Leitsatz
Ein Eingabefehler kann eine offenbare Unrichtigkeit darstellen, obwohl der Fehler von drei Sachbearbeitern im Finanzamt nicht erkannt wurde.
Sachverhalt
Der Kläger war im Streitjahr Gesellschafter einer GmbH. Mit Vertrag vom November 2011 veräußerte er einen Gesellschaftsanteil zu einem Verkaufspreis von 138.000 EUR. Da er diese Beteiligung in seinem Privatvermögen hielt, erzielte er aus der Veräußerung unstrittig einen Veräußerungsgewinn, der nach § 17 EStG steuerpflichtig war und dem Teileinkünfteverfahren unterlag. Im Rahmen der Einreichung der Einkommensteuererklärung 2011 erklärte der steuerliche Berater diesen Gewinn zutreffend. Der Sachbearbeiter im Finanzamt prüfte den Veräußerungsgewinn und sah die Berechnung als zutreffend an. Dann erfolgte jedoch eine fehlerhafte Eingabe in der EDV, was dazu führte, dass von dem zutreffenden Veräußerungsgewinn von 80.000 EUR ein angeblich steuerfreier Veräußerungsgewinn von 80.000 EUR abgezogen wurde, so dass sich ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn von Null ergab. Dieser Fehler fiel weder dem Veranlagungssachbearbeiter, noch dem aufgrund einer Anweisung hinzugezogenen Qualitätssicherer noch der Sachgebietsleiterin auf. Die Einkommensteuerveranlagung erfolgte entsprechend. Erst im Rahmen einer Betriebsprüfung bei der GmbH wurde der Fehler durch die Finanzverwaltung erkannt. Die Einkommensteuerveranlagung für 2011 wurde daraufhin nach § 129 AO geändert. Der Kläger wandte sich gegen die geänderten Steuerbescheide mit einem erfolglosen Einspruch. Anschließend erhob er Klage vor dem zuständigen Finanzgericht.
Entscheidung
Auch das FG Köln sah jedoch die Klage als unbegründet an, da das Finanzamt zutreffender Weise sich auf § 129 AO habe stützen könne. Nach dieser Regelung kann das Finanzamt Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Ähnliche offenbare Unrichtigkeiten lägen insbesondere dann vor, wenn es sich um Eingabe- oder Übertragungsfehler handele, die für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich erkennbar seien. Hierbei müsse es sich um mechanische Fehler handeln, Rechtsirrtümer würden nicht unter die Regelung fallen. Hier sei aus den Umständen erkennbar, dass die Sachbearbeiter im Finanzamt die Rechtlage zutreffend gewürdigt hätten, insbesondere dem Veranlagungssachbearbeiter dann aber ein mechanischer Fehler bei der Eingabe unterlaufen sei, der dazu geführt habe, dass der Veräußerungsgewinn fälschlicher Weise als steuerfrei in die Berechnung einbezogen worden sei. Dieser mechanische Fehler sei dann auch durch eine zweite Bearbeiterin und die Sachgebietsleiterin nicht bemerkt worden. Insofern habe das Finanzamt die Steuerveranlagung 2011 unter Berufung auf § 129 AO ändern dürfen. Auch die Tatsache, dass drei Bearbeiter im Finanzamt den Fehler übersehen haben, ändere nichts daran, dass der Fehler offenbar war.
Hinweis
Die Bestimmung des § 129 AO ist oftmals der letzte Pfeil im Köcher, wenn andere Änderungsnormen nicht einschlägig sind. Dies gilt sowohl für das Finanzamt, aber oft auch für die Steuerpflichtigen. Die Rechtsprechung zu der Regelung ist dabei als kaum einheitlich anzusehen, so dass es regelmäßig sehr schwer ist zu beurteilen, ob § 129 AO zum Erfolg führt oder nicht. Hierbei erscheint es nach den Feststellungen des Finanzgerichts auf der Hand zu liegen, dass dem Sachbearbeiter hier ein mechanischer Fehler unterlaufen ist, da er in der Akte kenntlich gemacht hat, dass der Veräußerungsgewinn zu versteuern war, er dies aber so nicht in die EDV eingab. Fraglich erscheint indes, was davon zu halten ist, diese fehlerhafte Eingabe weder dem Sachbearbeiter in der Veranlagung, noch dem Qualitätssicherer noch der Sachbearbeiterin aufgefallen ist. Alle drei verfügten über Fachkenntnis, übersahen aber den Fehler. Kann ein solcher Fehler deshalb noch offenbar sein? Das Finanzgericht hat diese Frage bejaht, aber gleichwohl die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen (Az beim BFH IX R 23/18). Es bleibt abzuwarten, wie dieser entscheiden wird.
Link zur Entscheidung
FG Köln, Urteil vom 14.06.2018, 15 K 271/16