Dr. Hubertus Gschwendtner
Leitsatz
1. Bei der Entscheidung, ob einer der in § 20 EStG oder § 23 EStG aufgeführten Tatbestände erfüllt ist, kommt es entscheidend darauf an, wie sich das jeweilige Rechtsgeschäft aus der Sicht des Kapitalanlegers als des Leistungsempfängers bei objektiver Betrachtungsweise darstellt.
2. Beteiligt sich ein Kapitalanleger an einem sog. Schneeballsystem, mit dem ihm vorgetäuscht wird, in seinem Auftrag und für seine Rechnung würden "Treasury-Bond-Optionen" erworben, so ist dieser von ihm angenommene Sachverhalt der Besteuerung zugrunde zu legen.
3. Hätte der Kapitalanleger, der sich an dem Schneeballsystem beteiligt, erkannt, dass der Erwerb von "Treasury-Bond-Optionen" nur vorgetäuscht war, wären die im Rahmen des Schneeballsystems an ihn ausgezahlten Gewinne als Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu erfassen.
Normenkette
§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG 1989 , § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG 1989 , § 22 Nr. 2 EStG 1989 , Normenkette: § 23 Abs. 1 Nr. 1b EStG 1989
Sachverhalt
Der Kläger hatte ab März 1985 immer wieder Geldbeträge in Terminkontrakten mit einem angeblichen Brokerunternehmen angelegt. Entgegen seinen Angaben legte das Unternehmen aber die von den Anlegern zur Verfügung gestellten Gelder nicht in Treasury-Bond-Terminkontrakten bzw. Treasury-Bond-Optionen an, sondern benutzte die Kapitalzuflüsse zur Finanzierung eines sog. Schneeballsystems, das Anfang des Jahres 1990 zusammenbrach.
Ab Oktober 1988 schlossen die Beteiligten "Sonderveinbarungen" mit folgendem Inhalt ab:
"Sie erhalten Treasury-Bond-Optionen, Einschuss ..... US-$. Den bereits angelaufenen Gewinn i.H.v. ..... US-$ sichern wir durch Stop-Setzung ab und garantieren Ihnen hiermit die Rückzahlung am ..... i.H.v. mind. ..... US-$. Die Inter-Continental-Brokerpage erhält eine 10%ige Gewinnbeteiligung auf den Nettozuwachs Ihrer Einlage."
Der Kläger erzielte aus den in den Streitjahren 1988 und 1989 vorgetäuschten Anlagen in Treasury-Bond-Optionen Überschüsse von 17.891 DM (1988) und 669.475 DM (1989). Den Ende 1989 geleisteten "Einschuss" i.H.v. 325.000 US-$ erhielt er nicht mehr zurück.
Das FA erfasste die Zahlungen als Einnahmen bei den Einkünften des Klägers aus Kapitalvermögen. Das FG gab der Klage statt; die vom Kläger erzielten (Schein-)Erträge aus den angeblich vermittelten Geschäften seien nicht steuerbar (EFG 2003, 1695).
Entscheidung
Der BFH hob das Urteil auf und wies die Klage ab. Die Begründung entspricht im Wesentlichen derjenigen des Urteils VIII R 5/02, BFH-PR 2005, 353 (s. Praxis-Hinweise).
Hinweis
Der Fall entspricht in den wesentlichen Punkten dem im Urteil VIII 5/02 (BFH-PR 2005, 353) entschiedenen Fall. Der BFH weist hier ergänzend darauf hin, dass es hinsichtlich der grundsätzlichen Steuerbarkeit der Einkünfte keine Rolle spielt, ob der Steuerpflichtige getäuscht wurde oder ob er das Schneeballsystem durchschaut hat. Wurde er getäuscht, liegt ein Spekulationsgeschäft vor, schlug die Täuschung fehl und legt der Steuerpflichtige trotzdem Kapital an (z.B. weil er meint, er könne noch rechtzeitig aus dem Geschäft "aussteigen"), gibt er Kapital zur Nutzung hin und erzielt daraus Einkünfte aus § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, ggf. – als besondere Entgelte oder Vorteile – aus § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG. Den Verlust der Einlage, der ihm durch den Zahlungsausfall bei Zusammenbruch des Schneeballsystems entstanden ist, kann der Steuerpflichtige nicht geltend machen; es handelt sich um einen Verlust in der privaten Vermögenssphäre.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 14.12.2004, VIII R 81/03