Prof. Dr. Michael Worzalla
Zusammenfassung
Die organisatorische Umgestaltung von Unternehmen und Betrieben ist in der Wirtschaft an der Tagesordnung. Zentrale Vorschrift für die Auswirkungen, die eine solche Umgestaltung auf die Arbeitsverhältnisse der betroffenen Arbeitnehmer hat, ist § 613a BGB. Der Betriebsrat muss zwingend beteiligt werden.
1 Die Rechtsstellung des Betriebsrats
Im Hinblick auf die Rechtsstellung des Betriebsrats nach einem Betriebsübergang ist zu unterscheiden, ob der Betrieb seine Identität behält oder sie nach Betriebsübergang verliert.
Bei Fortbestand der Identität des Betriebs tritt der neue Betriebsinhaber auch betriebsverfassungsrechtlich in die Arbeitgeberstellung des alten Inhabers ein. Rechtskräftig festgestellte Verpflichtungen zwischen Betriebsrat und Veräußerer gelten nun auch gegenüber dem Erwerber.
Es ändert sich auch darüber hinaus an der betriebsverfassungsrechtlichen Stellung des Betriebsrats nichts. Der Betriebsrat führt das ihm übertragene Mandat fort. In Rechtsstreitigkeiten tritt der neue Arbeitgeber in die Position des bisherigen Arbeitgebers ein. Auch die Kostentragungspflicht nach § 40 Abs. 1 BetrVG trifft den neuen Arbeitgeber als Inhaber des Betriebs. Bestehende Ansprüche gehen auf den Betriebserwerber über. Der bisherige Betriebsinhaber haftet nicht neben dem neuen Betriebsinhaber gesamtschuldnerisch. Vielmehr müssen die beteiligten Unternehmen ggf. vertraglich die Tragung der Kosten regeln, sollten sie abweichende Rechtsfolgen herbeiführen wollen. Verliert der Betrieb nicht seine Identität, ist somit der Wechsel des Betriebsinhabers für die Rechtsstellung des Betriebsrats ohne Bedeutung. Ein gegenüber dem alten Inhaber eingeleitetes Einigungsstellenverfahren kann z. B. mit dem neuen Inhaber fortgeführt werden. Der Betriebsrat ist auch befugt, ein gegen den alten Inhaber anhängig gemachtes Verfahren vor dem Arbeitsgericht gegen den neuen Inhaber fortzuführen. Das gilt z. B. auch dann, wenn nach einer Betriebsaufspaltung ein gemeinsamer Betrieb i. S. d. § 1 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BetrVG fortgeführt wird.
Fällt die Identität des Betriebs weg – z. B. bei Übergang eines Betriebsteils – gilt Folgendes:
- Wird der Betrieb oder Betriebsteil in einen Betrieb des neuen Inhabers integriert, so übernimmt der dort amtierende Betriebsrat gemäß § 21a Abs. 1 BetrVG die Interessenwahrnehmung für die übergegangenen Arbeitnehmer. Aufgrund der Steigerung der Arbeitnehmerzahl im aufnehmenden Betrieb kann eine Neuwahl gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG erforderlich werden. Gleiches gilt umgekehrt bei entsprechender Reduzierung der Arbeitnehmerzahl im abgebenden Betrieb. Besteht im aufnehmenden Betrieb kein Betriebsrat, so soll ein Übergangsmandat nach § 21a BetrVG für den Betriebsrat des abgebenden Unternehmens bestehen.
- Wird der übergegangene Betriebsteil nicht in die Strukturen des neuen Unternehmens integriert, so führt der bisherige Betriebsrat die Geschäfte auch für den abgespaltenen Betriebsteil im Übergangsmandat gemäß § 21a BetrVG weiter, sofern der abgespaltene Betriebsteil betriebsratsfähig i. S. d. § 1 BetrVG ist. Der Fortbestand der betrieblichen Einheit wird fingiert. Der Betriebsrat hat im abgespaltenen Betriebsteil unverzüglich eine Betriebsratswahl zu initiieren. Das Übergangsmandat endet mit Bekanntgabe des Wahlergebnisses dieser Betriebsratswahl, spätestens 6 Monate nach Spaltung des Betriebs, der dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs in der Regel entspricht.
2 Beteiligung des Betriebsrats bei Betriebsübergang
Im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang sind eine Reihe von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats zu beachten.
Der Betriebsrat ist bei einem Betriebsübergang in verschiedener Hinsicht zu beteiligen. Sowohl beim alten als auch beim neuen Inhaber ist ggf. der Wirtschaftsausschuss nach § 106 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 1, 9 und 10 BetrVG zu informieren.
Werden Kündigungen ausgesprochen, so ist der Betriebsrat nach § 102 BetrVG anzuhören. Dies betrifft den Betriebsrat des Betriebs, in dem die Kündigung ausgesprochen wird.
Der Übergang eines Arbeitsverhältnisses auf einen neuen Inhaber stellt für sich keine mitbestimmungspflichtige Einstellung gemäß § 99 BetrVG dar. Das folgt schon daraus, dass die Arbeitsverhältnisse kraft Gesetzes übergehen. Das gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis übergegangen ist, mit dem Erwerber einen neuen Arbeitsvertrag abschließt. Der Betriebsrat ist nach § 99 BetrVG zu beteiligen, wenn im Zuge des Betriebsübergangs Versetzungen erfolgen. Inwieweit die Übernahme von Arbeitnehmern, die dann an einem anderen Ort beschäftigt werden, ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auslöst, hängt vom Einzelfall ab.
Der Übergang eines Betriebs oder Betriebsteils ist für sich genommen keine Betriebsänderung. Der Betriebsübergang führt somit nicht unmittelbar zur Einleitung eines Interessenausgleichs- oder Sozialplanverfahren...