Leitsatz
Nach dem Wegfall der Prüfung der eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes zum 1.1.2012 ist Kindergeld nunmehr bei Vorliegen eines Berücksichtigungstatbestandes - unabhängig von der Höhe der Einkünfte und Bezüge des Kindes - zu gewähren. Die Berücksichtigung verheirateter Kinder ist nicht (mehr) von einer "typische Unterhaltssituation" abhängig. Einkünfte des Ehegatten des Kindes stehen der Berücksichtigung des Kindes daher nicht entgegen.
Sachverhalt
Die Großmutter (Klägerin) erhielt auf ihren Antrag Kindergeld für ihre Enkelin. Nach dem die Klägerin der Familienkasse (FK) mitgeteilt hatte, dass ihr Enkelkind seit 8.8.2011 verheiratet sei stellte die FK die Zahlung von Kindergeld ein und hob die Kindergeldfestsetzung ab Januar 2012 auf. Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin vor, sie habe Anspruch auf Kindergeld für ihr Enkelkind, da dieses sich in Ausbildung befinde und das 25. Lebensjahr noch nicht überschritten habe. Weitere Voraussetzungen enthalte das Gesetz nicht. Eine Einkommens- und Vermögensprüfung finde seit dem 1.1.2012 nicht mehr statt. Der Gesetzgeber habe trotz des Wissens, dass Rechtsprechung und Verwaltung § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG einschränkend dahingehend ausgelegt haben, dass die Vorschrift eine typische Unterhaltssituation der Eltern erfordere, eine uneingeschränkte Abschaffung der Einkommensprüfung gewollt.
Entscheidung
Die zulässige Klage ist begründet. Nach der seit 2012 geltenden Regelung kommt es für die Festsetzung von Kindergeld auf die Höhe der Einkünfte und Bezüge des Kindes nicht mehr an. Kindergeld ist nunmehr bei Vorliegen eines Berücksichtigungstatbestandes unabhängig von der Höhe der Einkünfte und Bezüge des Kindes zu gewähren. Die Einkünfte des Ehemannes des Enkelkindes sind für den Kindergeldanspruch der Klägerin ebenfalls nicht von Bedeutung. Ob ein sog. "Mangelfall" vorliegt, ist unerheblich, weil der Umstand, dass die Tochter verheiratet ist, dem Kindergeldanspruch nicht entgegensteht. Für verheiratete Kinder sieht das Gesetz keinerlei Einschränkungen vor. Der Kindergeldanspruch setzt entgegen der früheren Rechtsprechung des BFH keine "typische Unterhaltssituation" voraus.
Hinweis
Die vom FG zugelassene Revision wurde von der FK eingelegt und wird beim BFH unter dem Az. III R 33/13 geführt. Da die FK an die Anweisungen in der DAFamEStG gebunden sind, werden sie in vergleichbaren Fällen die Gewährung des Kindergeldes ablehnen. Betroffene sollten daher bei gleich gelagerten Sachverhalten gegen die Ablehnungsbescheide Einspruch einlegen und unter Hinweis auf das vorstehend genannte Revisionsverfahren das Ruhen des Verfahrens nach § 363 Abs. 2 AO beantragen. Inzwischen haben zahlreiche FG zu Gunsten der Kindergeldberechtigten entschieden. Beispielhaft wird auf folgende Entscheidungen verwiesen, bei denen in allen Fällen die Revisionen anhängig sind (FG Schleswig-Holstein, Urteil v. 25.7.2013, 1 K 16/13, Az beim BFH VI R 60/13; Niedersächsisches FG, Urteil v. 22.8.2013, 6 K 187/13, Az beim BFH XI R 39/13). Der III., VI. und auch der XI. Senat des BFH haben nun in den vorstehenden Verfahren die Frage zu prüfen, ob nach dem Wegfall der Prüfung eigener Einkünfte und Bezüge ab dem 1.1.2012 das seitens des BFH aufgestellte Erfordernis einer typischen Unterhaltssituation für den Anspruch auf Kindergeld für verheiratete volljährige Kinder entfallen ist.
Link zur Entscheidung
FG München, Urteil vom 20.02.2013, 9 K 3405/12