Leitsatz
1. Innenumsätze innerhalb eines Organkreises sind keine Reisevorleistungen i.S. des § 25 Abs. 1 und 3 UStG.
2. Die Einräumung der Berechtigung zum Eintritt in einen Freizeitpark unterliegt nicht dem ermäßigten Steuersatz des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG.
Normenkette
§ 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d, § 25 Abs. 1, 3 und 4 UStG, § 30 UStDV, Art. 98 Abs. 2 i.V.m. Anhang III Kategorie 7, Art. 306 ff. EGRL 112/2006 (= MwStSystRL)
Sachverhalt
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist seit 2011 (Streitjahr) umsatzsteuerrechtliche Organträgerin der N-GmbH und betrieb einen Freizeitpark. Daneben verkaufte die N-GmbH sog. Kombitickets, die u.a. zum Besuch des Freizeitparks sowie zur Übernachtung in einem Hotel, mit dessen Inhaber die N-GmbH eine wirtschaftliche Partnerschaft unterhielt, berechtigten. Die N-GmbH erwarb von der Klägerin Eintrittskarten. Die Hotelbetreiber stellten der N-GmbH Beherbergungsleistungen in Rechnung.
Die Umsätze aus dem Verkauf der Eintrittskarten für den Freizeitpark meldete die Klägerin zum Regelsteuersatz an. Auf die Umsätze der N-GmbH wendete sie die Margenbesteuerung für Reiseleistungen nach § 25 UStG an. Die von der Klägerin bezogenen Eintrittsberechtigungen sowie die Beherbergungsleistungen der Hoteliers seien als Reisevorleistungen (§ 25 Abs. 3 Satz 1 UStG) anzusehen.
Nach einer Außenprüfung bei der Klägerin und bei der N-GmbH vertrat das FA die Auffassung, aufgrund der Organschaft seien die Eintrittsberechtigungen der Klägerin keine Reisevorleistungen mehr, sondern nicht steuerbare Innenumsätze, sodass sie nicht margenmindernd zu berücksichtigen seien.
Mit ihrem Einspruch begehrte die Klägerin neben der Einstufung der Eintrittsberechtigungen als Reisevorleistungen erstmals die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG auf ihre Eintrittskartenverkäufe.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das FG (FG Münster, Urteil vom 13.8.2020, 5 K 1228/18 U, Haufe-Index 14099668, EFG 2020, 1548) entschied, der USt-Steuerbescheid für das Jahr 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung sei rechtmäßig.
Entscheidung
Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück.
Hinweis
1. Das Besprechungsurteil ist inhaltlich quasi ein Nachfolgeurteil zum EuGH-Urteil vom 9.9.2021, C-406/20,Phantasialand(EU:C:2021:720, BFH/NV 2021, 1455), obwohl es das verfahrensrechtlich nicht ist. Die Vorlage im Verfahren C-406/20 stammte vom FG Köln (Beschluss vom 25.8.2020, 8 K 1092/17, EFG 2020, 1638). Das Revisionsverfahren des BFH war bis zum Ergehen des EuGH-Urteils ausgesetzt (§ 74 FGO).
2. Der BFH legt mit dem Besprechungsurteil sein Verständnis des EuGH-Urteils dar. Er hält an seiner ständigen Rechtsprechung (vgl. BFH, Urteil vom 2.8.2018, V R 6/16, BFH/NV 2018, 1347) fest, dass die Eintrittsberechtigung in einen Freizeitpark nicht dem ermäßigten Steuersatz unterliegt. Einen Verstoß gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität hatte der BFH schon zuvor geprüft und verneint. Daran hält er auch nach Ergehen des EuGH-Urteils weiter fest, was wenig überraschen dürfte.
3. In Rz. 35 des Besprechungsurteils stellt der BFH außerdem fest, dass ein nationales Gericht in der Lage sei, die Sicht des Durchschnittsverbrauchers aufgrund eigener Sachkunde festzustellen. Der Begriff des Durchschnittsverbrauchers beruhe nicht auf einer statistischen Grundlage, sodass sich FA und FG insoweit auf ihre eigene Urteilsfähigkeit (unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH und des BFH) verlassen müssten. Dies gelte jedenfalls dann, wenn die entscheidenden Richter selbst zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehörten.
4. Der BFH hat außerdem seine Rechtsprechung bestätigt, dass Innenumsätze innerhalb des Organkreises keine Reisevorleistungen i.S.d. § 25 Abs. 1 und 3 UStG sind. Dies war im Revisionsverfahren zwischen den Beteiligten zwar nicht mehr streitig, aber aufgrund des Grundsatzes der Vollrevision trotzdem (kurz) zu prüfen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 17.3.2022 – XI R 23/21 (XI R 4/21)