BMF, Schreiben v. 30.12.1996, IV B 4 - S 2303 - 266/96, BStBl I 1996 S. 1506
BMF-Schreiben vom 6. Dezember 1995 (BStBI I S. 803)
Der EuGH hat zu Art. 48 EWG-Vertrag – Freizügigkeit der Arbeitnehmer – (jetzt Art. 48 EGErbStDV-Vertrag) entschieden, daß bisher beschränkt einkommensteuerpflichtige Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) oder des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR), die ihr Einkommen ganz oder fast ausschließlich aus nichtselbständiger Tätigkeit in Deutschland erzielen, mit unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Arbeitnehmern gleichzustellen sind, wenn der Familienwohnsitz in einem anderen EU/EWR-Mitgliedstaat liegt. Das Urteil erfordert, insbesondere das Splitting-Verfahren auf diesen Personenkreis anzuwenden. Gleichzustellen sind auch unbeschränkt Steuerpflichtige (sog. Gastarbeiter) mit Familienwohnsitz in einem anderen EU/EWR-Mitgliedstaat.
Der EuGH hat außerdem entschieden, daß beschränkt einkommensteuerpflichtige Staatsangehörige anderer EU/EWR-Mitgliedstaaten, auch wenn sie ihr Einkommen aus nichtselbständiger Tätigkeit nur zum Teil in Deutschland erzielen, nicht von der Einkommensteuerveranlagung ausgeschlossen werden dürfen.
Das Jahressteuergesetz 1996 vom 11. Oktober 1995 (BGBI. 1995, S. 1250) enthält die erforderlichen Anpassungen des EStG an den EG-Vertrag, und zwar grundsätzlich unabhängig von der Einkunftsart.
1. Antrag zur unbeschränkten Einkommensteuerpflicht §§ 1 Abs. 3, 1 a EStG)
Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder sind bei der Prüfung der Einkunftsgrenzen im Rahmen eines Antrages zur unbeschränkten Einkommensteuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG (ggf. in Verbindung mit § 1 a EStG) die nicht der deutschen Besteuerung unterliegenden Einkünfte eines Steuerpflichtigen sowohl hinsichtlich der relativen (10 %) als auch der absoluten Grenze (nicht mehr als 12 000 DM, bei Ehegatten: nicht mehr als 24 000 DM) grundsätzlich nach deutschem Steuerrecht zu ermitteln. Steuerfreie Einnahmen (z. B. nach § 3 EStG) und Einkünfte, die aufgrund zwischenstaatlicher oder multilateraler Vereinbarungen von nationalen Steuern der jeweiligen Staaten befreit sind, sind nicht in die Prüfung der Einkunftsgrenzen einzubeziehen. Weisen zwischenstaatliche Vereinbarungen (z. B. DBA) den Vertragsstaaten lediglich Besteuerungsrechte zu, sind die Einkünfte in einem Vertragsstaat steuerpflichtig und damit in die Prüfung der Einkunftsgrenzen einzubeziehen.
Auf die in § 1 Abs. 3 Satz 4 EStG vorgeschriebene Bescheinigung über die Höhe der nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte durch die zuständige Steuerbehörde eines anderen EU/EWR-Mitgliedstaates kann nicht mehr verzichtet werden. Sie ist auf amtlichen Vordrucken zu erteilen.
Ist zuständige Behörde die Steuerbehörde eines Nicht-EU/EWR-Mitgliedstaates, so reichen auch andere Bestätigungen dieser Steuerbehörde über die Höhe der ausländischen Einkünfte (z. B. der Steuerbescheid) aus. Gibt es in einem Nicht-EU/EWR-Mitgliedstaat keine Steuerbehörden oder werden Bescheinigungen nach § 1 Abs. 3 Satz 4 EStG von dortigen Steuerbehörden nicht erteilt, reicht die Bescheinigung einer deutschen Auslandsvertretung aus, in der dies bestätigt wird. Auch in diesem Fall ist der amtliche Vordruck für die Erteilung einer Bescheinigung der ausländischen Steuerbehörde zu verwenden.
Aus Vereinfachungsgründen können die in der Bescheinigung der ausländischen Steuerbehörde genannten Beträge übernommen werden; dies gilt auch für die Anwendung des Progressionsvorbehaltes.
1.1 Lohnsteuerabzug, ESt-Vorauszahlungen
Die Regelungen für den Lohnsteuerabzug ergeben sich aus § 1 a Abs. 1 i. V. m. § 1 Abs. 3, § 38 b, § 39 c Abs. 4 und § 52 Abs. 2 EStG. Bei Personen, die die Voraussetzungen des § 1 a Abs. 1 EStG erfüllen, kommen insbesondere die Steuerklassen II oder lll, für die Festsetzung von ESt-Vorauszahlungen das Ehegattensplitting oder der Haushaltsfreibetrag in Betracht. Dies gilt auch für unbeschränkt Steuerpflichtige mit Familienwohnsitz in einem anderen EU/EWR-Mitgliedstaat.
Für die in § 1 Abs. 3 Satz 4 EStG vorgeschriebene Bescheinigung zum Lohnsteuer-Ermäßigungsantrag oder zum Antrag auf Herabsetzung der Einkommensteuer-Vorauszahlungen ist der amtliche Vordruck Anlage „Grenzpendler EU/ EWR” bzw. Anlage „Grenzpendler außerhalb EU/EWR” zu verwenden.
1.2 Veranlagungen zur unbeschränkten Einkommensteuerpflicht §§ 1 Abs. 3, 1 a EStG)
Die in § 1 Abs. 3 Satz 4 EStG vorgesehene Bescheinigung der ausländischen Einkünfte durch die zuständige ausländische Steuerbehörde ist auf den amtlichen Vordrucken Anlage „Bescheinigung EU/EWR” bzw. Anlage „Bescheinigung außerhalb EU/EWR” zur Einkommensteuererklärung zu erteilen.
2. Altfälle
Die Regelungen zu §§ 1 Abs. 3, 1 a EStG und § 50 Abs. 5 Satz 4 Nr. 2 EStG sind, soweit sie nicht ausdrücklich erst ab 1996 gelten, mit Rücksicht auf das EuGH-Urteil auf noch offene Altfälle anzuwenden:
2.1 Veranlagungen zur unbeschränkten Einkommensteuerpflicht §§ 1 Abs. 3, 1 a EStG)
Die Rückwirkung der Regelung für b...