OFD Chemnitz, Verfügung v. 11.04.2000, S7333-8/1-St 34
Mit der Neuregelung des Insolvenzrechts zum 01.01.1999 bitte ich hinsichtlich der Umsatzsteuer die nachfolgenden Hinweise zu beachten:
I. Allgemeines
Mit der Einführung der Insolvenzordnung zum 01.01.1999 wurde die innerdeutsche Rechtseinheit auf dem Gebiet des Insolvenzrechts hergestellt. Die Insolvenzordnung unterscheidet zwischen Unternehmens-(Regel-) und Verbraucherinsolvenz. Neu ist die Insolvenzfähigkeit einer GbR (§ 11 Abs. 2 InsO). Nicht insolvenzfähig sind hingegen Bund und Länder sowie juristische Personen des öffentlichen Rechts, wenn das Landesrecht dies bestimmt (§ 12 Abs. 1 InsO).
Das Insolvenzverfahren dient dazu, die Gläubiger gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung getroffen wird (§ 1 InsO).
Ist der Schuldner eine natürliche Person, so besteht für ihn nach Beendigung des Insolvenzverfahrens die Möglichkeit, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien, die nach der Verwertung seines Vermögens zur gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger oder nach dem Erhalt des Unternehmens im Rahmen eines Insolvenzplans verbleiben (§§ 286, 287 InsO). Die Schuldbefreiung wirkt gegen alle Insolvenzgläubiger (§ 301 InsO).
Die Vorschriften über das Verbraucherinsolvenzverfahren (§§ 304 – 314 InsO) sollen das Ziel verwirklichen, das Insolvenzverfahren für Verbraucher und Kleingewerbetreibende weitestgehend zu vereinfachen, um auch diesem Personenkreis den Weg zur Restschuldbefreiung zu bahnen.
Das Insolvenzverfahren ist ein zivilprozessuales Verfahren, dessen Bestimmungen Vorrang vor den Vorschriften des Steuerrechts haben (§ 251 Abs. 2 AO). Das heißt jedoch nicht, dass die insolvenzrechtlichen Bestimmungen die Begründung und Entstehung von Abgabenforderungen regeln; hierfür bleiben die Regelungen des Steuerrechts maßgeblich. Diese wechselseitige Abstimmung des Insolvenz- und Steuerrechts bedingt daher die Kenntnis beider Rechtsgebiete.
II. Unternehmer im Insolvenzverfahren
1. Unternehmer
Der Unternehmer, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren wegen des Vorliegens eines Eröffnungsgrundes
eröffnet wird, verliert seine umsatzsteuerliche Unternehmereigenschaft nicht. Er unterliegt den Verfügungsbeschränkungen, welche für ihn nun kraft Insolvenzordnung gelten. Unerheblich ist, dass in der Insolvenz ab einem bestimmten Zeitpunkt keine laufenden Umsätze mehr stattfinden. Die nachträgliche Vereinnahmung von Entgelten gehört ebenso noch zur Unternehmertätigkeit des Schuldners wie die Veräußerung von Betriebsvermögen nach der Einstellung der eigentlichen Geschäfte des Unternehmens.
Die umsatzsteuerlichen Vorgänge, die der vorläufige Insolvenzverwalter (vgl. Tz. 2) und der Insolvenzverwalter auslösen, bleiben Umsätze des insolventen Unternehmers.
Neben den Umsätzen mit der Insolvenzmasse, die vom Insolvenzverwalter zu verantworten sind, kann der Schuldner durchaus noch Umsätze selbst vornehmen. Gemäß § 36 Abs. 1 InsO gehören Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen oder vom Verwalter freigegeben worden sind, nicht zur Insolvenzmasse. Für die Veräußerung eines derartigen Gegenstandes ist der Insolvenzverwalter nicht zuständig. Dies wäre zum Beispiel dann der Fall, wenn der Verwalter ein zur Insolvenzmasse gehörendes Kraftfahrzeug zur Verwendung oder Verwertung freigibt und der Schuldner damit Umsätze ausführt.
Eine wesentliche Änderung ist hinsichtlich des zur Insolvenzmasse gehörenden Schuldnervermögens erfolgt. Anders als im bisherigen Recht, nach dem das zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens vorhandene Vermögen in die Insolvenzmasse fiel, zählt nunmehr nach § 35 InsO auch der sog. Neuerwerb des Schuldners während des Verfahrens zur Insolvenzmasse. Aus § 35 InsO ist danach abzuleiten, dass der Schuldner Umsätze mit nach der Eröffnung des Verfahrens neu erworbenem Vermögen nicht in eigener Regie ausführen kann. Die Verwertung unterliegt grundsätzlich dem Insolvenzverwalter. Alle Ansprüche aus den neuen Lieferungen und Leistungen des Insolvenzschuldners fallen in die Insolvenzmasse.
Die steuerbaren Leistungen des bisherigen Betriebes durch den Verwalter, die steuerbaren Leistungen des Schuldners im Rahmen einer neuen beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit und die Leistungen, die er mit dem insolvenzfreien Vermögen bewirkt, bilden ein einheitliches Unternehmen i. S. d. § 2 Abs. 1 S. 2 UStG.
2. Vorläufiger Insolvenzverwalter
Bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann ein vorläufiger Insolvenzverwalter – dem Sequester nach altem Recht ähnlich – bestellt werden (§ 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO). Der vorläufige Insolvenzverwalter ist Vermögensverwalter i. S. von § 34 Abs. 3 AO. Die Regelungen nach §§ 56, 58 – 66 InsO gelten für ihn entsprechend. Besitzt er die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Schuldnervermögen, begründet er...