Gleichlautende Ländererlasse vom 4.1.2023, BStBl I 2023, 172

Konsequenzen aus dem BFH-Urteil vom 15. Juli 2021 – II R 26/19

1

Wenn ein Erwerb von Todes wegen oder eine freigebige Zuwendung mit einer aufschiebend bedingten Last belastet ist, dann wird diese Last bis zum Eintritt der Bedingung nicht bei der Besteuerung berücksichtigt (§ 6 Absatz 1 des BewertungsgesetzesBewG). Tritt die Bedingung ein, so ist die Festsetzung der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer auf Antrag nach dem tatsächlichen Wert der Last zu berichtigen (§ 6 Absatz 2 i. V. m. § 5 Absatz 2 BewG). In dem Sachverhalt, der dem Urteil des BFH vom 15. Juli 2021 (II R 26/19, BStBl 2023 II S. 66.) zugrunde liegt, wurde Vermögen übertragen, welches mit einer aufschiebend bedingten Rentenverbindlichkeit belastet war. Streitig war, mit welchem Wert die Rentenlast nach dem Eintritt der Bedingung bei der Besteuerung des Beschenkten bereicherungsmindernd zu berücksichtigen war.

2

Der BFH hat in dem Urteil entschieden, dass die Rentenlast auf den Zeitpunkt des Bedingungseintritts zu bewerten ist. Bei der Ermittlung des Kapitalwerts der Rentenlast ist der bei Bedingungseintritt geltende Vervielfältiger zugrunde zu legen. Eine Abzinsung der aufschiebend bedingten Last auf den Zeitpunkt der Steuerentstehung für den Erwerb des belasteten Beschenkten lehnte der BFH ab.

Nach Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt bei der Anwendung des Urteils Folgendes:

 

1. Maßgebender Zeitpunkt für die Bewertung einer zuvor aufschiebend bedingten Last

3

Grundsätzlich kommen für die Bewertung einer zuvor aufschiebend bedingten Last zwei Zeitpunkte in Betracht:

  • der Zeitpunkt der Steuerentstehung und
  • der Zeitpunkt des Eintritts der aufschiebenden Bedingung.

Wenn es sich bei der Last um ein Recht handelt (wie z. B. in dem vom BFH entschiedenen Sachverhalt um ein Rentenrecht), das erst durch den Eintritt einer Bedingung entsteht, dann ist dieses Recht mit seinem Wert im Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung zu berücksichtigen. Bei Nutzungsrechten, deren Dauer vom Leben einer oder mehrerer Personen abhängt, ist bei der Ermittlung des Kapitalwerts der sich auf den Zeitpunkt des Eintritts der aufschiebenden Bedingung ergebende Vervielfältiger zugrunde zu legen.

4

Handelt es sich bei dem Vermögensgegenstand, auf den sich die Last bezieht, um einen Vermögensgegenstand, der nicht Teil des belasteten Erwerbs war, sondern dem Erwerber bereits zum Zeitpunkt der Steuerentstehung gehörte, so ist der Wert dieses Vermögensgegenstandes ebenfalls auf den Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung zu ermitteln. Das Gleiche gilt in Fällen, in denen der Erwerber den Vermögensgegenstand, auf den sich die Last bezieht, erst nach dem Zeitpunkt der Steuerentstehung erwirbt.

5

Handelt es sich bei dem Vermögensgegenstand, auf den sich die Last bezieht, hingegen um einen Vermögensgegenstand, der Teil des belasteten Erwerbs war, so erfolgt die Bewertung dieses Vermögensgegenstandes auf den Zeitpunkt der Steuerentstehung für dessen Erwerb (vgl. BFH vom 6.10.1976 II R 107/71, BStBl 1977 II S. 211). Die Korrespondenz zum Wertansatz des Vermögensgegenstands in demselben Erwerb ist insoweit vorrangig gegenüber der Korrespondenz der Last mit dem Wertansatz für den Erwerb des Begünstigten auf einen anderen Stichtag.

Beispiel 1:

A schenkt B am 23.12.2010 ihren Kommanditanteil an einer GmbH & Co. KG, behält sich aber ein lebenslanges Nießbrauchsrecht an dem Kommanditanteil vor. B ist verpflichtet, nach dem Tod der A zu Lasten des Kommanditanteils einen monatlichen, wertgesicherten Betrag in Höhe von 4.000 EUR an den C (geboren am 10.12.1948) bis zu dessen Tod zu zahlen. Nach dem Tod der A am 22.1.2022 beantragt B die Korrektur der Schenkungsteuerfestsetzung. Die nunmehr unbedingt gewordene Rentenlast ist von dem Erwerb der B abzuziehen.

Da es sich bei der Last um ein Recht handelt, das erst durch den Eintritt der Bedingung entsteht, erfolgt die Bewertung der Rentenlast auf den Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung (vgl. Rz. 3). Der Wert der Rentenlast wird wie folgt ermittelt:

Zeitpunkt des Bedingungseintritts (Tod der A) 22.1.2022
Lebenslänglich laufende monatliche Rente an C 4.000 EUR
Geschlecht des Rentenempfängers C männlich
Geburtsdatum des Rentenempfängers C 10.12.1948
Berechnung:  
Alter des Rentenempfängers C am 22.1.2022 73 Jahre
Vervielfältiger 9,059
Jahreswert der Rente (12 × 4.000 EUR) 48.000 EUR
Gegenwartswert der Rente im Jahr 2022 (9,059 × 48.000 EUR) 434.832 EUR
   

Bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs der B ist – vorbehaltlich einer Abzinsung (vgl. Rz. 10) – ein Wert der Last in Höhe von 434.832 EUR zu berücksichtigen.

Beispiel 2:

A schenkt B am 1.7.01 Geschäftsanteile i.H.v. 100 % an der Z-GmbH mit der Auflage, bei Eintritt einer aufschiebenden Bedingung die Hälfte der Geschäftsanteile an C herauszugeben, wobei zwischenzeitlich gezogene Nutzungen bei B verbleiben sollen. Der Wert der Z-GmbH beträgt am 1.7.01 2.000.000 EUR. Die aufschiebende Bedingung tritt am 30.6.05 ein, woraufhi...

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