a) Sachverhalt
(vgl. FG Hamburg v. 24.3.2023 – 6 K 241/21): Die Kl’in ist eine GmbH mit mehreren Tochtergesellschaften, an denen sie zu jeweils 100 % beteiligt war. Dazu gehörte die deutsche A-GmbH, zu der ein Ergebnisabführungsvertrag mit der Kl’in als Organträgerin bestand. Zu den Beteiligungen der Kl’in zählten außerdem die singapurische B Ltd. und die amerikanische C. B wiederum war zu 100 % an zwei Enkel-Kapitalgesellschaften (B-X und B-Y) beteiligt.
Im Rahmen einer BP bei A wurden zwei gewinnerhöhende Sachverhalte festgestellt: An die B-X zu zahlende Lizenzgebühren wurden von der A zu hoch angesetzt und somit verdeckt Gewinne ausgeschüttet. Zudem erbrachte die A Dienstleistungen gegenüber der B-X, ohne dass ihr diese vergütet wurden, weshalb das Einkommen der A auch insoweit unter Annahme von vGA erhöht wurde.
Nach einer BP bei der Kl’in nahm das FA an, dass die festgestellten vGA bei A aufgrund der Organschaft zur Kl’in vorweggenommene Gewinnabführungen darstellen. Allerdings seien die Vorteile der vGA den Enkelgesellschaften der Kl’in zugeflossen; daher sei auf Ebene der Kl’in ein Vorteilsverbrauch entstanden. Dieser führe zu einer Neutralisierung der zuzurechnenden vGA. Das Einkommen der Kl’in sei aber nach § 1 AStG außerbilanziell zu erhöhen.
b) Entscheidung des FG
Die hiergegen erhobene Klage blieb erfolglos. Das der Kl’in zuzurechnenden Einkommen sei zutreffend nach § 1 Abs. 1 S. 1 AStG erhöht worden. Denn die Anwendung der Norm werde nicht durch das gleichzeitige Vorliegen einer vGA verdrängt.
Nach dem Normwortlaut gelte § 1 Abs. 1 S. 1 AStG "unbeschadet anderer Vorschriften". § 1 Abs. 1 S. 4 AStG bestimme, dass – wenn die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes zu weitergehenden Berichtigungen als andere Vorschriften führe – diese Berichtigungen neben den Rechtsfolgen der anderen Vorschriften durchzuführen seien.
Nach dem BFH würden § 1 Abs. 1 S. 1 AStG und § 8 Abs. 3 S. 2 KStG
- nebeneinanderstehen und
- sich überlagern,
so dass sich die Gewinnkorrektur nach einer Vorschrift erübrige, wenn sie bereits nach der anderen Vorschrift vollzogen sei. Weitergehende Berichtigungen durch § 1 Abs. 1 S. 1 AStG seien aber durchzuführen. Dies führe hier dazu, dass § 1 Abs. 1 S. 1 AStG weiterhin anwendbar bleibe. Denn die Anwendung des AStG führe zu einer Einkommenserhöhung, die der vGA hingegen nicht. Eine Anwendung der vGA-Grundsätze führe dadurch, dass die betroffenen Wirtschaftsgüter bei der B-X "verbraucht" würden, dazu, dass durch die mittelbare Beteiligung der Kl’in an der B-X das Einkommen der Kl’in nicht gemindert werde. Daher führe der Vergleich zum AStG dazu, dass eine weitergehende Berichtigung möglich sei (§ 1 Abs. 1 S. 4 AStG). Für den Vergleich seien dabei die Auswirkungen bei der Kl’in mit einzubeziehen. Denn das Einkommen der A-GmbH werde durch die Organschaft der Kl’in zugerechnet und erst bei ihr besteuert. Daher könnten auch "weitergehende Berichtigungen" erst auf Ebene der Kl’in entstehen. Für die Einbeziehung der Ebene der Kl’in in die Vergleichsbetrachtung spreche auch, dass § 1 Abs. 1 AStG den zutreffenden Inlandsgewinn erfassen solle. Dieser zutreffende Gewinn wäre aber durch die Vereinbarung fremdvergleichskonformer Bedingungen mit der B-X entstanden. Dann wären die entsprechenden Beträge aber von der A-GmbH vereinnahmt worden und hätten sich einkommenserhöhend ausgewirkt. Fazit: Daher sei die Anwendung des § 1 Abs. 1 S. 1 AStG neben der vGA im Streitfall zutreffend.
c) Hinweise für die Beratungspraxis
Die Entscheidung zeigt die Probleme grenzüberschreitender Sachverhalte im Steuerrecht mustergültig auf. Auch wenn das Ergebnis aus Sicht des deutschen Fiskus überzeugen mag, führt es aus Sicht der Kl’in zu dem fragwürdigen Resultat, dass sie Gewinne, die ihr durch den Verbrauch der Wirtschaftsgüter eigentlich gar nicht zukommen, versteuern muss, ohne eine damit korrespondierende sichere Abzugsmöglichkeit im anderen Staat zu haben. Soweit das FG insofern darauf abstellt, eine Doppelbesteuerung sei systembedingt in den Besteuerungshoheiten angelegt, geht es über einen zentralen Einwand der Kl’in knapp hinweg.