Eine nachträgliche Bescheidänderung ist nicht mehr möglich, wenn der Steuerpflichtige bis zu seinem Wegzug nach Großbritannien Kapitaleinkünfte erklärt hat, die für sich genommen wesentliche wirtschaftliche Interessen i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 AStG repräsentierten, dieser Umstand das FA aber zunächst nicht dazu veranlasste, nach dem Wegzug eine erweiterte beschränkte Steuerpflicht infolge der Remittance-Base Besteuerung anzunehmen (BFH v. 26.6.2013 – I R 4/12, BFH/NV 2013, 1925). Entsprechendes gilt, wenn der Steuerpflichtige in seiner Einkommensteuererklärung Werbungskosten für eine Outplacementberatung geltend macht, die von einer ausländischen Ltd. erbracht und teilweise bar im Ausland bezahlt wurden. Hier verletzt das FA seine Ermittlungspflicht, wenn es der Erklärung ohne weitere Ermittlungen folgt und den Steuerpflichtigen endgültig veranlagt (FG Köln v. 23.10.2013 – 4 K 1589/10, EFG 2014, 411).
Betragen die erklärten Betriebsausgaben genau 50 % der Betriebseinnahmen, sind Zweifel an der Höhe der Betriebsausgaben naheliegend und weitere Ermittlungen grundsätzlich geboten (FG BW v. 19.7.2013 – 9 K 2541/11, EFG 2014, 702).
Dagegen kommt § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zur Anwendung, wenn dem FA die Existenz einer ausländischen Betriebsstätte und ausländischer Einkünfte bekannt war, sich im Nachhinein jedoch erst die genaue Höhe der dort erzielten Einnahmen und getätigten Ausgaben ergibt, wenn der Steuerpflichtige es unterlassen hat, die ausländischen Einkünfte in der Anlage AUS zu erklären (BFH v. 21.2.2017 – VIII R 46/13, BStBl. II 2017, 745 = AO-StB 2017, 200).
Wird eine gebildete Ansparrücklage nicht im zweiten auf die Bildung folgenden Jahr aufgelöst (§ 7g EStG a.F.), ist das FA zur nachträglichen Bescheidänderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO berechtigt, weil es die Bildung und damit auch die Auflösung der Ansparrücklage hätte überwachen müssen. In diesem Fall ist die Pflichtverletzung des Steuerpflichtigen höher zu werten als die Verletzung der Ermittlungspflicht des FA (FG Nürnberg v. 30.7.2015 – 4 K 638/14, EFG 2015, 1897; eingelegte Revision unzulässig, BFH v. 21.3.2017 – III R 22/15 n.v.).
Sieht das FA im Veranlagungsverfahren trotz eines ungewöhnlichen Lebenssachverhalts davon ab, weitere Nachfragen oder eigene Ermittlungshandlungen anzustellen, rechtfertigen im Rahmen einer nachfolgenden Betriebsprüfung u.a. durch Einschaltung des Bausachverständigen der FinVerw. erlangte Erkenntnisse keine auf § 173 AO gestützte nachträgliche Änderung bereits bestandskräftiger Bescheide (FG Köln v. 23.2.2023 – 15 K 1409/22, EFG 2023, 1124).
Bei Vorliegen einer Steuerhinterziehung kann der Änderung des Steuerbescheids zu Lasten des Steuerpflichtigen trotz Ermittlungsfehlern des FA der Grundsatz von Treu und Glauben nicht entgegenstehen. Dies gilt auch im Anschluss an eine Außenprüfung (FG Berlin-Bdb. v. 26.11.2015 – 13 K 13223/13, EFG 2016, 348; eingelegte Revision als unbegründet zurückgewiesen durch BFH v. 18.5.2016 – IX B 8/16 n.v.).