Leitsatz
1. Der Wert eines erbbaurechtsbelasteten bebauten Grundstücks bestimmt sich für Zwecke der Schenkungsteuer für 2008 durch Abzug von 80 % des im Ertragswertverfahren nach § 146 Abs. 2 bis 5 BewG ermittelten Gebäudewerts von dem Gesamtwert des unbelasteten Grundstücks, selbst wenn als Gesamtwert der Mindestwert i.S.d. § 146 Abs. 6 i.V.m. § 145 Abs. 3 BewG anzusetzen ist.
2. Der Grundstückswert kann nicht mit 20 % des Mindestwerts berechnet werden.
Normenkette
§ 146 Abs. 2 bis 6, § 139, § 145 Abs. 3, § 148 BewG
Sachverhalt
Die Klägerin erhielt 2008 durch Schenkung ein mit einem Erbbaurecht belastetes bebautes Grundstück. Bei der Ermittlung des Grundstückswerts zog das FA vom Gesamtwert (Mindestwert) den Ertragswert des Gebäudes ab. Die Klägerin wandte sich gegen diese Betrachtung: Die Ermittlung des Werts eines erbbaurechtsbelasteten Grundstücks müsse vielmehr, wenn der Mindestwert des Grundstücks als Gesamtwert anzusetzen sei, allein auf der Grundlage des Mindestwerts erfolgen. Die durch das FA vorgenommene gespaltene Berechnung stelle eine verfassungswidrige Überbewertung mit enteignendem Charakter dar. Die Vorinstanz (FG Münster, Urteil vom 25.4.2013, 3 K 2939/10 F, Haufe-Index 4937408, EFG 2013, 1474) ist dem nicht gefolgt.
Entscheidung
Auch der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen. Der Gebäudewert betrage 80 % des nach § 146 Abs. 2 bis 5 BewG ermittelten Werts; der verbleibende Teil des Gesamtwerts entspreche dem Wert des Grund und Bodens. "Gesamtwert" i.S.d. § 148 Abs. 1 BewG könne auch der Mindestwert nach § 146 Abs. 6 BewG sein.
Die Berücksichtigung des Gebäudewerts mit 80 % des Ertragswerts folge aus dem Wortlaut des Gesetzes. Anhaltspunkte für ein redaktionelles Versehen des Gesetzgebers lägen nicht vor. Vielmehr komme in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck, dass der nach § 146 Abs. 2 bis 5 BewG ermittelte Gebäudeertragswert auch in Fällen des Ansatzes des Mindestwerts gelten soll.
Im Übrigen sei der Gebäudewert vom Gesamtwert abzuziehen. Denn der Aufteilungsmethode sei zu entnehmen, dass die Werte der wirtschaftlichen Einheiten des belasteten Grundstücks und des Erbbaurechts zusammen dem Gesamtwert, also dem Wert eines unbelasteten bebauten Grundstücks entsprechen sollten.
Eine Abhilfe hätte nur der Gesetzgeber durch ausdrückliche Einbeziehung des Mindestwerts als Berechnungsgröße in § 148 Abs. 4 BewG schaffen können.
Schließlich verletze die so vorgenommene Bewertung des Grundstücks nicht das Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG. Das gelte auch, wenn die Erbbauzinsen nicht ausreichen sollten, um die Schenkungsteuer für den Erwerb des erbbaurechtsbelasteten Grundstücks zu finanzieren. Denn die Erbschaftsteuer sei nicht auf die Erträge des zugewendeten Vermögensgegenstands begrenzt.
Das Übermaßverbot der Besteuerung sei erst verletzt, wenn die Folgen einer Belastung extrem über das normale Maß hinausgingen, das einer Schematisierung zugrunde liege. Bewertungsdifferenzen seien als Folge der typisierenden Bewertungsmethode und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es sich um Wertschätzungen handelt, die stets mit Ungenauigkeiten verbunden sind, grundsätzlich hinzunehmen.
Im Übrigen habe es der Klägerin freigestanden, gemäß § 138 Abs. 4 BewG den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts des erbbaurechtsbelasteten Grundstücks zu erbringen. Das FG habe durch die Nichteinholung eines Gutachtens zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts nicht seine Sachaufklärungspflicht verletzt. Der Steuerpflichtige selbst müsse ein solches Gutachten einholen und vorlegen. Ihm obliege die Nachweislast für einen niedrigeren gemeinen Wert einer wirtschaftlichen Einheit.
Hinweis
Die Geschichte der Regeln zur Bewertung von Erbbaurechten und den belasteten Grundstücken ist durchaus wechselvoll. Bis einschließlich 2006 galt in § 148 BewG eine streng typisierende Bewertung des Erbbaurechts mit starrem Vervielfältigter von 18,6 (x Erbbauzins p.a.) ohne Rücksicht auf die Restlaufzeit. Für die Jahre 2007 bis 2008 – und damit für die Schenkungsteuer des Streitjahres – hat der Gesetzgeber in § 148 BewG eine Übergangsregelung gefunden, die noch immer typisiert, aber schon der Restlaufzeit des Erbbaurechts Rechnung trägt. Ab 2009 orientiert sich die ausdifferenzierte Regelung in §§ 192 ff. BewG an der Ermittlung der Verkehrswerte i.S.d. Baugesetzbuches (vgl. Schnitter, in Wilms/Jochum, ErbStG, § 193 und § 194 BewG, jeweils Rz. 2). Die Vorschriften der Wertermittlungsrichtlinien 2006 (WertR 2006 i.d.F. der Bekanntmachung vom 1.3.2006, BAnz. Nr. 108a, ber. Nr. 121 – Nr. 4.3) und ab dem 1.7.2010 – soweit einschlägig – der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV vom 19.5.2010, BGBl I 2010, 639) können damit zur Auslegung der Bewertungsregeln in § 193 BewG für die Bewertung des Erbbaurechts und in § 194 BewG für das Erbbaugrundstück herangezogen werden. In der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 16/11107 vom 26.11.2008 S. 20 ff.) sind die neuen Bewertungssysteme instruktiv dargestellt.
Die im Streitjahr...