Leitsatz
Die Übergangsvorschrift in § 27 Abs. 8 UStG 1999 i.d.F. des StÄndG 2003, nach der § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG in der ab dem 1.1.2002 geltenden Fassung unter bestimmten Voraussetzungen auch für Zeiträume vor dem 1.1.2002 anzuwenden ist, enthält keine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung.
Normenkette
§ 15a UStG 1980, § 15a, § 27 Abs. 8 UStG 1999, Art. 20 der 6. EG-RL
Sachverhalt
Die Klägerin plante den Bau eines Hotels und Parkhauses; dazu kam es dann aber trotz weit gediehener Planung nicht, und sie verkaufte das Grundstück steuerfrei. Die Berichtigung der für die Planung etc. angefallenen Vorsteuerbeträge hielt die Klägerin deswegen für unzulässig, weil eine Absichtsänderung keine Berichtigung rechtfertige. Das FG gab der Klägerin Recht.
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Auffassung des FA, dass Vorsteuerabzug und Vorsteuerberichtigung verzahnt sind und die – auch rückwirkende – Anpassung der Berichtigungsvorschrift an die "Absichts"-Rechtsprechung zulässig war. Eine Änderung der Verhältnisse liegt stets vor, wenn das noch verwendungsfähige Wirtschaftsgut vor Ablauf des maßgeblichen Berichtigungszeitraums veräußert wird und dieser Umsatz anders zu beurteilen ist als die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebliche Verwendung.
Hinweis
1. Die bis zum 31.12.2001 geltende Fassung des § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG lautete ursprünglich:
"Ändern sich bei einem Wirtschaftsgut die Verhältnisse, die im Kalenderjahr der erstmaligen Verwendung für den Vorsteuerabzug maßgebend waren, ...." Die Neufassung ab 1.1.2002 lautete: "Ändern sich bei einem Wirtschaftsgut innerhalb von fünf Jahren ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse, ..." Dieser Gesetzesfassung hat der Gesetzgeber durch § 27 Abs. 8 UStG 1999 i.d.F. des StÄndG 2003 vom 15.12.2003 Rückwirkung beigemessen.
Die Änderungen waren letztlich aufgrund der Rechtsprechung des EuGH zu Fehlmaßnahmen nötig geworden, der insoweit auf die beabsichtigte Verwendung abgestellt hatte. Der BFH hatte in einem Aussetzungsbeschluss (BFH-PR 2003, 275) gemeint, es sei zweifelhaft, ob die auf die Verwendung und nicht auf die für den Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse abstellende Berichtigungsvorschrift des § 15a UStG a.F. eingreife. Das hatte den Gesetzgeber zur Reaktion und zur Anordnung der "Rückwirkung" veranlasst. Darin hatte u.a. das FG eine unzulässige "echte Rückwirkung" gesehen.
2. Eine sog. echte Rückwirkung liegt zwar vor, wenn – wie hier – nachträglich ändernd in bereits abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingegriffen wird. Sie ist aber u.a. dann zulässig, wenn die bestehende Rechtslage keine ausreichende Vertrauensgrundlage darstellte und deshalb das Vertrauen des Steuerbürgers in den Fortbestand des geltenden Rechts nicht schutzbedürftig ist. So liegt es hier.
3. Durch § 27 Abs. 8 UStG 1999 wird bewirkt, dass bei Unternehmern, denen für Zeiträume vor dem 1.1.2002 der Vorsteuerabzug nach Maßgabe der Verwendungsabsicht im Zeitpunkt des Leistungsbezugs gewährt worden ist, hinsichtlich der Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 15a UStG eine Regelungslücke beseitigt wird.
Eine Lücke war dadurch entstanden, dass nach neuerer Rechtsprechung auch bei Fehlmaßnahmen der Vorsteuerabzug beansprucht werden konnte, wenn der Unternehmer nachweisbar die Absicht zur Ausführung steuerpflichtiger Umsätze hatte.
Die alte Berichtigungsvorschrift stellte aber nach dem Wortlaut nur auf eine Änderung der für die erstmalige Verwendung maßgeblichen Verhältnisse – nicht auf eine Änderung der Verwendungsabsicht – ab. Um Zweifel daran zu beseitigen, hat der Gesetzgeber schnell reagiert.
Da nach Art. 20 der 6. EG-RL die Vorsteuerberichtigung in allen Fällen der Änderung der für den Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse geboten ist und dieser Zusammenhang zwischen Vorsteuerabzug und Vorsteuerberichtigung auch offensichtlich im UStG angelegt war, konnte die Lücke richtlinienkonform nur so geschlossen werden.
Ein schutzwürdiges Vertrauen auf den Fortbestand einer erst durch die Rechtsprechung aufgeworfenen Regelungslücke war deshalb nicht gegeben.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 7.7.2005, V R 32/04