3.1 Gewünschtes Verhalten beschreiben
Eine Anforderungsanalyse beginnt damit, für eine zu besetzende Stelle zu beschreiben, wie sich eine Person verhalten soll, wenn sie auf dieser Stelle erfolgreich arbeitet.
Ein Kreditorenbuchhalter wird zum Beispiel Eingangsrechnungen sorgfältig prüfen und die Zahlung ordnungsgemäß verbuchen. Ein Vertriebsmitarbeiter im Außendienst wird seine Besuche systematisch vorbereiten und im Gespräch den Kundenbedarf erfassen.
Diese Sammlung von sogenannten Verhaltensankern kann natürlich nicht vollständig alle Tätigkeiten der Stelle umfassen. Die Auswahl sollte nicht zufällig sein. Stattdessen sollte der Fokus auf den Situationen und Verhaltensweisen liegen, die eine Unterscheidung zwischen erfolgreichen Mitarbeitern und weniger erfolgreichen Mitarbeitern ermöglichen. Diese Beschreibung von Verhalten unterscheidet sich von einer bloßen Sammlung der Aufgaben. In letzterer wird nur aufgezählt, was die Person tun soll. Die Verhaltensbeschreibung zielt darauf ab, wie die Person diese Aufgaben erledigt. Diese Methode wird in der Eignungsdiagnostik die "Critical-Incident-Methode" genannt. Gesucht wird nach Situationen ("Incidents"), in denen dieser Unterschied beobachtet werden kann. Dazu ist nach wichtigen Stakeholdern rund um die zu besetzende Stelle zu fragen: Führungspersonen, Kollegen, interne und externe Kunden, weitere Personen, mit denen an dieser Stelle zusammenzuarbeiten ist.
Die genannten Situationen können sich direkt auf die Aufgaben beziehen, die die Person erledigen soll. Häufig werden aber auch Situationen im professionellen Miteinander geschildert, beispielsweise wie Kollegen Informationen intern weitergeben, wie sie sich in Meetings verhalten, wie sie anderen Personen begegnen. Die Arbeitshaltung einer Person kann sich in Verhaltensankern wie Auftreten am Arbeitsplatz, Arbeitsplanung, Umgang mit Misserfolgen etc. ausdrücken. Alle diese Verhaltensanker können in der Wahrnehmung der Stakeholder den Unterschied zwischen erfolgreicher und nicht erfolgreicher Zusammenarbeit ausmachen.
Ein gutes Gehör für die Zwischentöne ist notwendig, um immer wieder konkret nachzufragen, welche Situationen und welche Beobachtungen im Alltag diesen Unterschied ausmachen.
Am Ende erhält man eine Liste mit Situationen und dem möglichen Verhalten in dieser Situation und nennt erfolgreiches (gewünschtes) Verhalten und nicht gewünschtes Verhalten. Man kann auch Abstufungen mit einer Skala (zum Beispiel von "vorbildlich" über "erwartet" und "verbesserungswürdig" zu "nicht akzeptabel") erheben.
3.2 Vom Verhaltensanker zur Anforderung
Wenn eine Reihe von kritischen Situationen und das mögliche Verhalten gesammelt wurde, kann danach gefragt werden, welche Voraussetzungen eine Person mitbringen müsste, um wahrscheinlich das gewünschte Verhalten zu zeigen. Dabei kann auf die oben genannten Verhaltensbedingungen zurückgegriffen werden.
Anforderungen an Umweltfaktoren
Manche Anforderungen sind schon mit dem Blick auf Umweltfaktoren zu erklären. Wer in einem ländlichen Raum lebt, wo die öffentlichen Nahverkehrsverbindungen dünn sind, braucht wahrscheinlich ein Auto, um in Wechselschicht arbeiten zu können. Für eine Teilzeitstelle, deren Verdienst keine großen Sprünge erlaubt, könnte also die Entfernung zum Arbeitsort schon eine Voraussetzung sein. Wer in der Familie in Care-Arbeiten eingebunden ist, wird Schwierigkeiten haben, regelmäßige Reisetätigkeiten wahrzunehmen.
Gerade bei den Umweltfaktoren ist es wichtig, dass die Anforderungen nachvollziehbar beschrieben werden, um spätere Einstellungsentscheidungen auf diese Anforderungen zu stützen und keinen unbewussten Vorurteilen ausgesetzt sind.
Körperliche Anforderungen
Gerade wenn auf eine faire Auswahl geachtet und Körperbehinderungen nicht unzulässig bewertet werden sollen, müssen die körperlichen Anforderungen nachvollziehbar beschrieben werden. Wo genaues Sehen zur Kernaufgabe gehört, kann eine Sehbehinderung zum Problem werden. Aber nur was als Anforderung klar nachvollziehbar ist, kann auch als Auswahlkriterium genutzt werden.
Geistige Anforderungen
Hier ist der Blick auf die gesammelten Verhaltensweisen besonders hilfreich. Für welche der Verhaltensanker ist eine hohe Intelligenz erforderlich oder hilfreich? Bei welchen Tätigkeiten würden hochintelligente Personen eher gelangweilt? Welche Tätigkeiten erfordern hohe Konzentration? Wo ist Kreativität gefragt?
Intelligenz ist allgemein ein sehr guter Prädiktor für beruflichen Erfolg. Darum sind Intelligenztests in anderen Ländern auch sehr verbreitet für Einstellungsverfahren. In Deutschland ist der Einsatz noch verhältnismäßig selten. Doch eine Erwartung "Je höher die Intelligenz, desto besser" wird den meisten differenzierten Anforderungen nicht gerecht.
Emotionale Anforderungen
Emotionale Belastbarkeit und der Umgang mit Emotionen ist in vielen sozialen und medizinischen Berufen notwendig, kann jedoch auch für viele berufliche Herausforderungen wichtig sein. Die gesammelten Verhaltensanker geben Hinweise auf mögliche Anforderungen in emotionaler Hinsicht.
Motivation
Welche Motivation brin...