Leitsatz
Die zukünftige ertragsteuerrechtliche Belastung aufgrund einer im Bewertungszeitpunkt lediglich beabsichtigten, aber noch nicht beschlossenen Liquidation der Kapitalgesellschaft ist bei der Ermittlung des Substanzwerts als Mindestwert nicht wertmindernd zu berücksichtigen.
Normenkette
§ 13b Abs. 2 Sätze 2 und 3 ErbStG 2012, § 11 Abs. 2, § 95 Abs. 1, § 103 Abs. 1 BewG 2012
Sachverhalt
Unternehmensgegenstand der Klägerin, einer GmbH, war unter anderem die Verwaltung von Wohnungen. Die Klägerin verfügte schon lange nicht mehr über einen operativen Geschäftsbetrieb. Ihr Anlagevermögen bestand allein aus einem von der späteren Erblasserin selbst bewohnten Hausgrundstück.
Im Jahr 2012 verstarb die Erblasserin, die alleinige Anteilsinhaberin der Klägerin, und wurde vom Kläger beerbt. Das FA erließ 2013 für Zwecke der Erbschaftsteuer einen Feststellungsbescheid über den Wert der Anteile an der Klägerin, der mit dem Einspruch angefochten wurde. Der Kläger fasste im Jahr 2014 den förmlichen Beschluss, die Klägerin zu liquidieren.
Im darauffolgenden Klageverfahren gegen den Wertfeststellungsbescheid beantragte der Kläger unter anderem den Abzug der bei der Liquidation anfallenden Körperschaftsteuer. Die latente Ertragsteuerbelastung müsse beim Erwerb wertmindernd berücksichtigt werden. Die Vorinstanz (FG Hamburg, Urteil vom 20.1.2015, 3 K 180/14, Haufe-Index 7708567, EFG 2015, 1000) folgte dem nicht und wies die Klage ab.
Entscheidung
Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen und ausgeführt, das FG sei zutreffend davon ausgegangen, dass die zukünftig anfallenden Steuern bei der gesonderten Feststellung des Werts der Anteile an der Klägerin nicht zu berücksichtigen sind. Es gelten insoweit ertragsteuerliche Prinzipien. Dem Ausweis als Verbindlichkeit steht entgegen, dass die Steuern im fraglichen Zeitpunkt noch nicht entstanden sind. Rückstellungen können nicht gebildet werden, weil das Entstehen der Schuld im fraglichen Zeitpunkt nicht überwiegend wahrscheinlich ist. Denn bei einer im Bewertungszeitpunkt lediglich beabsichtigten Liquidation ist nicht erkennbar, ob, wann und in welcher Höhe es zu einer tatsächlichen Steuerbelastung kommen wird.
Nach der Rechtsprechung des BGH sind für Zwecke des Zugewinnausgleichs zukünftige Ertragsteuern aus der Veräußerung einer freiberuflichen Praxis bei der Bewertung von Vermögensgegenständen zu berücksichtigen, und zwar unabhängig davon, ob die Veräußerung tatsächlich beabsichtigt ist. Diese Rechtsprechung steht dem gefundenen Ergebnis nicht entgegen, da die Bewertung von Anteilen an Kapitalgesellschaften nach dem Bewertungsgesetz anderen Maßstäben folgt als bei der Berechnung des Zugewinnausgleichs.
Im Übrigen gibt es keinen Verfassungsgrundsatz des Inhalts, dass alle Steuern zur Vermeidung von mehrfach Belastungen aufeinander abgestimmt werden müssten.
Hinweis
Der BFH hatte sich einmal mehr mit der Berücksichtigung von Ertragsteuern bei der Erbschaftsteuer zu befassen. Werden Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens von Todes wegen erworben, stellt sich für den Erwerber naturgemäß die Frage, ob die angesichts der Existenz stiller Reserven bestehende latente Ertragsteuerbelastung bei der Bewertung des erbschaftsteuerlichen Erwerbs abzugsfähig ist.
Dies ist kein Fall des § 35b EStG, der etwa für geerbte, bei Zufluss der Einkommensteuer unterliegende Forderungen die Doppelbelastung durch eine Anrechnungsregelung zur Milderung besonderer Härten berücksichtigt.
Der BFH hat die Frage nach der Abzugsfähigkeit latenter Ertragsteuerbelastung im Streitfall verneint. Der Senat weist darauf hin, dass die Bestimmung des Betriebsvermögens und damit verbundener Belastungen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer grundsätzlich nach ertragsteuerlichen Grundsätzen erfolgt. Dies gilt insbesondere auch bei der Bewertung von GmbH-Anteilen im Verfahren zur Ermittlung des Substanzwerts der Gesellschaft als Mindestwert, § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG. Danach darf die Summe der gemeinen Werte der zum Betriebsvermögen gehörenden aktiven Ansätze abzüglich der Schulden und sonstigen Abzüge der Gesellschaft nicht unterschritten werden. Somit könnte die Steuerbelastung als Verbindlichkeit bzw. Rückstellung berücksichtigt werden. Im Streitfall waren die Voraussetzungen einer Verbindlichkeit bzw. Rückstellung nicht erfüllt, da jedenfalls die eine Ertragsteuer auslösende Liquidation am Stichtag lediglich beabsichtigt war.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 27.9.2017 – II R 15/15