Leitsatz
§ 1 Abs. 1a Satz 1 UStG beschränkt sich auf Leistungen, die zwischen dem Übertragenden und dem Übertragungsempfänger erbracht werden. Die Nichtsteuerbarkeit erfasst daher keine Umsätze, die an Dritte ausgeführt werden. Für solche kommt die Anwendung des § 1 Abs. 1a Satz 1 UStG lediglich dann in Betracht, wenn insoweit eine (weitere) Geschäftsveräußerung vorliegt.
Normenkette
§ 1 Abs. 1a, Abs. 1 Nr. 1 UStG, Art. 2 Abs. 1 Buchst. c, Art. 19, Art. 29 EGRL 112/2006 (= MwStSystRL)
Sachverhalt
Der Kläger, ein Zweckverband betrieb für die drei Gebietskörperschaften A, B und C ein Schwimmbad. Aufgrund der Dauerverluste konnte der Betrieb nicht in der bisherigen Form beibehalten werden. Der Kläger erklärte sich bereit, den Betrieb vom Zweckverband zu übernehmen, wofür B und C eine an ihrer Verlustbeteiligung der Vergangenheit orientierte Ausgleichszahlung leisteten, die für einen Zeitraum von zehn Jahren berechnet wurde. Der Kläger war nicht verpflichtet, den Betrieb fortzuführen. Stellte der Kläger aber den Betrieb innerhalb der ersten zehn Jahre ein, hatte er die Ausgleichszahlung anteilig an B und C zurückzuzahlen. Das FA ging von einer steuerpflichtigen Leistungserbringung aus. Demgegenüber gab das FG der Klage statt (Hessisches FG, Urteil vom 9.3.2020, 1 K 1575/18, Haufe-Index 13949068).
Entscheidung
Der BFH hob die Entscheidung des FG auf und wies die Klage ab. Das FG habe zu Unrecht eine Geschäftsveräußerung bejaht.
Hinweis
1. Die Nichtsteuerbarkeit der Geschäftsveräußerung gemäß § 1 Abs. 1a UStG hat für den Unternehmenskauf große Bedeutung. Typischerweise wirkt die Nichtsteuerbarkeit zugunsten des Unternehmensverkäufers (Übergeber) für seinen Übertragungsvorgang an den Unternehmenskäufer (Übernehmer), der durch eine Kaufpreiszahlung vergütet wird.
2. Fraglich ist, ob die Nichtsteuerbarkeit auch atypische Fallgestaltungen erfassen kann, bei denen der Übernehmer eine entgeltliche Leistung an Dritte oder an den Übergeber erbringen kann.
3. Der BFH hatte sich hierzu mit einem Schwimmbad-Zweckverband, dem drei Gebietskörperschaften A, B und C angehörten, zu beschäftigen. Dieser sollte im Hinblick auf die mit dem Badbetrieb verbundenen Dauerverluste aufgelöst werden. Der Zweckverband vereinbarte mit dem Mitglied A, dass dieses den Betrieb des Schwimmbads übernehmen und die hierfür benötigten Wirtschaftsgüter erwerben sollte. Insoweit war eine Geschäftsveräußerung zu bejahen. Zudem vereinbarte A mit den anderen Mitgliedern B und C, dass diese eine auf zehn Jahre berechnete Ausgleichszahlung leisten sollten, die anhand der anteiligen Verlusttragung in der Vergangenheit berechnet worden war.
4. Das FG bejahte insoweit eine von A an B und C erbrachte Leistung, die als Geschäftsveräußerung nichtsteuerbar sei. Während der BFH die Annahme einer entgeltlichen Leistungserbringung nicht beanstandete, sah er die Bejahung der Geschäftsveräußerung als rechtsfehlerhaft an. Zwar sei nach dem Wortlaut des nationalen Rechts die Bejahung einer Geschäftsveräußerung möglich. Der nationale Tatbestand der Geschäftsveräußerung sei aber nach Maßgabe der dem zugrunde liegenden Regelungen des Unionsrechts dergestalt einzuschränken, dass nur Leistungen im Verhältnis zwischen Übergeber und Übernehmer nichtsteuerbar seien. Dies erfasse nicht die Leistungserbringung an Dritte.
5. Auf dieser Grundlage lässt das Urteil des BFH erkennen, dass die Nichtsteuerbarkeit auch für Leistungen des Übernehmers an den Übergeber zu verneinen sein könnten.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 29.8.2024 – V R 41/21