Leitsatz
Bei der Berechnung des Unterhaltshöchstbetrags nach § 33a Abs. 1 EStG sind keine fiktiven Einkünfte einer nach § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG gesetzlich Unterhaltsberechtigten gleichgestellten Person anzusetzen.
Normenkette
§ 33a Abs. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG, § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c, § 9 Abs. 1 und Abs. 2 SGB II
Sachverhalt
Der Kläger lebt seit Mai 2007 mit seiner Lebensgefährtin Frau X (geb. 1974) in einem Haushalt. Frau X bezog bis 31.12.2008 Leistungen nach dem SGB II. Die Fortzahlung entsprechender Leistungen wurde abgelehnt, weil sie mit dem Kläger in einer Bedarfsgemeinschaft lebe.
In seinen Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre (2009 bis 2012) machte der Kläger jeweils Unterhaltsaufwendungen für Frau X mit dem Höchstbetrag zzgl. des Beitrags für die Krankenversicherung gemäß § 33a EStG geltend. Eigene Einkünfte erzielte Frau X in diesen Jahren nicht.
Das FA berücksichtigte die Unterhaltsaufwendungen nicht. Frau X sei nicht hilfsbedürftig. Denn sie hätte ihren Unterhalt durch eine zumutbare Erwerbstätigkeit decken können.
Der daraufhin erhobenen Klage gab das FG teilweise statt. Zwar bestehe nach der neueren Rechtsprechung zu § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG eine generelle Erwerbsobliegenheit des Unterhaltsempfängers. Eine Verletzung der Erwerbsobliegenheit schließe den Abzug von Unterhaltsaufwendungen nach § 33a EStG jedoch nicht vollständig aus. Vielmehr seien bei der Berechnung des Unterhaltshöchstbetrags gemäß § 33a Abs. 1 EStG die objektiv erzielbaren fiktiven Einkünfte des Unterhaltsempfängers – hier i.H.v. geschätzt monatlich 400 EUR – gegenzurechnen (Niedersächsisches FG, Urteil vom 28.4.2016, 10 K 57/15, Haufe-Index 9564943, EFG 2016, 1262).
Entscheidung
Auf die Revision des Klägers hob der BFH das angefochtene Urteil aus den in den Praxis-Hinweisen ausgeführten Gründen auf und gab der Klage statt. Die auf die Anrechnung höherer fiktiver Einkünfte gerichtete Revision des FA wies der BFH zurück.
Hinweis
1. Erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen für den Unterhalt einer dem Steuerpflichtigen oder seinem Ehegatten gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Person, so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass die Aufwendungen bis zu 7.680 EUR (im Jahr 2009) und bis zu 8.004 EUR (in den Jahren 2010 bis 2012) im Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden (§ 33a Abs. 1 Satz 1 EStG).
Der Unterhaltshöchstbetrag erhöht sich ab dem VZ 2010 gemäß § 33a Abs. 1 Satz 2 EStG i.d.F. des BürgEntlG KV um den Betrag der im jeweiligen VZ nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG für die Absicherung der unterhaltsberechtigten Person aufgewandten Beiträge; dies gilt nicht für Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge, die bereits (beim Unterhaltsverpflichteten) nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG anzusetzen sind.
Der gesetzlich unterhaltsberechtigten Person gleichgestellt ist eine Person, wenn bei ihr zum Unterhalt bestimmte inländische öffentliche Mittel mit Rücksicht auf die Unterhaltsleistungen des Steuerpflichtigen gekürzt werden (§ 33a Abs. 1 Satz 3 EStG i.d.F. des BürgEntlG KV, § 33a Abs. 1 Satz 2 EStG a.F.).
2. Davon ist auszugehen, wenn der Steuerpflichtige mit einer erwerbsfähigen leistungsberechtigten, d.h. hilfsbedürftigen (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 9 Abs. 1 SGB II) Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen (§ 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c SGB II). Hat ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft ein Einkommen, das den zur Deckung des eigenen (sozialrechtlichen) Lebensunterhaltsbedarfs benötigten Umfang übersteigt, wird der Überschuss auf den Bedarf des Leistungsberechtigten angerechnet und mindert dessen Ansprüche nach dem SGB II.
3. Aufgrund dessen kann beim Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft regelmäßig davon ausgegangen werden, dass dem gleichgestellten Unterhaltsempfänger i.S.d. § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG i.d.F. des BürgEntlG KV (§ 33a Abs. 1 Satz 2 EStG a.F.) zum Unterhalt bestimmte inländische öffentliche Mittel mit Rücksicht auf die Unterhaltsleistungen des Steuerpflichtigen gekürzt werden (BMF vom 7.6.2010, BStBl I 2010, 582, Tz. 5). Auf die Höhe der Kürzung kommt es nicht an (BT-Drucks. 14/6877, 26).
4. Weitere Abzugsvoraussetzungen benennt § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG i.d.F. des BürgEntlG KV (§ 33a Abs. 1 Satz 2 EStG a.F.) nicht. Vielmehr nimmt die Vorschrift die im Sozialrecht angelegte – im Tatbestand der Bedarfsgemeinschaft geregelte – Vermutung, dass Lebenspartner einander bei Bedürftigkeit unterhalten, auf und stellt Unterhaltsleistungen an Personen, die wegen der Kürzung/Versagung von Sozialleistungen an Einkommen und Vermögen des Lebenspartners teilhaben, in der steuerlichen Rechtsfolge Zuwendungen an gesetzlich Unterhaltsberechtigte gleich.
5. Die Frage, ob sich der gleichgestellte erwerbsfähige Unterhaltsempfänger einer zumutbaren Erwerbstätigkeit verweigert und deshalb eine Kürzung von Sozialleistungen zu verg...