Leitsatz
1. Zieht sich die Liquidation einer Kapitalgesellschaft über mehr als drei Jahre hin, so darf das FA nach Ablauf dieses Zeitraums regelmäßig auch dann gegenüber der Kapitalgesellschaft einen KSt-Bescheid erlassen, wenn für eine Steuerfestsetzung vor Abschluss der Liquidation kein besonderer Anlass besteht. Ein solches Vorgehen muss nur dann begründet werden, wenn ein rechtliches Interesse der Kapitalgesellschaft an der Verlängerung des Besteuerungszeitraums über drei Jahre hinaus erkennbar ist.
2. Hat das FA gegenüber einer in Liquidation befindlichen Kapitalgesellschaft einen KSt-Bescheid für einen im Jahr 1997 endenden Besteuerungszeitraum erlassen und dabei den im Jahr 1997 geltenden Steuersatz angesetzt, so ist dieser Bescheid nicht allein deshalb rechtswidrig, weil die Liquidation über den 31.12.2000 hinaus andauert und seither der tarifliche KSt-Satz nur noch 25 % beträgt.
Normenkette
§ 11 Abs. 1, § 23 KStG
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine Kapitalgesellschaft (AG), die im Jahr 1967 aufgelöst und im Anschluss an eine Abwicklung im Jahr 1970 im Handelsregister gelöscht wurde. Für den Zeitraum 1967 bis 1970 wurde eine Abwicklungsbesteuerung nach Maßgabe des § 11 KStG durchgeführt.
Seit 1990 machte die Klägerin vermögensrechtliche Ansprüche im Zusammenhang mit Grundbesitz in Ostdeutschland geltend. Im Februar 1991 wurde für sie erstmals ein Abwickler gem. § 273 Abs. 4 AktG bestellt; im Jahr 1993 erkannte die zuständige Behörde ihr gegenüber Zahlungsansprüche an. Im Streitjahr erhielt die Klägerin zur Befriedigung eines Teils ihrer Ansprüche eine Zahlung von rd. 5 Mio. DM. Weitergehende Forderungen verfolgt sie auf dem Zivilgerichtsweg.
Das FA erließ für das Streitjahr 1997 einen KSt-Bescheid, in dem es einen vom 28.02.1991 bis zum 31.12.1997 dauernden Besteuerungszeitraum erfasste und die Besteuerungsgrundlagen für diesen Zeitraum schätzte. Die Klage gegen diesen Bescheid hat das FG abgewiesen (EFG 2006, 1856).
Entscheidung
Der BFH bestätigte das FG-Urteil:
Das FA habe nach Ablauf von drei Jahren eine Liquidations-Zwischenveranlagung durchführen dürfen und sein diesbezügliches Ermessen pflichtgemäß ausgeübt. Es habe dabei auch zutreffend den im Zeitpunkt der Steuerfestsetzung geltenden KSt-Satz von 45 % angesetzt.
Hinweis
Bereits im Urteil vom 22.02.2006, I R 67/05 (BFH-PR 2006, 436) hatte der BFH sich mit Fragen der formellen und materiellen Besteuerung von Kapitalgesellschaften im Stadium der Liquidation zu befassen. Daran knüpft er hier an:
1. Das betrifft zunächst die Dauer des VZ bei einer Liquidationsgesellschaft:
a) Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG ist bei einer unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft, die nach ihrer Auflösung abgewickelt wird, der im Zeitraum der Abwicklung erzielte Gewinn der Besteuerung zugrunde zu legen; Besteuerungszeitraum ist also in diesem Fall grundsätzlich nicht das einzelne Kalenderjahr, sondern der gesamte Abwicklungszeitraum.
b) § 11 Abs. 1 Satz 2 KStG bestimmt aber, dass in Liquidationsfällen der Besteuerungszeitraum drei Jahre nicht überschreiten soll. Die Vorschrift dient der Sicherung des Steueranspruchs und namentlich der Vermeidung von Schwierigkeiten, die sich bei einer streng auf den gesamten Abwicklungszeitraum abstellenden Besteuerung daraus ergeben könnten, dass die Liquidation lange andauert oder nur zum Schein durchgeführt wird.
Diesem Ziel entsprechend gewährt § 11 Abs. 1 Satz 2 KStG der Finanzbehörde das Recht, bei einer Überschreitung des Drei-Jahres-Zeitraums die in der Abwicklungsphase bisher entstandene Steuer in einer „Zwischenveranlagung” festzusetzen.
c) Der BFH beanstandet es nicht, wenn diese Zwischenveranlagung nach Ablauf der (ersten) drei Jahre erfolgt, obschon das Liquidationsverfahren noch nicht abgeschlossen ist und obschon für eine solche Steuerfestsetzung kein besonderer Anlass besteht. Das Gesetz verlangt dem FA hierzu zwar eine Ermessensentscheidung ab, lässt ihm aber weitgehende Ermessensfreiheit. Das FA muss seine Entscheidung deswegen im Grundsatz auch nicht besonders begründen.
Eine Ausnahme dazu mag allein bestehen, wenn der Steuerpflichtige ein erkennbares rechtliches Interesse an der Verlängerung des Drei-Jahres-Zeitraums hat.
2. Ergeht berechtigterweise eine Zwischenveranlagung, dann basiert diese in rechtlicher Hinsicht auf demjenigen Recht, das im Zeitpunkt der Zwischenveranlagung gilt. Eine absehbare „Verbesserung” der Regelungslage zugunsten des Steuerpflichtigen in der Folgezeit ist (noch) nicht zu berücksichtigen.
Im Urteilsfall betraf dies die Absenkung des Steuersatzes von bis dato 45 % auf danach lediglich 25 %. Der BFH stellt dazu klar: Im Rahmen einer späteren, endgültigen Veranlagung mag sich das für die Liquidationsgesellschaft dann günstig auswirken, im Zeitpunkt der Zwischenveranlagung ist dem jedoch noch keine Beachtung zu schenken.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 18.09.2007, I R 44/06