Leitsatz
Der Besuch eines islamischen Mädchenkollegs, der ohne Abschluss endet und keinen unmittelbaren Zugang zu einem Beruf eröffnet, ist keine Berufsausbildung i. S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG, weil dieser nicht auf einen Beruf, sondern auf ein Leben als Frau und Mutter nach dem Islam vorbereitet. Ein Unterricht in verschiedenen Sprachen von wöchentlich insgesamt 6 Stunden ist kein ernsthafter Sprachunterricht, der der Berufsausübung zugeordnet werden kann.
Sachverhalt
Die Tochter der Klägerin wollte nach Vollendung ihres 18. Lebensjahrs über einen Zeitraum von 2 Jahren ein sog. Islamisches Mädchenkolleg besuchen. Bei der Einrichtung handelt es sich um eine private Internatsschule, die gegründet worden ist, um jungen islamischen Mädchen nach Erfüllung ihrer gesetzlichen Schulpflicht ihre Kultur und ihre Religion näherzubringen und sie in den Bereichen Sprache, Kultur und Allgemeinwissen zu stärken, um ihnen ein selbstbewusstes Auftreten in der Gesellschaft zu ermöglichen. Hierfür beanspruchte die Klägerin Kindergeld, da das Kind durch den Schulbesuch für einen Beruf ausgebildet werde (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG). Die Familienkasse (FK) hat den Antrag auf Kindergeld abgelehnt, da die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 EStG für die Zahlung von Kindergeld für ein über 18 Jahre altes Kind nicht erfüllt seien. Der Besuch der Islamschule stelle keine Ausbildung i. S. des EStG dar. Der Anspruch auf Zahlung des Kindergelds ergebe sich auch nicht aus Art. 3 GG. Ihr seien Fälle bekannt, in denen Familien, deren Töchter ebenfalls die Islamschule besuchten, Kindergeld gewährt werde. Art. 3 GG verpflichtet daher die FK, auch ihr Kindergeld für ihre Tochter zu bewilligen.
Entscheidung
Das FG hat entschieden, dass der Besuch des islamischen Mädchenkollegs keine Berufsausbildung i. S. v. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG darstellt, weil er nicht auf einen angestrebten Beruf vorbereitete, sondern auf ein Leben als Frau und Mutter nach dem Islam. Die Kenntnisse und Fähigkeiten, die ein Mädchen benötigt, um in Deutschland ein dem islamischen Glauben entsprechendes Leben zu führen, werden nicht in den deutschen staatlichen Schulen vermittelt. Die religiöse Erziehung und Bildung islamischer Mädchen bleibt vielmehr dem Elternhaus und den islamischen Gemeinschaften überlassen. Unerheblich ist, ob die FK in anderen Fällen den Besuch des Mädchenkollegs als Berufsausbildung i. S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG angesehen und deshalb Kindergeld festgesetzt haben, da es keine Gleichheit im Unrecht gibt.
Hinweis
Das Urteil des FG ist rechtskräftig. Es ist aus Sicht des Verfassers rechtlich nicht zu beanstanden, zeigt aber auch, dass die FK offensichtlich nicht einheitlich verfahren.
Link zur Entscheidung
FG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.02.2013, 2 K 2760/11