Leitsatz
Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass im zeitlichen Anwendungsbereich des AltEinkG (ab dem 1.1.2005) geleistete Beiträge zu den gesetzlichen Rentenversicherungen (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG) als Sonderausgaben nach näherer Maßgabe der Überleitung in die sog. nachgelagerte Besteuerung (§ 10 Abs. 3 EStG) nur beschränkt abziehbar sind. Gegen diese gesetzliche Regelung bestehen bei summarischer Beurteilung keine durchgreifenden Bedenken.
Normenkette
§ 9 Abs. 1 Satz 1, § 10 Abs. 1, 2, 3 und 4a, § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a, aa EStG i.d.F. des AltEinkG
Sachverhalt
Der 1973 geborene Antragsteller ist Angestellter. In seinem Lohnsteuerermäßigungsantrag für 2005 machte er geltend, dass seine in diesem Jahr anfallenden Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen Rentenversicherung als vorweggenommene Werbungskosten bei seinen späteren Renteneinkünften zu behandeln seien. Deshalb sei ein entsprechender Freibetrag auf seine Lohnsteuerkarte einzutragen. Aufgrund der im AltEinkG getroffenen Regelung sei davon auszugehen, dass er bei einem unterstellten Renteneintritt im Jahr 2038 seine zukünftigen Renteneinnahmen zu 98 % werde versteuern müssen. Folglich müssten auch seine Beitragszahlungen zumindest mit 98 % als vorweggenommene Werbungskosten abziehbar sein. Das FA versagte die Eintragung des Freibetrags. Das FG hat über die dagegen gerichtete Klage noch nicht entschieden. Das FG lehnte den Antrag ab, den Freibetrag im Weg der Aussetzung der Vollziehung auf die Lohnsteuerkarte einzutragen. Der BFH wies die hiergegen erhobene Beschwerde zurück.
Entscheidung
Es könne dahingestellt bleiben, ob die streitigen Rentenbeiträge nach ihrer Rechtsnatur Werbungskosten darstellten. Jedenfalls habe der Gesetzgeber des AltEinkG die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG genannten Altersvorsorgeaufwendungen im Rahmen der Spezialregelung des § 10 Abs. 3 Satz 5 EStG mit konstitutiver Wirkung dem beschränkten Sonderausgabenabzug zugeordnet.
Die beschränkte Abziehbarkeit der Rentenbeiträge sei bei isolierter Betrachtung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Freilich werde bei der späteren Besteuerung der Rentenbezüge zu prüfen sein, ob der Gesetzgeber des AltEinkG dem vom BVerfG im Urteil vom 6.3.2002, 2 BvL 17/99, BStBl II 2002, 618 hervorgehobenen Verbot der Doppelbesteuerung von Lebenseinkommen hinreichend Rechnung getragen habe. Nach diesen Grundsätzen dürften Rentenbezüge, soweit sie auf Beiträgen beruhen, die aus versteuertem Einkommen geleistet werden, nicht erneut der Besteuerung unterworfen werden.
Hinweis
1. Sonderausgaben i.S.v. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG können – anders als Werbungskosten – nicht zur Eintragung eines Freibetrags auf der Lohnsteuerkarte führen, weil § 39 Abs. 1 Nr. 2 EStG nur andere Sonderausgaben anspricht und Sonderausgaben i.S.v. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG im Weg der Vorsorgepauschale gem. § 10c Abs. 2 und 3 EStG berücksichtigt werden.
2. Ob Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG i.d.F. des AltEinkG) unbeschränkt abziehbare vorweggenommene Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften gem. § 22 Nr. 1 EStG oder lediglich beschränkt abziehbare Sonderausgaben i.S.v. § 10 Abs. 3 und 4a EStG darstellen, wird unterschiedlich beurteilt. Die Finanzverwaltung (BMF, Schreiben vom 24.2.2005, BStBl I 2005, 429, Tz. 1 f.) und ein Teil der Literatur (z.B. Risthaus, DB 2004, 1329; Weber-Grellet, DStR 2004, 1721; Schmidt/Heinicke, EStG, 24. Aufl., § 10 Rz. 80) behandeln solche Aufwendungen als lediglich beschränkt abziehbare Sonderausgaben. Dagegen gehen das FG Niedersachsen (Beschluss vom 23.5.2005, 7 S 4/03, EFG 2005, 1184) und ein anderer Teil des Schrifttums (Balke, FR 2005, 1143; Söhn, StuW 2003, 332; Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, KStG, Jahresband 2003–2005, § 10 EStG Rz. J 04-8) von in vollem Umfang abziehbaren Werbungskosten aus.
Dem Besprechungsbeschluss schließt sich der BFH nach der im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausreichenden summarischen, aber dennoch sehr ausführlichen und m.E. überzeugenden Begründung der erstgenannten Auffassung an. Er folgert dieses Ergebnis aus dem Wortlaut des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, Abs. 3 und 4a EStG, dem systematischen Zusammenhang dieser Vorschriften mit § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a, aa, Satz 3 EStG sowie dem hinreichend erkennbar gewordenen Willen des Gesetzgebers, der seinen Niederschlag im Gesetz gefunden habe.
3. Die Vereinbarkeit des vom Gesetzgeber des AltEinkG verwirklichten Systems der nachgelagerten Besteuerung der Renteneinkünfte mit dem vom BVerfG konstatierten Verbot einer Doppelbesteuerung des (Lebens-)Einkommens des Steuerpflichtigen kann nach einer Kernaussage des Besprechungsbeschlusses erst überprüft werden, wenn die Renteneinkünfte dem Steuerpflichtigen (später) zufließen und damit der Besteuerung (nach § 22 Nr. 1 EStG) unterworfen werden. Damit ist die verfassungsrechtliche Überprüfung des Doppelbesteuerungsverbots allerdings nicht – wie manche Autoren meinen – "ad calendas graecas" verschoben....