OFD Karlsruhe, Verfügung v. 16.3.2017, S 130.1/669 - St 217
Verständigungsvereinbarung zur Auslegung von Art. 19 DBA-Schweiz
Zur einheitlichen Anwendung und Auslegung des Artikels 19 des deutsch-schweizerischen Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) in der Fassung des Änderungsprotokolls vom 27.10.2010 (BGBl 2011 II S. 1092) haben die zuständigen Behörden, gestützt auf Artikel 26 Abs. 3 DBA, am 21.12.2016 die nachstehende Konsultationsvereinbarung abgeschlossen:
„Konsultationsvereinbarung
zur Auslegung von Artikel 19 des Abkommens zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft
zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern
vom Einkommen und vom Vermögen vom 11.8.1971 (DBA)
Gestützt auf Artikel 26 Absatz 3 des DBA haben die zuständigen Behörden der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft vereinbart:
Zur Beilegung des bestehenden Qualifikationskonfliktes zwischen den Vertragsstaaten bei der Besteuerung von Vergütungen von Vorsorgeeinrichtungen der 2. Säule der schweizerischen Altersvorsorge (Pensionskassen, Stiftungen oder Freizügigkeitskonten) an aktive oder ehemals Bedienstete im Schweizer öffentlichen Dienst gilt bis zur Anwendung einer im Rahmen der laufenden Revisionsverhandlungen angestrebten Änderung des DBA die folgende Vereinbarung:
Danach gelten Vergütungen, einschließlich wiederkehrende oder einmalige Zahlungen von Vorsorgeeinrichtungen der 2. Säule der schweizerischen Altersvorsorge an aktive oder ehemals Bedienstete im Schweizer öffentlichen Dienst als aus einem „Sondervermögen” nach Artikel 19 Absatz 1 des DBA gewährt.
Nach Artikel 19 Absatz 5 des DBA hat der Ansässigkeitsstaat des Empfängers vorrangig das Besteuerungsrecht für vorgenannte Vergütungen, einschließlich Ruhegehälter, wenn der Vergütungsempfänger aktiver oder ehemaliger Grenzgänger nach Artikel 15a des DBA ist. Der Kassenstaat hat den Steuerabzug nach Artikel 15a Absatz 1 des DBA zu beschränken. Hierfür ist der Vorsorgeeinrichtung der 2. Säule vor erstmaligem Zufluss einer wiederkehrenden Leistung eine weitere Ansässigkeitsbescheinigung im Sinne der Randziffer 44 des Einführungsschreibens zur Neuregelung der Grenzgängerbesteuerung (BMF-Schreiben vom 19.9.1994, BStBl 1994 I S. 683) vorzulegen, die analog einem Arbeitgeberwechsel nach Randziffer 7 des Einführungsschreibens zur Neuregelung der Grenzgängerbesteuerung beim örtlichen zuständigen Finanzamt zu beantragen ist. Anstelle des Arbeitgebers ist in der Ansässigkeitsbescheinigung auf die leistende Vorsorgeeinrichtung der 2. Säule hinzuweisen. Bei Kapitalleistungen ist die Grenzgängereigenschaft im dafür vorgesehenen amtlichen Rückerstattungsformular zu bescheinigen.
Lag während der aktiven Tätigkeitsphase vor Leistungsbezug nur teilweise die Grenzgängereigenschaft vor, ist darauf abzustellen, ob der Vergütungsempfänger innerhalb der letzten fünf vorangegangenen Veranlagungszeiträume seiner aktiven Tätigkeit in der Schweiz überwiegend (mindestens 50 Prozent) als Grenzgänger anzusehen war. Zeiträume der Arbeitsfreistellung unter Fortzahlung der Bezüge oder Lohnersatzleistungen sind hierbei nicht zu berücksichtigen. Das zuständige Finanzamt stellt die beantragte Ansässigkeitsbescheinigung im Sinne der Randziffer 44 des Einführungsschreibens zur Neuregelung der Grenzgängerbesteuerung aus, sofern die überwiegende Grenzgängereigenschaft in der relevanten Periode vorgelegen hat. Es bleibt der schweizerischen Steuerverwaltung unbenommen, die Ansässigkeitsbescheinigung zu überprüfen und entsprechende Nachweise zu verlangen.
Diese Vereinbarung ist auf alle offenen Fälle anzuwenden. Die vorstehenden Vorschriften über die Prüfung der überwiegenden Grenzgängereigenschaft gelten nicht, soweit der Vorsorgeeinrichtung der 2. Säule bereits eine Ansässigkeitsbescheinigung nach Randziffer 44 des Einführungsschreibens zur Neuregelung der Grenzgängerbesteuerung vorliegt.”
Die Verständigungsvereinbarung wurde im BStBl 2017 I S. 31 veröffentlicht.
Zur Anwendung der Verständigungsvereinbarung weise ich auf Folgendes hin:
Die vorgenannte Verständigungsvereinbarung gilt für alle Leistungen, die von einer Vorsorgeeinrichtung des öffentlichen Diensts gezahlt werden, sowohl laufende Zahlungen als auch Einmalzahlungen. Es kommt hierbei nicht darauf an, ob der Leistungsempfänger noch aktiv im Berufsleben tätig oder bereits im Ruhestand ist.
Zur Klarstellung der Vereinbarung folgende Beispiele:
Beispiel 1:
A erhält seit Januar 01 eine Pension der Pensionskasse Publica (Pensionskasse des Bundes) und verzieht zum April 01 von der Schweiz nach Deutschland. Während der aktiven Tätigkeitsphase war A im öffentlichen Dienst tätig und hatte ausschließlich in der Schweiz gewohnt.
Lösung:
Nach Art. 19 Abs. 1 DBA-Schweiz hat die Schweiz auch nach Zuzug in Deutschland das Besteuerungsrecht für die Pensionskassenleistungen. In Deutschland sind die Einkünfte unter Anwendung des Progressionsvorbehaltes von der inländischen Besteuerung freizustellen.