Prof. Dr. Joachim S. Tanski
2.1 Grundsatz der Einzelbewertung
Rz. 1b
Durch § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB ist der Grundsatz der Einzelbewertung für alle Vermögensgegenstände und Schulden verankert; damit gilt dieser Grundsatz ordnungsmäßiger Buchführung grundsätzlich für alle im Anlage- und Umlaufvermögen auszuweisenden Vermögensgegenstände sowie für alle Schulden. Dieser Bewertungsgrundsatz ergibt sich darüber hinaus bereits auch aus § 240 Abs. 1 HGB.
Rz. 2
Dieser Grundsatz der Einzelbewertung soll insbesondere die Saldierung unterschiedlicher Wertansätze auch dann verhindern, wenn in einer Gruppe gleicher Vermögensgegenstände den einzelnen Vermögensgegenständen stark divergierende Werte zuzurechnen sind. Werterhöhungen und Wertminderungen müssen deshalb grundsätzlich einzeln festgestellt und dem jeweiligen Vermögensgegenstand/Wirtschaftsgut zugeordnet werden.
Rz. 3
Voraussetzung für die Einhaltung des Grundsatzes der Einzelbewertung ist die – sinnvolle und wirtschaftliche – Möglichkeit, jeden einzeln zu bewertenden Vermögensgegenstand zu identifizieren. Aus einer Gruppe von Gegenständen müssen sich deshalb für jeden einzelnen Gegenstand die Anschaffungs- oder Herstellungskosten und der Wert zum Bilanzstichtag eindeutig zuordnen lassen können.
Rz. 4
Dieses Identitätsprinzip wird regelmäßig über eine, den Vermögensgegenstand identifizierende, Kennung erreicht. Nachfolgend seien einige typische Beispiele aufgeführt:
Gegenstand |
Kennung |
Motoren |
Motornummer |
Fahrzeuge |
Fahrgestellnummer |
Wertpapiere |
Wertpapiernummer |
Bauteile |
Seriennummer |
Lebensmittel |
Chargennummer |
Antiquitäten |
Beschreibung, Expertisen |
Rz. 5
In den meisten Fällen wird eine Nummerierung ausreichend sein, die sich auch auf kleinere Zusammenfassungen von einzelnen Vermögensgegenständen beziehen kann, wie dies der Fall ist, wenn Gegenstände in Kartons, Kisten oder anderen Behältern verpackt sind und sie nicht einzeln, sondern kartonweise erworben werden, diese Umhüllungen nummeriert sind und sämtliche Gegenstände in einer Umhüllung regelmäßig zusammen aus einem Lager entnommen – und damit aufwandswirksam – werden.
Rz. 6
Die Ausnahmeregelung des § 252 Abs. 2 HGB führt zu keiner generell begründbaren Aufhebung des Einzelbewertungsgrundsatzes. Ein solcher Ausnahmefall liegt vor, wenn eine objektive Ermittlung des einzelnen Bewertungsobjektes unmöglich, unzumutbar oder unwirtschaftlich ist.
Dies sind beispielsweise jene Fälle , in denen nicht direkt zurechenbare Wertteile (z. B. anteilige Anschaffungsnebenkosten bei Bezug unterschiedlicher Güter, pauschale Wertabschläge auf bestimmte Vorratsgüter) einer Gütergesamtheit zugerechnet werden.
2.2 Saldierungsverbot
Rz. 6a
Vermögensgegenstände und Schulden oder Erträge und Aufwendungen dürfen nicht saldiert (verrechnet) werden, sondern müssen stets getrennt ausgewiesen werden (§ 246 Abs. 2 HGB). Auch dieses Saldierungsverbot (im Gesetz als Verrechnungsverbot bezeichnet) soll eine Verschleierung der Vermögens- und Ertragslage verhindern und ergänzt den Einzelbewertungsgrundsatz, da eine Saldierung stets auch ein Verstoß gegen die Einzelbewertung ist.
Dass das Saldierungsverbot als Aufstellungsgrundsatz vor dem als Bewertungsregel angelegten Einzelbewertungsgrundsatz steht, ist ohne – praktische – Relevanz. Tatsächlich ist aber der Einzelbewertungsgrundsatz die weitergehende Norm. Insoweit stellt das Saldierungsverbot lediglich klar, dass es keine durch Verrechnung entstehenden Posten geben darf, die dann ggf. einzeln bewertet werden würden.
Eine zwingende Ausnahme vom Saldierungsverbot wurde 2009 durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) eingefügt. Gem. § 246 Abs. 2 Satz 2 HGB müssen bestimmte Vermögensgegenstände und Schulden im Zusammenhang mit der Alterversorgung saldiert werden.
2.3 Einschränkung durch den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit
Rz. 7
Insbesondere für die im Umlaufvermögen zu erfassenden Gütermengen bedeutet der Grundsatz der Einzelbewertung eine extrem arbeitsaufwendige Einzelidentifikation und -bewertung aller Vermögensgegenstände. Es stellt sich daher die Frage, ob die Ansprüche an die "Richtigkeit", "Klarheit" und "Vollständigkeit" des Jahresabschlusses eine absolute Geltung des Einzelbewertungsprinzips verlangen.
Rz. 8
Als ein Rahmengrundsatz der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung wurde der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit postuliert. Dieser Grundsatz fordert, dass auch für das Rechnungswesen und die aus diesem – insbesondere aus dem Jahresabschluss – zu gewinnenden Informationen dem Wirtschaftlichkeitsprinzip unterliegen müssen. Bei wachsenden Ansprüchen an das Rechnungswesen "wachsen die Kosten für die Erstellung des Jahresabschlusses von einem bestimmten Punkt an stärker als der Informationsertrag, so daß der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit verletzt würde".
Im Gegensatz zu den IFRS kennt das HGB keinen normierten Wirtschaftlichkeitsgrundsatz....