Praxisrelevante Rechtsprechung
[Ohne Titel]
Prof. Dr. Burkhard Binnewies, RA/FASt / Dr. Dr. Norbert Mückl, RA/StB/FASt
Insbesondere in der mittelständischen Beratungspraxis stellt das Problem der verdeckten Gewinnausschüttung nach wie vor einen der zentralen Diskussionspunkte in Betriebsprüfungen dar. Vor diesem Hintergrund beleuchtet der Beitrag einige im Jahr 2023 veröffentlichte Urteile aus der Finanzrechtsprechung.
1. Angemessene Verzinsung des Gesellschafterverrechnungskontos
Der BFH hat sich mit der Entscheidung v. 22.2.2023 einmal mehr zur Verzinsung von Gesellschafterdarlehen geäußert. Gewährt die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter ein Darlehen – auch in Form eines Verrechnungskontos – kommt der Ansatz einer vGA insoweit in Betracht, als der Kredit
- zinslos oder
- zu einem unangemessen niedrigen Zins
gewährt wird. Beachten Sie: Davon ist jedenfalls auszugehen, wenn die Gesellschaft für den bei ihr angestellten Gesellschafter ein unangemessen verzinstes Verrechnungskonto führt (vgl. § 42 Abs. 3 GmbHG), welches einen Saldo zugunsten der Gesellschaft ausweist.
Zur Bestimmung des angemessenen Zinses ist vorrangig die Preis-Vergleichs-Methode anzuwenden, weil diese Methode unmittelbar zur Feststellung des Vergleichspreises führt und sie daher als die Grundmethode zur Bestimmung angemessener Verrechnungspreise anzusehen ist. Fremdpreis ist der Zins, zu dem Fremde unter vergleichbaren Bedingungen einen Kredit am Geld- oder Kapitalmarkt gewährt hätten.
Kreditaufnahme durch Gesellschaft selbst: Hat die Gesellschaft selbst einen Kredit aufgenommen und kann davon ausgegangen werden, dass der dem Gesellschafter zinslos überlassene Darlehensbetrag anderenfalls zur Kreditrückzahlung verwendet worden wäre, berechnet sich die für den Ansatz einer vGA erforderliche verhinderte Vermögensmehrung nach den in Rechnung gestellten Sollzinsen.
Hat die Gesellschaft selbst keinen Kredit aufgenommen, bilden
- die banküblichen Habenzinsen die Unter- und
- die banküblichen Sollzinsen die Obergrenze
der verhinderten Vermögensmehrung ( Margenteilungsgrundsatz ).
Schätzung: Der im Einzelfall maßgebliche Betrag innerhalb der genannten Marge ist durch Schätzung zu ermitteln, wobei dem Risiko, dass das Darlehen nicht zurückgezahlt werden kann, besondere Bedeutung zukommt. Der Ansatz der Sollzinsen ist dann nicht gerechtfertigt, wenn die Gesellschaft keine Bankgeschäfte betreibt und deshalb nicht den damit verbundenen Aufwand hat.
Margenteilung bei fehlenden Schätzungsanhaltspunkten: Sind keine anderen Anhaltspunkte für die Schätzung erkennbar, ist es aus Sicht des BFH nicht zu beanstanden, wenn von dem Erfahrungssatz ausgegangen wird, dass sich private Darlehensgeber und -nehmer die bankübliche Marge zwischen Soll- und Habenzinsen teilen. Dies sei auch – im Hinblick auf den Habenzins – bei Null-Zins-Phasen angemessen. Der angemessene Zins liege dann zwischen Null und dem von den Banken verlangten Sollzinssatz.
Auch dem Umstand fehlender Besicherung kommt bei der Fremdvergleichsprüfung nach der Rechtsprechung zum Margenteilungsgrundsatz besondere Bedeutung zu.
Vorzunehmende Differenzierung: Nach Auffassung des BFH ist zwischen
- Konzerndarlehen und
- einer privaten Gelegenheitskreditvergabe durch eine personalistisch strukturierte GmbH an ihren beherrschenden Gesellschafter
zu differenzieren.
Für den zweiten Fall sei am Margenteilungsgrundsatz festzuhalten. Beachten Sie: Dies stehe nicht im Widerspruch zur Entscheidung des BFH v. 18.5.2021. In der Entscheidung vom 18.5.2021 gehe es gerade um einen Konzerndarlehen, bei dem auf den am Markt zu erzielenden Sollzinssatz abgestellt werden könne.
2. Keine vGA bei fehlender Verzinsung einer ausstehenden Stammkapitalerhöhung
a) Sachverhalt
(vgl. Hess. FG v. 6.7.2022 – 4 K 310/20): Eine GmbH beschloss eine Kapitalerhöhung. Die Alleingesellschafterin der GmbH leistete die Einlage in den Streitjahren nicht; die GmbH verbuchte die Kapitalerhöhung unter dem Konto "ausstehende Einlage auf das gezeichnete Kapital (eingefordert)". Die ausstehende Zahlung wurde nicht verzinst.
Betriebsprüfung (BP) und Finanzamt (FA) waren der Ansicht, dass hinsichtlich der Stammkapitalerhöhung eine Verzinsung einkommenserhöhend zu berücksichtigen sei. U.a. für ein Viertel der nicht eingezahlten Stammkapitalerhöhung – die sog. Mindesteinlage gem. §§ 56a, 7 Abs. 2 S. 1 GmbHG – wies die BP Verzugszinsen i.H.v. 11,26 % p.a. gem. § 20 GmbHG i.V.m. § 288 Abs. 2 BGB als vGA aus. Die GmbH beanstandete, dass die Verzinsung sich nach § 246 BGB richten müsse und daher nur 4 % p.a. betragen dürfe.
b) Entscheidung des FG
Das FG gab der Klage insoweit Recht. Auch wenn § 20 GmbHG erwähnt, dass ein Gesellschafter, welcher den auf die Stammeinlage eingeforderten Betrag nicht zur rechten Zeit einzahlt, zur Entrichtung von "Verzugszinsen" von Rechts wegen verpflichtet ist, sind damit