Dipl.-Betriebsw. (FH) Manuela Spreitzer
11.1 Grundsätzliches
Rz. 98
Die Außenprüfung ist ein formalisiertes, den besonderen Bestimmungen der §§ 193 ff. AO unterliegendes Verfahren, das auf eine umfassende und zusammenhängende Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen angelegt ist. Es kann daher unter dem Begriff der Außenprüfung, der demjenigen der Betriebsprüfung entspricht, nicht jede, sondern nur eine besonders qualifizierte Ermittlungshandlung des Finanzamts verstanden werden, die für den Steuerpflichtigen erkennbar darauf gerichtet ist, den für die richtige Anwendung der Steuergesetze wesentlichen Sachverhalt zu ermitteln oder zu überprüfen. Es muss sich um Maßnahmen handeln, die für den Steuerpflichtigen erkennbar sind und geeignet erscheinen, sein Vertrauen in den Ablauf der Verjährungsfrist zu beseitigen.
Rz. 99
Nach diesen Grundsätzen sind auch die Maßnahmen zu beurteilen, die den Beginn der Außenprüfung bewirken sollen. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist mit einer Außenprüfung tatsächlich noch nicht begonnen worden, wenn der Prüfer erscheint und die Prüfungsanordnung übergibt, sondern erst dann, wenn er nach der Übergabe oder Übersendung der Prüfungsanordnung Handlungen zur Ermittlung des Steuerfalls vornimmt. Im Allgemeinen kann davon ausgegangen werden, dass die Handlungen, die der Prüfer am Prüfungsort vornimmt, solche zur Ermittlung des Steuerfalls sind. Als Prüfungshandlungen kommen das informative Gespräch, das Verlangen nach Belegen und Unterlagen oder Auskünften, ggf. von Dritten, in Betracht. Der Prüfer muss ernsthaft mit der Prüfung begonnen haben, auch wenn die Prüfungshandlungen für den Steuerpflichtigen nicht sofort als solche evident sind.
Rz. 100
Die ältere Rechtsprechung des BFH hat es genügen lassen, wenn der Prüfer nach Übergabe der Prüfungsanordnung am Prüfungsort das Aktenstudium aufgenommen hat. Die pauschale Behauptung des Finanzamts, der Prüfer habe sich an der Amtsstelle mit den im Finanzamt bereits vorhandenen Akten befasst, kann jedoch für die Annahme des Beginns einer Außenprüfung nicht genügen. Das Aktenstudium an der Amtsstelle kann den Beginn einer Außenprüfung nur dann darstellen, wenn dessen Gegenstand nachweislich die konkreten Verhältnisse des zu prüfenden Betriebs sind. Bloße Vorbereitungshandlungen, wie die Prüfung, ob der Steuerfall in den Prüfungsplan aufgenommen werden soll, oder die Kontaktaufnahme mit dem Steuerpflichtigen oder dessen Vertreter zur Absprache des Prüfungsbeginns reichen ebenfalls nicht aus.
Rz. 101
Die Ernsthaftigkeit des Prüfungsbeginns wird nicht dadurch infrage gestellt, dass die ersten Prüfungshandlungen nicht zu verwertbaren Ergebnissen geführt haben, an die die weitere Prüfung anknüpfen konnte. Prüfungsergebnisse von einigem Gewicht sind zur Annahme des Beginns einer Außenprüfung und der damit verbundenen Ablaufhemmung nicht erforderlich.
Rz. 102
Eine angeordnete Außenprüfung ist erst in dem Zeitpunkt begonnen worden, wenn der Prüfer ernsthafte Handlungen zur Ermittlung des Sachverhalts eines der in der Prüfungsanordnung bestimmten Steuerjahre aufnimmt. Begonnen wurde mit einer Außenprüfung spätestens dann, wenn der Prüfer den Steuerpflichtigen nach Erlass der Prüfungsanordnung zur Bereitstellung von Unterlagen schriftlich oder mündlich aufgefordert hat und nach seinem Erscheinen bei ihm hierüber ein Gespräch führt.
Rz. 103
Der Beginn der Außenprüfung ist unter Angabe von Datum und Uhrzeit aktenkundig zu machen (§ 198 Satz 2 AO). Dieses Festhalten des offiziellen Prüfungsbeginns liegt vorrangig im Interesse des Steuerpflichtigen, denn bei Verstoß gegen § 198 Satz 2 AO wäre für ihn der günstigste Zeitpunkt zu unterstellen, wenn sich der genaue Termin des Beginns nicht mehr verbindlich feststellen ließe. Es handelt sich dabei um eine verstärkte Beweiskraft in der Form einer behördlichen Beurkundung durch Erstellung einer öffentlichen Urkunde, die er deshalb gewissenhaft vorzunehmen hat. Dieser Vermerk wird Bestandteil der steuerlichen Prüfungsakte und erlangt Beweischarakter für mögliche Auseinandersetzungen hierüber, ggf. auch vor Gericht.
Rz. 104
In einem voraussehbaren Streitfall sollte sich der Prüfer den Beginn seiner Prüfungshandlungen in geeigneter Weise durch den Steuerpflichtigen bestätigen lassen, z. B. durch dessen Gegenzeichnen in der Prüfungsakte neben der diesbezüglichen Zeitangabe. Eine Widerlegung mittels anderer Beweismittel bliebe dem Steuerpflichtigen im Zweifelsfall möglich, wenn hierzu vorher keine genügende Klarheit geschaffen worden war. Eine Beweiserhebung darf nicht mit der Begründung unterbleiben, ihr zu erwartender Ausgang könne das Feststellungsergebnis nicht mehr beeinflussen. Der Steuerpflichtige könnte in einem solchen Fall als erstes Mittel Gegenvorstellungen erheben und verlangen, dass hierüber ein entsprechender Vermerk in die Prüfungsakte aufgenommen wird. Die Feststellungslast für den tatsächlichen Prüfungsbeginn läge dann im Streitfall beim Prüfer bzw. bei der prüfenden Finanzbehörde.
Rz. 105
Der Prüfungsbeginn löst für den St...