspauschale auch nach dem geltenden (neuen) Reisekostenrecht nur einmal für jeden Arbeitstag berücksichtigt werden kann. Das Gesetz zwingt aber nicht dazu, die Entfernungspauschale auch dann "für jeden Arbeitstag" in voller Höhe anzusetzen, wenn der Arbeitnehmer an dem betreffenden Arbeitstag "die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte" nicht mindestens einmal hin und wieder zurück bewältigt hat.
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