Prof. Dr. Andreas Herlinghaus
Leitsatz
1. Lebensmittelmärkte sind der Gebäudeklasse 4 "Warenhäuser" der Anlage 15 zu Abschn. 38 BewRGr zuzurechnen.
2. Eine von der Gebäudeklasseneinteilung der BewRGr abweichende Bewertung ist nur möglich, wenn der nach dieser Einteilung maßgebliche Durchschnittswert für den gemeinen Wert des Gebäudes bedeutsame Eigenschaften, z.B. hinsichtlich Bauart, Bauweise, Konstruktion sowie Objektgröße, nicht ausreichend berücksichtigt und um mindestens 100 % höher als die durchschnittlichen tatsächlichen Herstellungskosten vergleichbarer Bauwerke ist.
3. Die Vorschriften über die Einheitsbewertung des Grundvermögens sind trotz der verfassungsrechtlichen Zweifel, die sich aus den lange zurückliegenden Hauptfeststellungszeitpunkten des 01.01.1964 bzw. – im Beitrittsgebiet – des 01.01.1935 und darauf beruhenden Wertverzerrungen ergeben, jedenfalls für Stichtage bis zum 01.01.2007 noch verfassungsgemäß.
Normenkette
Art. 3 Abs. 1 GG, § 9 Abs. 2, § 21 Abs. 1, § 22, § 23, § 27, § 83, § 85, § 86, § 92, § 129 BewG, § 10 Abs. 2 GrStG, § 15 UStG, Abschn. 38 Anl. 15, Abschn. 16 Abs. 7 BewRGr
Sachverhalt
Die Klägerin, eine Einzelhandelsdiscounterin, errichtete im Jahr 2004 im Erbbaurecht einen Lebensmittelmarkt. Beim Erlöschen des auf 40 Jahre befristeten Erbbaurechts erhält sie eine Entschädigung i.H.v. 50 % des dann bestehenden Verkehrswerts des Bauwerks. Bei dem Lebensmittelmarkt handelt es sich um ein eingeschossiges, nicht unterkellertes Gebäude in Massivbauweise mit einer abgehängten Decke mit Wärmedämmung und einem umbauten Raum von 6 235 cbm bei einem Ansatz des nicht ausgebauten Dachraums mit einem Drittel seines Volumens. Das Gebäude besteht aus dem Verkaufsraum mit der Kassenzone und dem Eingangsbereich (insgesamt 969 qm), dem 47 qm großen Backshop eines Fremdanbieters, einem Lagerraum mit 272 qm, dem 35 qm umfassenden Anlieferungsbereich mit separater Rampenanlage sowie insgesamt 40 qm großen Akten-, Sozial- und sonstigen Nebenräumen. Diese Räume sind abgesehen von dem 3,60 m hohen Anlieferungsbereich 3,21 m hoch. Der Ein- und Ausgang für die Kunden und der Lagerbereich verfügen über automatische Türen. An der südlichen Stirnseite ist Isolierverglasung mit Außenjalousien angebracht. Durch die Heizungsanlage können im Verkaufsraum unterschiedliche Temperaturzonen geschaffen werden. Der Ladenbereich wird über eine Belüftungsanlage mit Frischluft versorgt.
Das FA stellte in der Einspruchsentscheidung den Einheitswert für das Erbbaurecht auf den 01.01.2005 auf 388 326 EUR (759 500 DM) fest. Das FA legte der Ermittlung des Gebäudewerts (654 675 DM) einen Normalherstellungswert von 105 DM je cbm umbauten Raums zugrunde und führte zur Begründung aus, bei dem Gebäude handle es sich um ein Warenhaus mit mittlerer Ausstattung – oberste Grenze – i.S.d. Gebäudeklasse Nr. 4.2 der Anlage 15 zu Abschn. 38 BewRGr und nicht um eine Markt- oder Messehalle i.S.d. Nr. 9.21 der Anlage 15. Bei der Aufteilung des Gesamtwerts des Grundstücks auf das Erbbaurecht einerseits und das belastete Grundstück andererseits nahm das FA an, der Klägerin stehe bei Erlöschen des Erbbaurechts eine Entschädigung von 75 % des Verkehrswerts zu.
Mit der Klage beantragte die Klägerin, der Feststellung des Einheitswerts für das Erbbaurecht einen Gebäudewert i.H.v. 386 570 DM (62 DM je cbm umbauten Raums) zugrunde zu legen. Das Gebäude sei zwar zu Recht im Sachwertverfahren bewertet worden, könne aber wegen seines hallenartigen Charakters, seiner schlichten, nicht zum Verweilen bei angenehmer Atmosphäre einladenden Gestaltung und der tatsächlichen Wertrelationen nicht der Gebäudeklasse "Warenhäuser" zugeordnet werden. Die Herstellungskosten einschließlich Nebenkosten und USt für das zu bewertende Gebäude sowie weitere 34 von ihr in den Jahren 2005 bis 2007 errichtete Selbstbedienungsmärkte hätten umgerechnet auf den 01.01.1964 durchschnittlich 61,28 DM je cbm umbauten Raums betragen.
Das FG (FG Düsseldorf vom 14.08.2008, 11 K 900/06 BG, Haufe-Index 2099968, EFG 2009, 161) gab der Klage insoweit statt, als es das FA verpflichtete, der Feststellung des Einheitswerts des Erbbaurechts bei der Ermittlung des Gebäudewerts einen Raummeterpreis von 68 DM zugrunde zu legen und die vertragliche Entschädigungspflicht für aufstehende Gebäude bei Ablauf des Erbbaurechts i.H.v. 50 % des Verkehrswerts zu berücksichtigen.
Während des Revisionsverfahrens setzte das FA durch Änderungsbescheid den Einheitswert für das Erbbaurecht auf den 01.01.2005 im Hinblick auf den der Klägerin bei Erlöschen des Erbbaurechts zustehenden Entschädigungsanspruch von lediglich 50 % des dann bestehenden Verkehrswerts des Gebäudes auf 380 094 EUR (743 400 DM) herab und erhöhte zugleich den Einheitswert des belasteten Grundstücks von bisher 30 500 DM auf 46 700 DM. Den Einheitswert für das Erbbaurecht berechnete es unverändert mit der Wertzahl 85 %.
Entscheidung
Der BFH bestätigt jetzt im Ergebnis aus den in den Praxis-Hinweisen genannten Gründen die Rechtsauffassung des FG. Die Revisionen der Klägerin ware...