Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Kommentar
Sind Steuerbeträge im Insolvenzverfahren zu berichtigen, muss unterschieden werden, ob es sich um eine Masseverbindlichkeit oder um eine Insolvenzforderung handelt.
Eine Masseverbindlichkeit wird vor der Befriedigung anderer Verbindlichkeiten in vollem Umfang aus der Vermögensmasse befriedigt, während die Insolvenzforderungen nur anteilig oder gar nicht im Rahmen des Insolvenzverfahrens befriedigt werden.
Im Zusammenhang mit der rechtlichen Einordnung von Steuerbeträgen aus Umsätzen, die nach der Bestellung des sog. starken Insolvenzverwalters erbracht worden sind, stellt die Finanzverwaltung klar, dass keine Berichtigung des Umsatzsteuerbetrags nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG in Betracht kommen kann. Diese Steuerbeträge gelten mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens als sonstige Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 2 Satz 1 InsO.
Umfangreich nimmt die Finanzverwaltung zu der Frage Stellung, wie eine Berichtigung insolvenzrechtlich einzuordnen ist, die durch einen sog. schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter veranlasst ist. Nach § 55 Abs. 4 InsO gelten Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners aus dem Steuerschuldverhältnis, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters begründet worden sind, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit.
Die Finanzverwaltung stellt in dem neuen Abschn. 17.1 Abs. 4 UStAE dar, dass ungeachtet der anderen Berichtigungspflichten im Insolvenzverfahren § 17 UStG weiterhin Anwendung findet, wenn der Steuerbetrag bereits vor der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters wegen Uneinbringlichkeit des Entgelts aus tatsächlichen Gründen berichtigt wurde und der vorläufige Insolvenzverwalter oder der Insolvenzschuldner mit Zustimmung des schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters das Entgelt im vorläufigen Insolvenzverfahren vereinnahmt. In diesem Fall führt die erneute Berichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG zu einer sonstigen Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 4 InsO.
Unternehmer U hat im Dezember 2012 eine Leistung gegenüber Kunde K für insgesamt 100.000 EUR zzgl. 19.000 EUR USt ausgeführt, die USt wurde ordnungsgemäß für Dezember 2012 angemeldet und fristgerecht abgeführt. Im Februar 2013 wurde über das Vermögen des K das Insolvenzverfahren eröffnet. Im April 2013 wird aufgrund eines zulässigen Insolvenzeröffnungsantrags über das Vermögen des U ein schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt. Im Mai 2013 vereinnahmt U mit Zustimmung seines Insolvenzverwalters noch 59.500 EUR.
U hatte die Umsatzsteuer aus der für Dezember 2013 angemeldeten Leistung mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des K im Februar 2013 in voller Höhe (Umsatzsteuer ./. 19.000 EUR) zu berichtigen (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 UStG).
Mit der Vereinnahmung eines Teilbetrags von 59.500 EUR muss eine erneute Berichtigung erfolgen (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG); aus dem vereinnahmten Teilbetrag ist die darin enthaltene USt mit 9.500 EUR herauszurechnen. Für den Monat der Vereinnahmung – Mai 2013 – muss die USt von 9.500 EUR angemeldet und abgeführt werden, es handelt sich um eine sonstige Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 4 InsO.
Konsequenzen für die Praxis
Die Grundsätze der Berichtigung sind in allen noch offenen Fällen anzuwenden.
Die Regelung des § 55 Abs. 4 InsO ist zum 1.1.2011 in Kraft getreten und findet nur auf den sog. schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter Anwendung. Die Grundsätze gelten aber sinngemäß auch für den vorläufigen Insolvenzverwalter, auf den die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nach § 22 Abs. 1 InsO übergegangen ist (sog. starker vorläufiger Insolvenzverwalter). In diesen Fällen gehören die Steuerbeträge, die sich aus einer Berichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG ergeben, zu den sonstigen Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 2 InsO.
Link zur Verwaltungsanweisung
BMF, Schreiben v. 12.4.2013, IV D 2 – S 7330/09/10001 :001, BStBl 2013 I S. 518