Leitsatz
1. Wird ein unter dem VdN ergangener Steuerbescheid mit dem Einspruch angefochten und hebt das FA den VdN während des Einspruchsverfahrens auf, so wird der Bescheid, mit dem der VdN aufgehoben wird, Gegenstand des Einspruchsverfahrens.
2. Überträgt ein Mitunternehmer seinen Gesellschaftsanteil ohne Entgelt auf einen fremden Dritten, so erleidet er in Höhe des Buchwerts einen Veräußerungsverlust, sofern die Übertragung keine freigebige Zuwendung darstellt.
Normenkette
§ 164 Abs. 3 AO , § 179 Abs. 3 AO , § 365 Abs. 3 AO , § 6 Abs. 3 EStG , § 16 EStG
Sachverhalt
Der Kläger hatte sich als Treugeber-Kommanditist an einer GmbH & Co. KG beteiligt. Für ihn und eine weitere Kommanditistin hielt treuhänderisch Rechtsanwalt W den Kommanditanteil. Zwischen dem Kläger und W kam es zu Streitigkeiten, die schließlich dadurch beendet wurden, dass der Kläger seinen Anteil auf W übertrug. Ein Entgelt hatte W nicht zu entrichten, obwohl das Kapitalkonto des Klägers (noch) positiv war. Nicht einmal zwei Jahre später wurde die Eröffnung des Konkurses über die KG mangels Masse abgelehnt.
Das FA ging von einer Schenkung aus, während der Kläger die Feststellung eines Veräußerungsverlusts verlangte. Gegen den unter dem VdN stehenden Gewinnfeststellungsbescheid legte der Kläger deshalb Einspruch ein. Während des Einspruchsverfahrens hob das FA den Vorbehalt auf. In der Einspruchsentscheidung übersah es aber den Bescheid über die Aufhebung des Vorbehalts und wies den Einspruch gegen den ursprünglichen Bescheid zurück.
Im anschließenden Klageverfahren erließ das FA auf Wunsch des FG einen zusätzlichen Bescheid, in dem eine Gewinnverteilung unter Berücksichtigung der Treuhandverhältnisse stattfand. Anschließend wies das FG die Klage als unzulässig ab, soweit sich der Kläger gegen die Feststellung des Gewinns der KG wandte. Soweit die Verteilung zwischen dem Kläger und W streitig sei, sei die Klage unbegründet.
Entscheidung
Der BFH gab der Revision des Klägers statt und hob das FG-Urteil sowie die Einspruchsentscheidung auf. Das FA habe über den ursprünglichen Feststellungsbescheid entschieden, der aber durch den Bescheid über die Aufhebung des Vorbehalts ersetzt worden sei. Bei seiner neuerlichen Einspruchsentscheidung habe es zu berücksichtigen, dass dem Kläger ein Veräußerungsverlust entstanden sei.
Hinweis
Dem Urteil liegt ein sowohl in Bezug auf den Sachverhalt als auch in Bezug auf den Verfahrensablauf verwirrender Fall zugrunde. Die beiden Leitsätze des BFH kennzeichnen die hauptsächlich streitigen Fragen.
1. Verfahrensrechtlich ging es um die Frage, welche Bedeutung die Aufhebung des VdN während des Einspruchsverfahrens hat. Nach § 365 Abs. 3 AO werden bekanntlich Änderungsbescheide, die während des Einspruchsverfahrens ergehen, ohne weiteres zum Gegenstand des Einspruchsverfahrens; sie ersetzen den vorangegangenen Bescheid. Dies gilt jetzt übrigens auch im Klageverfahren, denn § 68 FGO ordnet seit 2001 ebenfalls eine automatische Ersetzung des bisherigen Bescheids durch den Änderungsbescheid an.
Ein solcher Änderungsbescheid ist auch der Bescheid über die Aufhebung des VdN. Denn ein solcher Bescheid steht einer Steuerfestsetzung nach § 164 Abs. 3 Satz 2 AO gleich, auch wenn er sich auf den Satz beschränkt "Der Vorbehalt der Nachprüfung wird aufgehoben". Während des Einspruchsverfahrens wird ein solcher Bescheid aber nur sehr selten ergehen. Auch bei einem langwierigen Einspruchs- und ggf. anschließenden Klageverfahren bleibt der Vorbehalt wegen der Ablaufhemmung für die Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 3a AO noch bestehen (§ 164 Abs. 4 AO). Anschließend entfällt er ohne Zutun des FA.
2. In der Sache bestand Streit darüber, ob ein Kommanditist durch die Übertragung seines Anteils einen Veräußerungsverlust erzielt, wenn sein Kapitalkonto positiv ist und der Erwerber kein Entgelt zu zahlen hat. Zu einer solchen Übertragung kommt es in der Regel nur dann, wenn dem Erwerber etwas zugewendet werden soll, etwa bei Übertragungen von Eltern auf Kinder. Dann liegt eine unentgeltliche Übertragung vor, die nach § 6 Abs. 3 EStG (früher § 7 Abs. 1 EStDV) zum Buchwert abzuwickeln ist. Für die Beteiligten ergeben sich daraus keine Gewinnauswirkungen.
Der Besprechungsfall zeigt aber, dass es auch andere Gründe für die Übertragung eines positiven Kapitalkontos ohne Entgelt geben kann. Hier war der Übertragende der Auffassung, sein Anteil sei in Wahrheit gar nichts wert; im Gegenteil hatte er die Befürchtung, für Gesellschaftsschulden einstehen zu müssen. Deshalb wollte er sich "um jeden Preis", also auch für 0 DM von seinem Anteil trennen. Wenn den Anteil dann derjenige übernimmt, mit dem gravierende Streitigkeiten bestehen, kann eine Zuwendung ausgeschlossen werden.
Der Übertragende erzielt dann einen Verlust, der Empfänger aber nach der Rechtsprechung des BFH keinen Gewinn, obwohl er ein positives Kapitalkonto erwirbt, ohne dafür etwas zu zahlen. Stattdessen verlangt der BFH die Aufstellung einer negativen Ergänzungsbilanz, in der der Erwerber die ...