a) Sachverhalt
(vgl. FG Nds. v. 16.3.2023 – 10 K 310/19): Die Kl’in ist die Spitze eines Konzerns, zu dem u.a. die Gesellschaften X und deren Muttergesellschaft Y gehören. Im Rahmen der Produktion erfolgte im Konzern eine Zuweisung der Produktionsmenge durch die Konzernspitze, ohne dass es hierfür vertragliche Zusagen gab. Lieferaufträge von X zu Dritten bestanden nur in geringem Umfang. Die Kundenbeziehungen gingen vorwiegend von Y aus. Auf Konzernebene wurde beschlossen, die Produktion bei X am Standort A einzustellen und künftig bei Y an Standort B durchzuführen. Die Produktionsanlagen verkaufte X an Schwestergesellschaften, die Schließungskosten wurden von Y getragen. Eine Entschädigungszahlung für die Einstellung der Produktion erfolgte nicht.
Nach einer BP nahm das FA an, der Sachverhalt stelle eine Funktionsverlagerung dar und berechnete ein Transferpaket als vGA. Gegen die insoweit geänderten Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuerbescheide legte die Kl’in zunächst Einspruch und anschließend Klage ein.
b) Entscheidung des FG
Die Klage war erfolgreich. Der Ansatz einer vGA sei nicht gerechtfertigt. Zwar schließe es eine vGA nicht bereits aus, dass ein Anwendungsfall des § 1 AStG vorläge. Denn § 1 Abs. 1 S. 4 AStG [damals: S. 3] zeige, dass der Ansatz einer vGA nach dem KStG Vorrang vor einer Anwendung des AStG habe.
Verhinderte Vermögensmehrung in Gestalt der "Überlassung einer Geschäftschance" ...: Allerdings lägen die Voraussetzungen einer vGA nicht vor. Eine solche komme nur als verhinderte Vermögensmehrung in Gestalt der Überlassung einer Geschäftschance in Betracht. Eine solche Geschäftschance müsse
- aber hinreichend verselbständigt sein und
- von anderen Wirtschaftsgütern unterschieden werden können.
- Zudem müsse ein Gewinnpotential bestehen, für das ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter ein Entgelt verlangen würde und für das ein fremder Dritter ein Entgelt auch zahlen würde. In der Regel sei dies ein immaterielles Wirtschaftsgut wie ein Kunden- oder Mandantenstamm, ein Belieferungsrecht oder ein Exportmarkt.
- Erforderlich sei jedenfalls eine derartige Konkretisierung, dass der Vorteil eigenständig bewertbar sei. Nicht erforderlich sei jedoch eine rechtlich abgesicherte Rechtsposition.
... fehlt im Entscheidungsfall: An einer solchen konkreten Geschäftschance fehle es im Streitfall. Eine vermögenswerte Position sei nicht übertragen worden. Denn die Produktion beruhe hauptsächlich auf der Zuweisung von Produktionsmengen durch die Konzernspitze. Mangels vertraglicher Bindung habe daher Y die konzerninterne Auftragszuteilung an X ohne weiteres entschädigungslos reduzieren können. Eine solche – im Belieben der Konzernspitze stehende – Auftragszuweisung stelle keine eigenständige Geschäftschance dar, da keine rechtlich gefestigte Position von X bestanden hätte. Auch die Kundenbeziehungen würden bereits maßgeblich von Y beherrscht, X würde nur das Auftragsvolumen durch Y zugeteilt. Weiterhin liege die Einräumung einer Geschäftschance auch nicht in der Überlassung der Kundenbeziehungen zu Fremdkunden oder eines Kundenstamms für konzernfremde Abnehmer. Denn solche Geschäftsbeziehungen hätten in keinem nennenswerten Umfang bestanden. Fazit: Eine verhinderte Vermögensmehrung und somit eine vGA lägen daher nicht vor.
c) Hinweise für die Beratungspraxis
Die Entscheidung konkretisiert die Voraussetzungen für die Annahme einer vGA bei der Überlassung einer Geschäftschance. Sie ist aus Praxissicht insbesondere darin zu begrüßen, dass nicht jede konzerninterne Umstrukturierung zu vGA – und somit zu körperschaftsteuerlichen Nachteilen – führt.
Gleichwohl sei für Fälle, in denen eine Auftragszuweisung nicht – wie im entschiedenen Fall – durch die Mutter erfolgt oder bei der eine solche vertraglich vereinbart ist, weiterhin Vorsicht geboten. Gegen die Entscheidung ist Revision anhängig.