Leitsatz
Die Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage gem. § 10 Abs. 5 UStG setzt voraus, dass die Gefahr von Steuerhinterziehungen oder -umgehungen besteht. Hieran fehlt es, wenn der Unternehmer von einer nahestehenden Person zwar ein niedrigeres als das marktübliche Entgelt verlangt, seine Leistung aber in Höhe des marktüblichen Entgelts versteuert.
Normenkette
§ 10 UStG 1993, Art. 6 Abs. 2 der 6. EG-RL
Sachverhalt
Ein Verein unterhielt ein Erholungsheim und eine "Bierstube" in einem Schulungsheim mit Verkauf von Getränken und sonstige Kantinenwaren an Seminarteilnehmer zu nicht kostendeckenden Entgelten. Die Umsätze im Erholungsheim erfasste er nicht nach dem Entgelt, sondern nach dem höheren marktüblichen Preis. Die Bierstubenumsätze versteuerte der Kläger nicht nach den (marktüblichen) Entgelten, sondern nach den – höheren – Selbstkosten.
Das FA meinte, auch bei den Erholungsheimen seien die höheren Selbstkosten maßgebend. Der Kläger schließlich hielt das marktübliche Entgelt für maßgebend abzüglich der nicht vorsteuerentlasteten Kosten. Das FG hatte eine dritte, auch nicht zutreffende Ansicht (Hessisches FG, Urteil vom 10.12.2009, 6 K 4389/03, Haufe-Index 2316374, EFG 2010, 759).
Entscheidung
Danach waren die Umsätze in den Ferienheimen mit dem marktüblichen Entgelt anzusetzen und die Bierstubenumsätze, die mangels Berufung des Klägers auf das Unionsrecht nach nationalem Recht zu beurteilen und daher Lieferungen waren, mit den Selbstkosten nach § 10 Abs. 4 Nr. 1 UStG (ebenfalls ohne Beschränkung auf vorsteuerbelastete Kosten). Anhaltspunkte dafür, dass diese Kosten das vom Kläger versteuerte marktübliche Entgelt überstiegen, bestanden nicht.
Hinweis
Die Grundsätze zur Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage bei teilentgeltlicher Abgabe von sonstigen Leistungen sind:
1. Die sog. Mindestbemessungsgrundlage ist eine unionsrechtlich zulässige Sondermaßnahme zur Verhütung von Steuerhinterziehungen oder -umgehungen. Ist das vereinbarte Entgelt zwar niedriger als die Selbstkosten, entspricht es aber dem marktüblichen Entgelt, besteht kein Grund für die Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage. Grenze ist daher stets das marktübliche Entgelt. Eine Gefahr von Steuerhinterziehungen oder -umgehungen besteht darüber hinaus auch dann nicht, wenn der Unternehmer von einer nahestehenden Person nur ein niedrigeres als das marktübliche Entgelt verlangt, seine Leistung aber in Höhe des marktüblichen Entgelts versteuert.
2.§ 1 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 Buchst. b UStG enthält keine Beschränkung der Besteuerung auf Kosten, die zum Vorsteuerabzug berechtigen. Aus dem Unionsrecht – im Streitfall noch Art. 6 Abs. 2 der 6. EG-RL– ergibt sich nichts anderes: Zu unterscheiden ist nach dem Unionsrecht zwischen der Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen etc. und der unentgeltlichen Erbringung von Dienstleistungen durch den Steuerpflichtigen für seinen privaten Bedarf etc. Nur für den ersten Fall – Verwendung eines Gegenstands des Unternehmens – enthält die RL die Einschränkung, dass die Besteuerung voraussetzt, dass der Gegenstand zum vollen oder teilweisen Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt hat und daher – soweit diese Verwendung Dienstleistungen umfasst, die der Steuerpflichtige von Dritten zur Erhaltung oder zum Gebrauch des Gegenstands ohne die Möglichkeit zum Vorsteuerabzug in Anspruch genommen hat – diese nicht einbezogen werden dürfen.
Handelt es sich dagegen nicht um die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands (Art. 6 Abs. 2 Buchst. a der 6. EG-RL), sondern um die unentgeltliche Erbringung von Dienstleistungen (Art. 6 Abs. 2 Buchst. b der 6. EG-RL), kommt der Abzug nicht vorsteuerentlasteter Kosten nicht in Betracht.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 07.10.2010 – V R 4/10