5.1 Rechtsgeschäftliche Probleme
5.1.1 Kündigung durch den Auszubildenden
Da die Kündigung als einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung das Ausbildungsverhältnis unmittelbar beenden soll, bietet sie schon durch den damit verbundenen Verlust des Ausbildungsplatzes und des Vergütungsanspruchs nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil i. S. v. § 107 BGB. Daher bedarf es hierfür der Einwilligung, also der vorherigen Zustimmung der gesetzlichen Vertreter.
Erhält der Ausbildende die lediglich vom minderjährigen Auszubildenden selbst unterzeichnete Kündigung, sollte der Ausbildende die gesetzlichen Vertreter nach § 108 Abs. 2 BGB hinzuziehen, um möglichst schnell Klarheit über die Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses zu erlangen. Die Vorschrift lautet:
"Fordert der andere Teil [hier: Der Ausbildende] den Vertreter zur Erklärung über die Genehmigung auf, so kann die Erklärung nur ihm gegenüber erfolgen; eine vor der Aufforderung dem Minderjährigen gegenüber erklärte Genehmigung oder Verweigerung der Genehmigung wird unwirksam. Die Genehmigung kann nur bis zum Ablauf von zwei Wochen nach dem Empfang der Aufforderung erklärt werden; wird sie nicht erklärt, so gilt sie als verweigert."
Geht dem Ausbildenden auf seine Aufforderung hin keine Antwort oder eine Verweigerung der Genehmigung zu, so besteht das Ausbildungsverhältnis zwar fort. Der Ausbildende sollte nun seinerseits den Auszubildenden auffordern, wieder zur Ausbildung zu erscheinen. Geschieht dies trotz entsprechender Abmahnung nicht, wird sich nun umgekehrt die Frage stellen, ob der Ausbildende fristlos kündigt.
5.1.2 Kündigung durch den Ausbildenden
Jugendliche Auszubildende sind nach § 106 BGB beschränkt geschäftsfähig. Eine Willenserklärung, also auch eine Kündigung, kann nicht wirksam werden, bevor sie dem gesetzlichen Vertreter zugeht. Hierauf ist besonders zu achten, wenn die Kündigung zu einem bestimmten Zeitpunkt zugehen muss, etwa weil die Probezeit gemäß § 20 BBiG abzulaufen droht oder die Kündigungserklärungsfrist nach § 22 Abs. 3 Satz 1 BBiG eingehalten werden muss.
Probleme bei der Zustellung von Kündigungen stellen sich immer wieder. An dieser Stelle sollen nur 2 Beispielfälle behandelt werden, die strukturell mit der Beteiligung Minderjähriger zu tun haben.
Fall 1
Das Ausbildungsverhältnis hat am 1.8. begonnen, die Probezeit läuft bis zum 31.10. Am 29.10. gibt der Ausbildende dem Auszubildenden das Kündigungsschreiben, lässt es ihn lesen und bittet ihn, es an die gesetzlichen Vertreter weiterzuleiten und eine Zweitschrift quittiert zurückzuschicken. Der Auszubildende gibt das Schreiben gar nicht oder erst am 1.11. weiter.
In diesem Fall ist die Kündigung nicht bzw. nicht rechtzeitig zugegangen. Dass der Auszubildende das Kündigungsschreiben gelesen hat, ist unerheblich.
Der Auszubildende war auch nicht als Vertreter seiner Eltern tätig, sondern als Bote des Ausbildenden. Verzögerungen bei der Überbringung gehen aber zulasten desjenigen, der den Boten beauftragt hat. Dies war hier der Ausbildende.
Fall 2
Im obigen Beispiel trifft der vom Ausbildenden beauftragte Bote bei der Familie des Auszubildenden niemanden an und hinterlässt die Kündigung am Morgen des 29.10. im Briefkasten des Auszubildenden und seiner gesetzlichen Vertreter. Als der Auszubildende von der Berufsschule nach Hause kommt, ahnt er, dass es sich um eine Kündigung handelt und lässt den Brief verschwinden.
Hier ist die Kündigung den gesetzlichen Vertretern des Auszubildenden zugegangen. Eine schriftliche Willenserklärung ist zugegangen, sobald sie in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers bzw. eines empfangsberechtigten Dritten gelangt ist und für den Empfänger unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit besteht, von dem Inhalt des Schreibens Kenntnis zu nehmen. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Nachdem das Schreiben in den Briefkasten gelangt war, war noch am gleichen Tag mit einer Kenntnisnahme zu rechnen, zumal es sich nicht um ein Wochenende oder einen Feiertag handelte, schließlich war der Auszubildende an diesem Tag auch in der Berufsschule.
5.2 Kündigungsschutzrecht
§ 22 BBiG (Kündigung) differenziert nicht danach, ob der Auszubildende volljährig ist oder nicht. Allerdings wird es – wie beim Direktionsrecht – häufig darauf ankommen, welcher individuelle Vorwurf gerade dem Auszubildenden gemacht werden kann. In diese Frage ist regelmäßig das Entwicklungsstadium des Auszubildenden sowie der "Erziehungszweck" einzubeziehen. Die gleiche Tat kann daher bei einem Arbeitnehmer oder einem volljährigen Auszubildenden dazu führen, dass eine fristlose Kündigung berechtigt ausgesprochen werden kann, während sie bei einem minderjährigen Auszubildenden möglicherweise unverhältnismäßig ist.