Prof. Dr. Franceska Werth
Leitsatz
1. Ein zwischen dem Angehörigen eines freien Berufs und seinem minderjährigen Kind zivilrechtlich wirksam geschlossenes, als stille Gesellschaft bezeichnetes Gesellschaftsverhältnis führt – da es an einem Handelsgewerbe i.S. des § 230 HGB fehlt – zur Entstehung einer Innengesellschaft bürgerlichen Rechts, die einer stillen Gesellschaft einkommensteuerlich gleichsteht.
2. Eine solche Innengesellschaft bürgerlichen Rechts zwischen nahen Angehörigen kann steuerlich auch dann anerkannt werden, wenn die Beteiligung oder die zum Erwerb der Beteiligung aufzuwendenden Mittel dem in die Gesellschaft aufgenommenen Angehörigen unentgeltlich zugewendet worden sind. Voraussetzung ist jedoch, dass die Vereinbarungen einem Fremdvergleich standhalten, d.h. sie müssen zivilrechtlich wirksam sein, inhaltlich dem unter fremden Dritten Üblichen entsprechen und auch wie unter fremden Dritten vollzogen werden.
3. Bei der Prüfung der Frage, ob der geschlossene Vertrag wie zwischen fremden Dritten vollzogen wird, kommt insbesondere der Umsetzung bzw. dem Vollzug der Einlagebestimmungen, den Gewinnbeteiligungsregelungen und der Beachtung der Informations- und Kontrollrechte Bedeutung zu.
Normenkette
§ 4 Abs. 4, § 12 EStG, § 230 HGB, § 1909 BGB
Sachverhalt
Der Kläger betrieb als Zahnarzt eine Einzelpraxis. Die hieraus erzielten Einkünfte ermittelte er in den Streitjahren 2008 bis 2015 durch Einnahmen-Überschussrechnung. Er räumte seinen Kindern A (geboren 1994), B (geboren 1996) und C (geboren 1999) im Jahr 2008 mit notarieller Erklärung jeweils schenkweise eine "stille Beteiligung" i.H.v. 50.000 EUR an seiner Zahnarztpraxis ein. Die Einräumung der stillen Beteiligung erfolgte im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Gegenleistungen waren nicht zu erbringen; jedoch mussten sich die Kinder den Wert der schenkweisen Zuwendung auf ihren Pflichtteil am Nachlass des Klägers anrechnen lassen. Dem Kläger standen nicht nur die gesetzlichen Rückübertragungsansprüche (insbesondere §§ 528ff.BGB) zu; er war auch berechtigt, die schenkweise Einräumung der stillen Beteiligung zu widerrufen, falls der Erwerber ohne seine Zustimmung über seine stille Beteiligung ganz oder zum Teil verfügt, z.B., indem er sie belastet. Weitere Widerrufsrechte bestanden für die Fälle der Insolvenz, der Vollstreckung und des Vorversterbens der Erwerber.
Nach den Gesellschaftsverträgen stand den stillen Gesellschaftern – soweit mit der ärztlichen Schweigepflicht des Klägers vereinbar – ein Kontrollrecht entsprechend § 233 HGB zu. Die Geschäftsführung oblag ausschließlich dem Kläger. Zur Vornahme von Handlungen, die über den gewöhnlichen Betrieb der Praxis hinausgehen, bedurfte der Kläger der Zustimmung der stillen Gesellschafter. Ungewöhnliche Geschäfte mussten die stillen Gesellschafter bei der Gewinnberechnung und der Auseinandersetzung nicht gegen sich gelten lassen. Jeder stille Gesellschafter war mit 10 % am Jahresgewinn beteiligt, höchstens aber mit 15 % der Einlage (= 7.500 EUR). An einem jährlichen Verlust sollte der jeweilige stille Gesellschafter ebenfalls mit 10 %, höchstens aber mit seiner Einlage, beteiligt sein.
Das Vormundschaftsgericht genehmigte die Verträge nach der Anordnung einer Ergänzungspflegschaft.
Im Anschluss einer Außenprüfung kürzte das FA die erklärten Betriebsausgaben der Streitjahre um jeweils 22.500 EUR. Es war der Auffassung, dass die Zahlungen des Klägers an seine Kinder gemäß § 12 Nrn. 1 und 2 EStG als Privataufwendungen anzusehen sind. Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg (FG München, Gerichtsbescheid vom 17.5.2019, 6 K 756/18, Haufe-Index 13488064, EFG 2019, 1372).
Entscheidung
Der BFH hat der Revision des Klägers stattgegeben, die Vorentscheidung aufgehoben und das Verfahren zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).
Hinweis
1. Der BFH hält mit der vorliegenden Entscheidung an seiner großzügigen Linie in Bezug auf die steuerliche Anerkennung der Beteiligung minderjähriger Kinder am Unternehmen der Eltern fest. Danach können Gesellschaftsverträge zwischen nahen Angehörigen auch dann anerkannt werden, wenn die Beteiligung oder die zum Erwerb der Beteiligung aufzuwendenden Mittel dem in die Gesellschaft aufgenommenen Angehörigen unentgeltlich zugewendet werden. Ausreichend ist, dass vom Kapitalkonto des Geschäftsherrn Beträge zur Erfüllung der Einlageverpflichtung des minderjährigen Gesellschafters umgebucht werden und diese während der Dauer der Gesellschaft der Verlustverrechnung unterliegen.
2. Im vorliegenden Fall handelte es sich um die Beteiligung minderjähriger Kinder an der freiberuflichen Praxis eines Elternteils. Da es an einem Handelsgewerbe fehlt, liegt keine stille Gesellschaft i.S.d. § 230 BGB vor, sondern eine Innengesellschaft bürgerlichen Rechts. Auf diese finden die Grundsätze für die Anerkennung einer stillen Gesellschaft entsprechend Anwendung.
3. Die Gründung einer Innengesellschaft mit einem minderjährigen Kind setzt zivilrechtlich voraus, d...