Prof. Dr. Franceska Werth
Leitsatz
Der Verlust aus dem Rückkauf einer fondsgebundenen Lebensversicherung, die vor dem 01.01.2005 abgeschlossen wurde, ist nicht nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG in der am 31.12.2004 geltenden Fassung zu berücksichtigen.
Normenkette
§ 20 Abs. 1 Nr. 6 i.d.F. am 31.12.2004, § 52 Abs. 28 Satz 5 EStG
Sachverhalt
Der Kläger schloss zwei fondsgebundene Lebensversicherungen ab. Versicherungsbeginn war der 1.12.2004. Beide Versicherungen hatten eine Laufzeit von 35 Jahren und eine Prämienzahlungsdauer von fünf Jahren. Die jährlichen Prämien beliefen sich auf 60.000 EUR und die Versicherungssummen nach dem Ende des dritten Versicherungsjahres auf 180.000 EUR. Als Bezugsberechtigter war im Erlebensfall der Kläger vorgesehen. Nach den Versicherungsbedingungen erwarb die Versicherung Wertpapiere und führte diese dem Deckungsstock des Klägers zu. Dieser wurde während der Vertragsdauer gesondert vom übrigen Vermögen der Versicherung angelegt.
Im Jahr 2008 kündigte der Kläger die fondsgebundenen Lebensversicherungen. Bis zur Beendigung der Versicherungen hatte er Prämien i.H.v. jeweils 195.000 EUR geleistet. Die Versicherung zahlte ihm aufgrund von Kursverlusten einen Rückkaufswert i.H.v. lediglich 77.027,20 EUR aus. Den Differenzbetrag machte der Kläger in seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2008 als negative Kapitaleinkünfte geltend. Das FG wies die Klage zurück (FG München, Urteil vom 14.3.2016, 9 K 2020/15, Haufe-Index 9724327).
Entscheidung
Der BFH hat gemäß § 126a FGO die Revision einstimmig als unbegründet zurückgewiesen.
Hinweis
1. Bei der Besteuerung von Lebensversicherungen ist danach zu unterscheiden, ob die Versicherung vor dem 1.1.2005 oder nach dem 31.12.2004 abgeschlossen wurde. Handelt es sich – wie im vorliegenden Fall – um einen Altvertrag, der vor dem 1.1.2005 abgeschlossen wurde, richtet sich die Besteuerung der Erträge aus der Versicherung – auch in späteren Jahren – nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 i.V.m. Satz 5 EStG in der am 31.12.2004 geltenden Fassung (§ 52 Abs. 28 Satz 5 EStG).
2. Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören nach dieser Vorschrift außerrechnungsmäßige und rechnungsmäßige Zinsen aus den Sparanteilen, die in den Beiträgen zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall enthalten sind. Die Rückausnahme von der Besteuerung gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG 2004 greift im vorliegenden Fall nicht ein, da die Lebensversicherungen vor dem Ablauf von 12 Jahren gekündigt wurden. Danach unterliegen die Erträge aus den fondsgebundenen Lebensversicherungen grundsätzlich der Besteuerung.
3. Nach Auffassung des BFH gibt es jedoch bei den fondsgebundenen Lebensversicherungen keine rechnungsmäßigen und außerrechnungsmäßigen Zinsen. Bei der Anordnung der entsprechenden Anwendbarkeit des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG auf fondsgebundene Lebensversicherungen durch Satz 5 der Vorschrift handelt es sich um eine Rechtsfolgen- und nicht um eine Rechtsgrundverweisung. Der Steuer unterliegen danach nur positive laufende Kapitalerträge aus dem Anlagestock. Auf Kursgewinnen beruhende Wertzuwächse des Anlagestocks bleiben außer Betracht. Diese betreffen die steuerlich irrelevante Vermögenssphäre, sodass der Kläger seine Verluste aus dem Rückkauf der fondsgebundenen Lebensversicherung nicht steuerlich geltend machen kann.
4. Es liegen auch keine Werbungskosten vor. Grund hierfür ist, dass bei den fondsgebundenen Lebensversicherungen die Erzielung steuerfreier Vermögensvorteile im Vordergrund steht. Sowohl die Erträge bei Ablauf der Versicherungslaufzeit als auch die Leistung im Todesfall hätten nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 i.V.m. Satz 5 EStG nicht der Einkommensteuer unterlegen. Danach sollten mit dieser Kaitalanlage steuerlich zu erfassende Einkünfte vermieden werden, sodass die damit zusammenhängenden Werbungskosten nicht abziehbar sind.
5. Die Rechtslage ist anders zu beurteilen, wenn der Vertrag über die fondsgebundene Lebensversicherung nach dem 31.12.2004 abgeschlossen wurde. Nach der auf diese Verträge anwendbaren Neuregelung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG ist der Unterschiedsbetrag zwischen der Versicherungsleistung und der Summe der auf sie entrichteten Beiträge zu versteuern. Danach ist der Verlust aus dem Rückkauf der fondsgebundenen Lebensversicherung steuerlich zu berücksichtigen. Der BFH hat im vorliegenden Fall eine analoge Anwendung dieser Regelung auf Versicherungsverträge, die vor dem 1.1.2005 abgeschlossen wurden, abgelehnt. Der Kläger konnte danach seinen Verlust nicht steuerlich geltend machen.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 24.6.2019 – VIII R 25/16