Leitsatz
1. Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 BewG sind Schulden mit dem Nennwert anzusetzen, wenn nicht besondere Umstände einen höheren oder geringeren Wert begründen. Der Umstand der Vermögenslosigkeit des Schuldners rechtfertigt es im Allgemeinen nicht, die Schulden nicht oder nur mit einem geringeren Wert anzusetzen.
2. Die Schulden sind unabhängig davon abzuziehen, da sie uneinbringlichen und damit nach § 12 Abs. 2 BewG nicht anzusetzenden Forderungen der Gläubiger entsprechen. § 12 Abs. 2 BewG gilt ausdrücklich nur für Forderungen, nicht jedoch für die entsprechenden Schulden.
Normenkette
§ 12 Abs. 1 BewG
Sachverhalt
Die Kläger werden als Eheleute zusammen zur Vermögensteuer veranlagt. Das FA berücksichtigte lediglich das insgesamt positive Vermögen des Ehemanns, nicht jedoch die Schulden, die der vermögenslosen Ehefrau nach Abschluss des Konkurses einer OHG, an der sie beteiligt war, verblieben. Mehrere Gläubiger der OHG hatten die Ehefrau nach dem Konkurs als Gesellschafterin in Anspruch genommen und waren z.T. vom Ehemann befriedigt worden. Z.T. hatte er mit ihnen eine vergleichsweise Regelung getroffen.
Daher verlangten die Kläger, die Schulden der Ehefrau in der Höhe zu berücksichtigen, wie sie nach dem Konkurs an den jeweiligen Stichtagen gegen die Ehefrau geltend gemacht worden waren oder geltend gemacht zu werden drohten. Das FG gab der Klage statt; die Revision des FA wurde zurückgewiesen.
Entscheidung
Soweit die Ehefrau für die Schulden der OHG haftet und tatsächlich in Anspruch genommen wurde oder mit einer Inanspruchnahme rechnen musste, stellen die Schulden für sie eine wirtschaftliche Belastung dar. Insoweit sind sie gem. § 12 Abs. 1 BewG mit dem Nennwert anzusetzen und liegen besondere Umstände, die einen geringeren Wert begründen, nicht vor. Die Vermögenslosigkeit der Ehefrau stellt insoweit keinen derartigen Umstand dar. Vielmehr spricht insoweit die Tatsache, dass die Gläubiger Forderungen gegen die Ehefrau geltend gemacht haben und die Ehefrau mit Hilfe des Ehemanns Schulden zurückgezahlt bzw. im Vergleichsweg zum Erlöschen gebracht hat, gegen die Annahme, die Gläubiger hätten sich mit der Vermögenslosigkeit der Ehefrau abgefunden.
Hinweis
Gem. dem fortgeltenden § 12 Abs. 1 BewG, dem insbesondere für die Erbschaftsteuer noch Bedeutung zukommt, sind Schulden, die zivil- oder öffentlich-rechtlich bereits entstanden und noch nicht erloschen sind und für den Steuerpflichtigen eine wirtschaftliche Belastung darstellen, grundsätzlich mit dem Nennwert zu bewerten. An einer wirtschaftlichen Belastung fehlt es, wenn bei objektiver Würdigung der Verhältnisse angenommen werden kann, dass der Gläubiger seine Forderung nicht mehr geltend machen wird (vgl. dazu BFH, Urteil vom 24.3.1999, II R 34/97, BFH/NV 1999, 1339).
Der Abzug einer Schuld ist unabhängig davon, ob sie aus der Sicht des Gläubigers uneinbringlich ist und daher eine Forderung bei ihm gem. § 12 Abs. 2 BewG nicht angesetzt zu werden braucht. Forderungen und Schulden müssen sich bei Ansatz und Bewertung nicht decken.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 26.02.2003, II R 19/01