Leitsatz
Eine Steuerberatungsgesellschaft kann auch dann anerkannt werden, wenn die erforderliche berufliche Niederlassung ihres Geschäftsführers am Ort der Gesellschaft oder in dessen Nahbereich im Zeitpunkt der Entscheidung über den Anerkennungsantrag noch nicht unterhalten wird, sofern es nicht erkennbar an der ernstlichen Absicht fehlt, eine solche Niederlassung alsbald zu begründen und zu unterhalten.
Die Anerkennung der Gesellschaft darf unter die aufschiebende Bedingung gestellt werden, dass sie ihre werbende Tätigkeit erst entfalten darf, wenn der Geschäftsführer eine solche Niederlassung tatsächlich begründet hat.
Normenkette
§ 49 Abs. 1, § 50 Abs. 1 Satz 2 StBerG, § 120 Abs. 1 AO, § 101 Satz 1 FGO
Sachverhalt
Eine Steuerberatungsgesellschaft möchte anerkannt werden. Die Steuerberaterkammer verweigert die Anerkennung, weil der Geschäftsführer der Gesellschaft eine berufliche Niederlassung am Sitz der Gesellschaft oder im Nahbereich derselben haben müsse, der dafür vorgesehene Steuerberater aber an einem 200 km entfernten Ort wohne und berufstätig sei.
Die Klage blieb vor dem FG erfolglos.
Entscheidung
Der BFH hat das Urteil des FG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 14.9.2011, 12 K 12052/10, Haufe-Index 2863027, EFG 2012, 879) aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Der BFH konnte dem FG-Urteil nicht entnehmen, ob dieses den Praxis-Hinweis 1 beachtet hat. Das FG muss im zweiten Rechtsgang überdies prüfen, ob eine hinreichende Gewähr dafür besteht, dass bei Anerkennung der Gesellschaft unverzüglich alles unternommen wird, was zur Begründung einer beruflichen Niederlassung i.S.d. § 50 Abs. 1 Satz 2 StBerG gehört.
Hinweis
1. Über eine Klage auf Verpflichtung zur Anerkennung einer Steuerberatungsgesellschaft muss das FG auf der Grundlage der im Zeitpunkt seiner Entscheidung gegebenen Sachlage entscheiden. Es kommt also nicht darauf an, ob die Entscheidung der Behörde, den begehrten Verwaltungsakt nicht zu erlassen, seinerzeit rechtmäßig oder rechtswidrig war, sondern ob es im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts rechtswidrig ist, dem Kläger den begehrten Verwaltungsakt vorzuenthalten. Etwas anderes gilt nur dann, wenn ein Gesetz für eine Entscheidung auf einen bestimmten – vor der Entscheidung des Gerichts liegenden – Zeitpunkt abstellt, was bei einer solchen Anerkennungsentscheidung nicht der Fall ist.
2. Voraussetzung für die Anerkennung einer Steuerberatungsgesellschaft ist nach § 50 Abs. 1 Satz 1 StBerG u.a., dass die Geschäftsführer Steuerberater sind und mindestens ein Steuerberater, der Geschäftsführer ist, seine berufliche Niederlassung am Sitz der Gesellschaft oder in dessen Nahbereich hat, wie § 50 Abs. 1 Satz 2 StBerG dem hinzufügt. Diese Niederlassung muss vor Aufnahme einer werbenden Tätigkeit der Gesellschaft begründet werden, aber nicht zwingend im Zeitpunkt der Anerkennungsentscheidung schon eingerichtet sein. Die Anerkennung der Gesellschaft kann erfolgen, ohne dass eine solche Niederlassung bereits im Zeitpunkt der Entscheidung über den Anerkennungsantrag unterhalten wird, sofern es nicht erkennbar an der ernstlichen Absicht fehlt, eine solche Niederlassung alsbald zu begründen und zu unterhalten, mithin eine prognostische Einschätzung ergibt, dass die Anerkennung keinen Bestand haben könnte. Ggf. kann die Anerkennungsentscheidung unter eine entsprechende (aufschiebende) Bedingung gestellt werden.
3. Der Annahme, ein Steuerberater habe seine berufliche Niederlassung an einem bestimmten Ort, steht es im Allgemeinen nicht entgegen, dass er auch anderswo eine Wohnung besitzt.
4. Als ein wichtiges Indiz für die mangelnde Absicht, eine berufliche Niederlassung zu schaffen, ist anzusehen, wenn der künftige Geschäftsführer dafür erforderliche Maßnahmen nicht oder nur in letzter Minute ergreift, obwohl er keinerlei ernsthaften Anlass hat, daran zu zweifeln, dass bei Begründung der erforderlichen Niederlassung die Anerkennung der Gesellschaft von der Kammer sofort ausgesprochen würde.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 6.8.2013 – VII R 15/12