Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
3.1 Sachverhalt
Unternehmer U handelt mit neuen und gebrauchten Segelschiffen. Soweit seine Kunden es wünschen, vermittelt U ihnen auch preisgünstige Versicherungen für die Segelschiffe. Diese Tätigkeit macht ca. 5 % seines gesamten Umsatzes aus. Im April 2023 beauftragt U den Webdesigner W mit der Konzeption und Einstellung eines neuen Internetauftritts unter der Adresse "Schiffs-Versicherung.com". Nach Ausführung der Arbeiten erteilt W dem U eine Rechnung über 4.000 EUR zzgl. 19 % Umsatzsteuer. Auf der neuen Internetseite können Interessenten praktische Hinweise für die Versicherung von Segelschiffen sowie eine Vergleichsrechnung über besonders günstige Versicherungen abrufen. Über ein Kontaktformular können sich Interessenten auch kostenfrei über Versicherungsfragen rund um Segelschiffe beraten lassen. Hinweise auf den Verkauf von Segelschiffen sind auf der Internetseite nicht vorhanden, es ist unter "nützliche Links" lediglich ein Link zu der Hauptseite des U vorhanden.
3.2 Fragestellung
U möchte wissen, in welchem Umfang er die Vorsteuer aus der Rechnung des Webdesigners W vornehmen kann.
3.3 Lösung
U bezieht die sonstige Leistung des W für sein Unternehmen, eine ordnungsgemäße Rechnung des W wird nach dem Sachverhalt unterstellt. U hat damit nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG den Vorsteuerabzug.
Im Bereich des Verkaufs von Segelschiffen führt U Umsätze aus, die den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 UStG nicht ausschließen. Mit den Umsätzen aus der Versicherungsvermittlung führt U steuerbare, aber nach § 4 Nr. 11 UStG steuerfreie Umsätze aus, die nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG den Vorsteuerabzug ausschließen. Das Abzugsverbot nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG wird auch nicht durch § 15 Abs. 3 UStG wieder rückgängig gemacht.
Vorsteuerabzug bei Drittlandskunden
Soweit die Versicherungsvermittlung gegenüber Kunden aus dem Drittlandsgebiet ausgeführt werden würde, würde § 15 Abs. 3 UStG eine Rückausnahme vom Vorsteuerabzugsverbot regeln, sodass der Vorsteuerabzug vorgenommen werden könnte.
Mit der neuen Internetseite werden direkt keine Ausgangsleistungen bewirkt. Fraglich ist, ob die Eingangsleistung von dem Werbedesigner damit im Verhältnis der Gesamtleistungen des Unternehmens nach § 15 Abs. 4 UStG aufzuteilen ist. Da allerdings mit der Webseite ausschließlich der Bereich der Versicherungsvermittlung beworben wird, muss eine mittelbare Zurechnung der Eingangsleistungen zu diesem Bereich erfolgen. Damit kann U aus der Rechnung des W keinen Vorsteuerabzug vornehmen.
Ist keine Zuordnung möglich, muss aufgeteilt werden
Kann die Eingangsleistung nicht einer bestimmten Art von Ausgangsleistung unmittelbar oder mittelbar zugeordnet werden, muss die Vorsteuer nach der Gesamtschau des Unternehmens aufgeteilt werden. Soweit kein anderer wirtschaftlicher Aufteilungsmaßstab erkennbar ist, kann die Vorsteuer im Verhältnis der Ausgangsumsätze aufgeteilt werden.
Würde U somit eine neue Webseite sowohl für seinen Tätigkeitsbereich als Verkäufer von Segelschiffen als auch für seinen Tätigkeitsbereich Versicherungsvermittlung erstellen lassen, könnte er analog § 15 Abs. 4 UStG in Ermangelung eines anderen Aufteilungsschlüssels nach den Umsätzen 95 % der ihm in Rechnung gestellten Umsatzsteuerbeträge als Vorsteuer abziehen.