Was insbesondere bei Betriebsaufgaben vor dem 5.11.2011 beachtet werden sollte
[Ohne Titel]
Dipl.-Finw. Karl-Heinz Günther, StB
Hat der Steuerpflichtige seinen Betrieb aufgegeben, dies jedoch gegenüber dem Finanzamt (FA) nicht erklärt und hat das FA die erfolgte Betriebsaufgabe auch nicht erkannt und damit die realisierten stillen Reserven nicht besteuert, ergeben sich häufig Konflikte bei der späteren Veräußerung von (ehemaligen) Betriebsgrundstücken, die durch die Betriebsaufgabe privatisiert wurden, vom FA jedoch weiterhin als zum Betriebsvermögen gehörend angesehen werden. Erfährt das FA nun im Rahmen der bei der Grundstücksveräußerung einsetzenden Sachverhaltsermittlung von der vor Jahren bereits erfolgten Betriebsaufgabe, wird es versuchen, diese nachträglich (z.B. über § 173 AO) zu besteuern. Ob dies noch möglich ist, hängt zum einen von der eventuell bereits eingetretenen Festsetzungsverjährung ab, aber auch davon, wann die Betriebsaufgabe erfolgt ist, da bei einer Betriebsaufgabe nach dem 4.11.2011 die Regularien des § 16 Abs. 3b EStG greifen.
1. Problemstellung
a) Zeitpunkt der Betriebsaufgabe?
Gravierende Umgestaltungsmaßnahmen des Pächters: Gibt der Steuerpflichtige seinen Gewerbebetrieb auf, z.B. indem
- er an einen Pächter verpachtet, der das die wesentliche Betriebsgrundlage bildende Betriebsgrundstück so umgestaltet, dass eine erneute Betriebsaufnahme durch den Verpächter nicht mehr möglich ist oder
- der Pächter die Pachtsache im Laufe der Zeit so umgestaltet, dass der Verpächter seine bisherige betriebliche Tätigkeit nicht ohne großen Aufwand wieder aufnehmen könnte,
stellt sich das Problem des Zeitpunkts der Betriebsaufgabe.
b) Aktion/Reaktion des Finanzamtes
Denn das FA hätte feststellen müssen, dass die Betriebsaufgabe – mangels Vorliegens der Voraussetzungen einer Betriebsverpachtung im Ganzen – bereits mit Abschluss des Pachtvertrages erfolgt ist.
Außerdem muss das FA den Verlauf der Verpachtung überprüfen, um festzustellen, ob aus Veränderungen durch den Pächter in den Folgejahren eine Betriebsaufgabe zwangsweise in Gang gesetzt wird.
Folgen bei Entdeckung der Betriebsaufgabe in rechtsverjährter Zeit: Entdeckt das FA nun aktuell die bereits stattgefundene Betriebsaufgabe und erfolgte dies in rechtsverjährter Zeit, ist hinsichtlich der steuerrechtlichen Folgen zu differenzieren, ob die tatsächliche Betriebsaufgabe
- vor dem 5.11.2011 d.h. inkl. des 4.11.2011 oder
- nach dem 4.11.2011, d.h. ab dem 5.11.2011
stattgefunden hat.
2. Betriebsaufgabe vor dem 5.11.2011
a) Beispiel
Die Problematik sei kurz an einem Beispiel erklärt.
A ist Eigentümer einer in einem Gewerbegebiet liegenden Halle, in dem er seinen Gewerbebetrieb (Großhandel für Werkzeuge) betreibt. Zum 1.1.2002 beendet er diese Tätigkeit und verpachtet das Grundstück an B, verbunden mit der Erlaubnis, das Gebäude für seine Zwecke (Betrieb eines Kinos) umzugestalten und zu erweitern.
Lösung: Werden die Räumlichkeiten eines Großhandelsgeschäftes unter Veräußerung des verbliebenen Warenbestandes und Verschrottung der Einrichtungsgegenstände in einen Kinobetrieb umgebaut, so dass eine Wiederaufnahme des ursprünglichen Betriebes nur unter Durchführung wesentlicher Änderungen möglich wäre, hat dies die Zwangsbetriebsaufgabe zur Folge. Denn hier war mit Beginn der Verpachtung klar, dass der Verpächter seine gewerbliche Tätigkeit nicht ohne wesentliche Änderungen wiederaufnehmen könnte.
A hat seinen Betrieb also zum 1.1.2002 aufgegeben. Da er der Auffassung war, er hätte das Verpächterwahlrecht, erklärte er die Pachteinnahmen weiter als gewerbliche Einkünfte. Das FA veranlagte in den Folgejahren jeweils erklärungsgemäß.
b) Fortführung des Beispiels
Zum 1.5.2021 veräußerte er das verpachtete Grundstück an den Pächter und erklärte ab diesem Zeitpunkt aus diesem Objekt keine Einkünfte mehr.
Lösung: Das FA nahm dies zum Anlass, von einer Zwangsbetriebsaufgabe zum 1.5.2021 auszugehen – und versteuerte aus der Auflösung der stillen Reserven des verpachteten Grundstücks einen entsprechenden Aufgabegewinn.
c) Praktische Relevanz
Seltsamerweise kommen derartige Fallgestaltungen in der Besteuerungspraxis immer wieder vor, obwohl diese Fälle
- als Risikofälle ausgesteuert werden und
- in einigen Bundesländern als Sachgebietsleiter-Vorbehaltsfälle gekennzeichnet sind, d.h. hier gilt das Vier-Augen-Prinzip, weil der Sachgebietsleiter den Fall nach Prüfung freigeben muss.
Vorliegend: nicht erkannte Betriebsaufgabe zum 1.1.2002: Im vorstehenden Fall wurde die zwangsweise Betriebsaufgabe zum 1.1.2002 vom FA nicht erkannt, obwohl
- es aus der Gewinnermittlung ersehen konnte, dass nur noch Pachteinnahm...