Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Leitsatz
In vermögensverwaltenden Gesellschaften gehaltener ausländischer Immobilienbesitz ist für Zwecke der Erbschaftsteuer mit dem gemeinen Wert der Objekte sachgerecht zu schätzen.
Sachverhalt
Die Klägerin erbte diversen ausländischen Immobilienbesitz, der in verschiedenen vermögensverwaltenden Gesellschaften im Ausland gehalten wurde. Im Laufe des Verfahrens kam es mehrfach zu Änderungen in der Bewertung, da unterschiedliche Gutachten erstellt wurden und ein Kaufangebot als Nachweis für den gemeinen Wert vorgelegt wurde. Nachdem sich die Parteien auf einen Wert in 2005 geeinigt hatten, wurde der Bescheid später aufgrund eines vorgelegten Kaufangebots geändert, nachfolgend aber erneut (werterhöhend) geändert, da das Finanzamt das Kaufangebot als Scheinangebot einstufte. Anstelle des bisherigen Werts wurde ein von einem der Oberfinanzdirektion angehörigen Gutachter erstelltes Wertgutachten berücksichtigt.
Die Klage richtet sich gegen die Wertfeststellung für die ausländischen Immobilien.
Entscheidung
Die Klage wurde vom Finanzgericht als unbegründet abgewiesen.
Ausländische Immobilien, die in vermögensverwaltenden Gesellschaften gehalten werden, sind mit dem gemeinen Wert nach § 9 BewG zu bewerten. Das die Grundstücke nach dem Vortrag der Klägerin aufgrund der Weisung eines Miterben nur insgesamt "en bloc" verkauft werden sollten, sind persönliche Umstände, die nicht bei der Bewertung zu berücksichtigen sind.
Nachdem die Grundstücke bis zur Verhandlung beim Finanzgericht veräußert worden waren, bewertete das Gericht die Grundstücke ausgehend von den Verkaufserlösen, die auf den Bewertungsstichtag mit den für die jeweiligen Objekte und Lagen vom Gericht beigezogenen Preisindizes angepasst wurden. Das Gericht stellt klar, dass auch diese Schätzungsmethode Unsicherheiten beinhaltet. Gleichzeitig ist es aber davon überzeugt, dass die tatsächlich im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielten Verkaufpreise für die im Streitfall notwendige Schätzung den zweckmäßigsten Ausgangspunkt bilden.
Eine sachgerechte Schätzung des gemeinen Werts kann nicht durch Anwendung des Ertragswertverfahrens erfolgen. Zum einen liegen für ausländische Grundstücke regelmäßig nicht die notwendigen Daten vor. Darüber hinaus bildet das Ertragswertverfahren die nachhaltige Renditeerzielung aus einem Vermietungsobjekt ab und kann daher bei Investitionen mit einem erheblichen "spekulativen Aspekt" nicht zur Anwendung kommen. Im Streitfall ist das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass, auch wenn - entsprechend dem Vortrag der Klägerin - die Objekte ursprünglich ggf. zur Erzielung von Mieteinnahmen erworben wurden, eine renditeorientierte Bewertung von Objekten, die Wertsteigerungen von über 200 % innerhalb weniger Jahre erzielen können, nicht angezeigt ist.
Hinweis
Die Bewertung ausländischen Sachvermögens erfolgt regelmäßig mit dem gemeinen Wert nach § 9 BewG. Nationale Sonderregelungen für die Bewertung werden regelmäßig nicht anwendbar sein, da die notwendigen Ausgangsdaten nicht zur Verfügung stehen.
Um den gemeinen Wert nachzuweisen, sollten im Zweifelsfall zeitnah zum Bewertungsstichtag versucht werden, Verkehrswerte zu ermitteln (Kaufpreissammlung, Gutachten etc.). Da solche Nachweise von der Klägerin ca. 10 Jahre nach dem Erwerb nicht mehr beigebracht werden konnten, musste das Gericht den gemeinen Wert anhand rückgerechneter Verkaufspreise bewerten.
Gegen das Urteil des FG ist Nichtzulasungsbeschwerde beim BFH eingereicht worden.
Link zur Entscheidung
Hessisches FG, Urteil vom 24.05.2013, 1 K 139/09