Leitsatz
1. Hat ein Steuerpflichtiger Beiträge an mehrere Versorgungseinrichtungen geleistet, bezieht er aber zunächst nur Renteneinnahmen aus einem einzigen Versorgungswerk, sind in die Prüfung der Voraussetzungen der Öffnungsklausel gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG alle von ihm geleisteten Beiträge an Versorgungseinrichtungen einzubeziehen, die zu Leibrenten und anderen Leistungen i.S. von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG führen können.
2. Die Nachweisobliegenheit und das Nachweisrisiko für das Vorliegen der Voraussetzungen einer steuerfreien Einlagenrückgewähr im Rahmen eines sog. Spin-off treffen den Anteilseigner (Bestätigung des BFH-Urteils vom 13. Juli 2016, VIII R 73/13, BFHE 254, 404).
3. § 16 Abs. 4 EStG ist nicht dahingehend auszulegen, dass wirtschaftlich zusammenhängende Veräußerungen als eine einzige Veräußerung angesehen werden können.
Normenkette
§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa und bb, § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3, § 16 Abs. 4 EStG, § 182 Abs. 1 AO
Sachverhalt
Der 1941 geborene Kläger bezog im Streitjahr 2005 eine Rente vom Rechtsanwaltsversorgungswerk. Er hatte Beiträge sowohl in die DRV als auch in das Rechtsanwaltsversorgungswerk sowie in das Versorgungswerk der Wirtschaftsprüfer geleistet. Das Rechtsanwaltsversorgungswerk bescheinigte dem Kläger, dass 46,6 % der Leistungen der Öffnungsklausel unterlägen, wobei es bei der Berechnung des Prozentsatzes nur die Beiträge in die DRV, nicht aber die in das Versorgungswerk der Wirtschaftsprüfer berücksichtigte. Das FA wandte die Öffnungsklausel hingegen nicht an, sondern legte der Besteuerung den Besteuerungsanteil von 50 % zugrunde. Das FG gab der Klage insoweit statt (FG München, Außensenate Augsburg, Urteil vom 25.6.2013, 15 K 3015/10, Haufe-Index 6754222, EFG 2014, 1089).
Der Kläger erhielt im Streitjahr zudem eine Gutschrift, die auf einer von der US-Firma D-Inc. als sog. Spin-off bezeichneten Abspaltung der T-Inc. beruhte. Dem Kläger wurden als Anteilseigner der D-Inc. Aktien der T-Inc. übertragen, ohne dass das Kapital herabgesetzt wurde. Der Kläger sah diese Aktien als nicht steuerbare Einlagenrückgewähr gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG an. Dem folgten weder das FA noch das FG, da dieses nicht nachgewiesen worden sei.
Außerdem erwarb der Kläger durch Zeichnungsschein des A-Spezial-Fonds eine Beteiligung als Kommanditist an vier Gesellschaften. Bei der gleichzeitigen Veräußerung der KG-Beteiligungen erzielte er im Streitjahr jeweils Veräußerungsgewinne. Das FA behandelte den höchsten Veräußerungsgewinn als den nach § 16 Abs. 4 EStG steuerfreien Veräußerungsgewinn. Der Kläger beantragte demgegenüber, den Freibetrag des § 16 Abs. 4 EStG auf die Summe der erzielten Veräußerungsgewinne anzuwenden. Dies lehnten sowohl das FA als auch das FG ab.
Entscheidung
Die Revision des Klägers war nur wegen der Berechnung der Öffnungsklausel begründet, da das FG verkannt hatte, dass die an das Versorgungswerk der Wirtschaftsprüfer gezahlten Beiträge ebenfalls hätten berücksichtigt werden müssen. Zur erforderlichen Sachverhaltsaufklärung wurde die Sache an das FG zurückverwiesen.
Hinweis
In diesem Urteil werden drei nicht zusammenhängende Problemkreise behandelt:
1. In Bezug auf die Besteuerung von Altersrenten der Basisversorgung ist zunächst die Öffnungsklausel zu berechnen, d.h. der Anteil der Rente muss ermittelt werden, der auf den Beiträgen beruht, welche oberhalb des Höchstbeitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt wurden. Dieser Anteil wird mit dem Ertragsanteil gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 4 EStG besteuert. Der verbleibende Teil der Rente, der nicht auf diesen Beiträgen beruht, geht mit dem Besteuerungsanteil des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 EStG in die Besteuerung ein. Diese Berechnungsmethode ergibt sich eindeutig aus dem Gesetzeswortlaut und dem Verhältnis zwischen § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG und § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG und steht zudem mit dem Telos der Öffnungsklausel im Einklang.
Hat ein Steuerpflichtiger Beiträge in mehr als ein Altersvorsorgesystem eingezahlt, sind zur Beantwortung der Frage, ob der jährliche Höchstbeitrag überschritten wurde, die jährlichen Beiträge zusammenzurechnen. Weil sich die anteilige Besteuerung nach den Regeln der Öffnungsklausel auf die einzelne Rente bezieht, müsste im Anschluss der auf diesen Beiträgen oberhalb des Höchstbeitrags beruhende Teil der Leistung im Regelfall für jeden einzelnen Rentenanspruch getrennt ermittelt werden; denn es muss darüber entschieden werden, welcher in Betracht kommenden Rentenversicherung oder berufsständischen Versorgungseinrichtung die Beiträge bis zum Betrag des jeweiligen Höchstbeitrags zuzuordnen sind. Diese Aufteilung ist aber entbehrlich, wenn nur Renteneinnahmen aus einem einzigen Versorgungswerk bezogen werden.
2. In Bezug auf die steuerliche Behandlung eines sog. Spin-off einer US-Kapitalgesellschaft hat sich der X. S...