Entscheidungsstichwort (Thema)
Kraftfahrzeugbesteuerung des Haltens von ,,Berlin"-Anhängern
Leitsatz (NV)
1. Liegen die Voraussetzungen für eine KraftSt-Befreiung eines in Berlin (West) zugelassenen Anhängers nach dem derzeitigen - rechtsgültigen - Berliner Landesrecht nicht vor, so ist das Berliner FA für die Besteuerung zuständig, auch wenn der Anhänger außerhalb Berlins hätte zugelassen werden können.
2. Das ,,Halten" eines einheimischen Fahrzeugs bleibt auch bei dessen Verwendung außerhalb des Geltungsbereichs des KraftStG kraftfahrzeugsteuerbar.
3. Zur (besatzungsrechtlichen) Vorlagepflicht Berliner Gerichte an alliierte Behörden.
4. Bekanntgabe des KraftSt-Bescheides eines Berliner FA an Empfänger im Bundesgebiet außerhalb von Berlin (West).
Normenkette
DVO 1978 KraftStÄndG Bln § 1 Abs. 1 Nr. 2; DVO 1978 KraftStÄndG Bln § 1 Abs. 3; DVO 1978 KraftStÄndG Bln § 2; KraftStG 1979 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 1; KraftStDV 1979 § 1 Abs. 1 Nr. 1; G Nr. 7 der All. Kommandatura Berlin Art. 2, 2c, 3 Abs. 2; AO 1977 § 122 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 124 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Für die Antragstellerin, die in Berlin (West) eine Zweigniederlassung unterhält, war dort in der Zeit vom 16. Juli 1982 bis 19. Juli 1985 ein Anhänger zum Verkehr zugelassen, dessen Halten vom Finanzamt (FA) nach der Verordnung vom 8. Februar 1978 zur Durchführung des Gesetzes zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes vom 3. August 1950 (Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin - GVBl Bln - 1978, 745) - DVO 1978 -) von der Besteuerung ausgenommen war. Später stellte das FA anhand des Kontrollbuches fest, daß der Anhänger nicht an mehr als der Hälfte der Tage eines Erhebungszeitraums in Berlin verblieben bzw. im Berlin-Verkehr eingesetzt war, und setzte für die Dauer der Berlin-Zulassung Kraftfahrzeugsteuer fest. Hiergegen hat die Antragstellerin Einspruch eingelegt und Aussetzung der Vollziehung beantragt. Sie hält den Steuerbescheid nicht für ordnungsgemäß zugestellt, da er nicht in K - Sitz der Antragstellerin -, sondern in Berlin zuzustellen gewesen sei, und meint, die Steuerfestsetzung sei rechtswidrig, vor allem wegen Verstoßes gegen Besatzungsrecht. Das Finanzgericht - FG - wies den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zurück. Es führte aus, durch die DVO 1978 und ihre Anwendung würden alliierte Belange nicht berührt, auch enthalte die DVO 1978 keine über Berlin (West) hinauswirkende Regelungen. Der angefochtene Bescheid sei ordnungsgemäß, im Geltungsbereich der Abgabenordnung - AO 1977 -, bekanntgegeben worden. Bei summarischer Beurteilung beständen keine ernstlichen Zweifel daran, daß das Erfordernis der Steuerbefreiung nach der DVO 1978 - überwiegender Einsatz in Berlin oder im Berlin-Verkehr - nicht erfüllt sei.
Mit der Beschwerde trägt die Antragstellerin vor: Der Steuerbescheid sei formell unwirksam, weil er nicht an den richtigen Adressaten an dessen richtige Adresse gerichtet worden sei. Nur die Berliner Betriebstätte hätte Adressat des Bescheids sein dürfen, denn nur ihr sei für einen ihr zugeordneten Anhänger Steuerbefreiung bewilligt gewesen. Der Bescheid sei auch nicht im Geltungsbereich der in Berlin als Landesgesetz geltenden AO 1977 bekanntgegeben worden. Berliner Kraftfahrzeugsteuerrecht sei in Bayern nicht wirksam. Nach den einschlägigen Vorschriften der Alliierten hätte das Verfahren ausgesetzt und die zuständige Besatzungsbehörde befaßt werden müssen, es sei denn, es würde - richtig - die Berliner Steuerhoheit mangels Standorts des Anhängers in Berlin verneint, dann mit der Folge der ausschließlichen Besteuerungszuständigkeit des Sitz-Finanzamts (in K). In die Steuerhoheit eines anderen Bundeslandes dürfe nicht eingegriffen werden. Das Anknüpfungsmerkmal ,,Verkehr von und nach Berlin" sei, da es sich überwiegend ,,außerhalb der Bundesrepublik Deutschland und der Westsektoren Groß-Berlins" vollziehe, kraftfahrzeugsteuerrechtlich irrelevant. Die DVO 1978 verstoße gegen die Verfassung von Berlin und unterliege der Aufhebung durch die Besatzungsmacht; sie lasse keinen Steueranspruch in Berlin entstehen. Im übrigen dürfe bei der Prüfung der ,,Berlin-Verwendung" nicht vom Gesamtjahreszeitraum ausgegangen werden. Allein auf die Auswertung der Kontrollbücher könne nicht abgestellt werden. Wenn aber schon die Zugehörigkeit des Anhängers zur Berliner Betriebstätte verneint werde, so ergebe sich zwingend die Zuordnung zu einer Betriebstätte in Westdeutschland, denn dann werde das Fahrzeug dort gehalten.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist zulässig (vgl. Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs), obgleich der Zulassungsgrund - die grundsätzliche Bedeutung - nicht die Auslegung von § 69 der Finanzgerichtsordnung - FGO -, sondern eine Rechtsfrage betrifft, derentwegen Zweifel an der Rechtsmäßigkeit des angefochtenen Bescheides geltend gemacht werden (Bundesfinanzhof - BFH -, Beschluß vom 28. November 1977 GrS 4/77, BFHE 124, 130, BStBl II 1978, 229). Sie ist aber nicht begründet, denn das FG hat befugtermaßen und richtig entschieden, daß keine die begehrte Aussetzung der Vollziehung rechtfertigenden Zweifel (§ 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO) vorliegen. Solche Zweifel bestehen weder in formeller Hinsicht - Wirksamkeit des angefochtenen Bescheids - noch im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung.
1. Die Wirksamkeit des Bescheides kann mit den Erwägungen der Beschwerde nicht ernstlich in Frage gestellt werden. Der Bescheid war bestimmt für die Antragstellerin, die als Schuldner der Kraftfahrzeugsteuer (§ 43 AO 1977, § 7 Nr. 1 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes - KraftStG - 1979) in Anspruch genommen wird. Die Betriebstätte in Berlin ist kein Steuerrechtssubjekt; die für die Steuerbefreiung erforderliche Zugehöhrigkeit des Anhängers zum Anlagevermögen einer Berliner Betriebstätte (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 DVO 1978) rechtfertigt keine andere Betrachtung, denn insoweit handelt es sich nur um eine Voraussetzung der einer Steuerrechtsperson, dem Halter im kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Sinne, gewährten Steuerbefreiung. Der Bescheid ist der Antragstellerin unter deren Firma und Anschrift - Sitz in K - bekanntgegeben worden und damit wirksam geworden (§ 122 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AO 1977 in der vor dem 1. Januar 1987 geltenden Fassung; § 124 Abs. 1 AO 1977). Übermittelt worden ist der Bescheid im Geltungsbereich der AO 1977, die einheitlich im Lande Berlin und im übrigen Bundesgebiet gilt (vgl. auch § 414 AO 1977), unabhängig von der Frage, ob sie durch die Übernahme in Berlin ihre Qualität als Bundesrecht behalten hat oder nicht (vgl. zur Rechtsnatur der in Berlin übernommenen Bundesgesetze einerseits Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluß vom 20. Januar 1966 1 BvR 140/62, BVerfGE 19, 377, 388, andererseits Verlautbarung der Alliierten Kommandatura Berlin vom 24. Mai 1967 BK / L (67) 10, mitgeteilt in Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1967, 1742). Auch im übrigen ist es selbstverständlich, daß Verwaltungsakte von Behörden eines Bundeslandes an Empfänger in einem anderen Bundesland gerichtet werden und damit wirksam werden können. Dies ergibt sich aus der Bundesstaatlichen Ordnung und findet Ausdruck in Vorschriften wie § 122 Abs. 2 AO 1977 (jetzt § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977), die die Zulässigkeit der Bekanntgabe von Verwaltungsakten einer Landesbehörde in einem anderen Bundesland ohne weiteres voraussetzen.
2. Die Beschwerde will mit dem Hinweis auf Vorschriften des Besatzungsrechts anscheinend die Befugnis des FG in Abrede stellen, den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abzulehnen, ohne zuvor die zuständige Besatzungsbehörde anzurufen. Mit diesem Vorbringen kann die Beschwerde keinen Erfolg haben.
Das FG hat mit Recht seine Befugnis bejaht, ohne eine entsprechende Vorlage in der Sache zu entscheiden. Für Berlin geltende Rechtsvorschriften der Alliierten - Vorschriften, die auch der Senat als Beschwerdegericht (des Bundes) zu beachten hat (vgl. von Lampe / Pfennig in Pfennig / Neumann, Verfassung von Berlin, 1. Aufl. 1978, Art. 1 Rdnr. 79; Zivier, Der Rechtsstatus des Landes Berlin, 4. Aufl. 1987, S. 110) - schränken die deutsche Gerichtsbarkeit oder das richterliche Prüfungsrecht im Streitfalle nicht ein. Zu Unrecht beruft sich die Antragstellerin für ihre gegenteilige Auffassung auf das Gesetz Nr. 7 - Gerichtsbarkeit auf den vorbehaltenen Gebieten - der Alliierten Kommandatura Berlin vom 17. März 1950 (Verordnungsblatt für Groß-Berlin - VOBl Bln - I 1950, 89) in der Fassung des Änderungsgesetzes Nr. 17 der Alliierten Kommandatura Berlin vom 27. August 1951 (VOBl Bln 1951, 639) in Verbindung mit dem Auslegungsgesetz Nr. 21 vom 20. Februar 1952 (GVBl Bln 1952, 148).
Nach diesen besatzungsrechtlichen Vorschriften, die fortgelten (vgl. Abschn. VI der Erklärung der Alliierten Kommandatura Berlin vom 5. Mai 1955 über die Stellung West-Berlins nach dem Inkrafttreten der Pariser Verträge, GVBl Bln 1955, 335; Zivier, a.a.O., S. 78; vgl. auch Geulen, NJW 1985, 1055 f.), unterliegen die deutsche Gerichtsbarkeit in Berlin sowie das richterliche Prüfungsrecht bestimmten Beschränkungen. In nichtstrafrechtlichen Angelegenheiten darf deutsche Gerichtsbarkeit ohne Genehmigung der Alliierten Kommandatura Berlin oder des zuständigen Sektor-Kommandanten u. a. nicht ausgeübt werden, wenn die zu entscheidende Frage das Kontrollrecht einer der Besatzungsmächte antasten könnte (Art. 2, c des Gesetzes Nr. 7); ist über Bestehen, Inhalt, Gültigkeit oder Zweck einer Anordnung der Besatzungsbehörden oder der Besatzungsstreitkräfte auf vorbehaltenen oder nichtvorbehaltenen Gebieten oder über die Anwendbarkeit der getroffenen Beschränkungen zu entscheiden, so müssen die befaßten deutschen Behörden das Verfahren sogleich aussetzen und die Frage an den zuständigen Sektor-Kommandanten überweisen (Art. 3 Abs. 2 des Gesetzes Nr. 7 in der Fassung des Gesetzes Nr. 17 in Verbindung mit Gesetz Nr. 21).
Diese Beschränkungen greifen im Streitfalle nicht ein. Weder ist die hier aufgeworfene Frage der Gültigkeit der vom Berliner Normgeber aufgrund Berliner Landesrechts erlassenen DVO 1978 geeignet, alliierte Kontrollrechte zu berühren, noch spielt in diesem Zusammenhang die Anordnung einer Besatzungsmacht irgendeine Rolle. Die bloße Ansicht der Antragstellerin, besatzungsrechtliche Verantwortlichkeiten seien betroffen, war, da sie der Grundlage entbehrt, für das FG kein Anlaß, vor Ablehnung des Antrags die Alliierte Kommandatura Berlin einzuschalten. Eine schon bei nicht begründeter Anrufung besatzungsrechtlicher Verantwortlichkeit gegebene Zuständigkeit der Besatzungsmächte läßt sich den besatzungsrechtlichen Vorschriften nicht entnehmen. Sie wäre auch wenig sachgerecht, weil durch sie jede Ausübung deutscher Hoheitsgewalt im Lande Berlin zumindest vorübergehend in Frage gestellt werden könnte. Dementsprechend ist, soweit ersichtlich, selbst unter der Geltung des damaligen Besatzungsstatuts ein derartiger Standpunkt nirgends vertreten, sondern im Gegenteil schon frühzeitig betont worden, das Kontrollrecht der Besatzungsmächte werde noch nicht beeinträchtigt, wenn überhaupt eine Frage insoweit bestehe, vielmehr nur dann, wenn die Entscheidung über eine bestimmte Frage zu einer Antastung des Kontrollrechts führe (vgl. Hammes, Juristische Rundschau 1950, 289, 292). Zu einer solchen Beeinträchtigung kann es aber im Streitfall nicht kommen. Die Alliierte Kommandatura Berlin hat es offenbar nicht anders gesehen, denn sie hat von ihrem Recht, Berliner Gesetzgebung im Falle eines Widerspruchs zu Maßnahmen oder Rechten der alliierten Behörden aufzuheben (vgl. Abschn. VII der Erklärung vom 5. Mai 1955), im Falle der DVO 1978 keinen Gebrauch gemacht.
3. Auch die gegen den Steuerbescheid gerichteten materiell-rechtlichen Einwendungen können der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen.
a) Dies gilt zunächst von den Angriffen gegen die Rechtsgültigkeit der DVO 1978, die die Antragstellerin offenbar für die Grundlage des Kraftfahrzeugsteueranspruchs hält. Schon dieser Ausgangspunkt der Beschwerde ist unzutreffend. Rechtsgrundlage der von der Antragstellerin angefochtenen Steuerforderung sind die einschlägigen Vorschriften des KraftStG 1979 - Bundesrecht, das in Berlin und im übrigen Bundesgebiet einheitlich gilt (vgl. vorstehend Nr. 1). Die Antragstellerin ist Steuerschuldner (§ 7 Nr. 1, § 1 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG 1979), das FA ist allein aufgrund der in seinem Bezirk erfolgten Zulassung für die Steuerfestsetzung örtlich zuständig (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 der Kraftfahrzeugsteuer-Durchführungsverordnung 1979), ohne Rücksicht darauf, ob der Anhänger statt in Berlin am Sitz der Antragstellerin hätte zugelassen werden können (vgl. auch Senat, Urteil vom 5. März 1985 VII R 146/84, BFHE 143, 294, 296, 298, BStBl II 1985, 377).
Zu Unrecht macht die Antragstellerin demgegenüber geltend, der Anhänger habe, wenn er nicht der Berliner Betriebstätte zugeordnet werde, seinen regelmäßigen Standort nicht in Berlin, sondern in K gehabt. Dieses Vorbringen ist, auch unter Berücksichtigung der von der Antragstellerin angeführten Rechtsprechung des Senats zur kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Beurteilung des Haltens von Berlin-Anhängern ohne regelmäßigen Standort in Berlin (bis 30. April 1978; vgl. grundlegend Urteile vom 13. August 1985 VII R 172/83, BFHE 144, 176, BStBl II 1985, 636, und vom 12. August 1986 VII R 169/83, BFHE 147, 269, BStBl II 1986, 821), nicht geeignet, die Berechtigung der Steuerforderung und die Zuständigkeit des FA in Zweifel zu ziehen. Hier hat die für den Bezirk der Zulassungstelle zuständige Finanzbehörde das Halten eines Anhängers mit - möglicherweise - regelmäßigem Standort in einem anderen Bezirk (nachträglich) besteuert, weil die Voraussetzungen einer in Anspruch genommenen Steuerbefreiung nicht vorliegen. Damit fehlt es an dem nach der Rechtsprechung des Senats zur Besteuerung durch die für diesen anderen Bezirk zuständige Finanzbehörde führenden Merkmal der Steuerumgehung (vgl. § 42 AO 1977; siehe auch Senat, Urteil vom 21. Januar 1986 VII R 183/82, BFH / NV 1986, 434). Da sich die Steuerpflicht der Antragstellerin aus dem kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Halten ergibt, nicht aus einer widerrechtlichen Benutzung des Anhängers, ist die Rechtslage eine andere als im Falle des Mieters von Anhängern, deren Berlin-Zulassung verkehrsvorschriftswidrig herbeigeführt worden ist (dazu Senat, Urteil vom 4. März 1986 VII R 166 /83, BFHE 146, 282, BStBl II 1986, 531). Aus der Rechtsprechung zur Frage einer widerrechtlichen Benutzung gebietsfremder Anhänger (Senat, Urteil vom 14. Mai 1986 VII R 173/83, BFHE 147, 184, BStBl II 1986, 765) kann die Antragstellerin gleichfalls nichts für ihren Standpunkt herleiten.
Die Antragstellerin verkennt im übrigen, daß es für die vom FG getroffene Entscheidung - Ablehnung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung - auf die Gültigkeit der DVO 1978 gar nicht ankam. Denn wäre der Antragstellerin darin zu folgen, daß diese Regelung nicht rechtsgültig sei, so würde eine Kraftfahrzeugsteuerbefreiung für das Halten von Berlin-Anhängern gänzlich fehlen, die von der Antragstellerin angefochtene Besteuerung und die Ablehnung der Vollziehungsaussetzung schon aus diesem Grunde nicht zu beanstanden sein. Der Senat hält indessen den Hinweis für veranlaßt, daß der Hauptgrund, den die Antragstellerin gegen die Rechtsgültigkeit der DVO 1978 anführt - Verletzung des Territorialitätsprinzips durch Anknüpfung der Steuerregelung an den Berlin-Verkehr in deutschen Gebieten außerhalb des Geltungsbereichs des KraftStG 1979 - nicht stichhaltig ist. Der Kraftfahrzeugsteuer unterliegt das Halten einheimischer Fahrzeuge zum Verkehr auf öffentlichen Straßen, das durch die verkehrsrechtliche Zulassung begründete Recht zur Benutzung der Fahrzeuge im öffentlichen Verkehr, ohne daß es darauf ankommt, ob und in welchem Umfang von diesem Recht Gebrauch gemacht wird (vgl. BFH, Urteil vom 7. März 1984 II R 40/80, BFHE 140, 480, 482, BStBl II 1984, 459; Senat, Urteil vom 13. Januar 1987 VII R 147, 148, 150/84, BFHE 148, 542, 545, BStBl II 1987, 272). Kraftfahrzeugsteuerbar ist damit auch das ,,Halten" einheimischer Fahrzeuge, die außerhalb des Geltungsbereich des KraftStG eingesetzt werden (Egly / Mößlang, Kraftfahrzeugsteuer-Kommentar, 3. Aufl. 1981, Abschn. 6, a = S. 106). Schon die inländische Zulassung begründet den ,,Inlandsbezug" der Besteuerung; eine Verwendung des zugelassenen einheimischen Fahrzeugs (vgl. § 2 Abs. 3 KraftStG 1979) im Ausland hebt ihn, damit die Steuerbarkeit, nicht auf, schon gar nicht ein zeitweiliger Einsatz in deutschen Gebieten außerhalb des Geltungsbereichs des Gesetzes. Umgekehrt ist es dem Steuergesetzgeber nicht verwehrt, die im Falle des Haltens einheimischer Fahrzeuge bestehende Kraftfahrzeugsteuerpflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG 1979) durch eine Steuerbefreiung aufzuheben, die - wie § 1 Abs. 3 DVO 1978 - auch, neben einem sonstigen (tatsächlichen) Verbleiben der begünstigten Anhänger im Lande Berlin, in näher bestimmter Weise den Berlin-Verkehr berücksichtigt, damit den Einsatz im Transit zwischen Berlin (West) und dem übrigen Bundesgebiet.
Mit ihren Angriffen gegen die Gültigkeit der DVO 1978 könnte die Antragstellerin Erfolg allenfalls erzielen, wenn im Falle der Ungültigkeit dieser Vorschrift von der Weitergeltung der durch sie (§ 2) aufgehobenen Steuerbefreiungsbestimmungen des Berliner Landesrechts auszugehen wäre; denn nach ihnen - § 1 Nr. 1 - war das Halten von Berlin-Anhängern schlechthin von der Kraftfahrzeugsteuer befreit (Senat, Urteil in BFHE 144, 176, 179, BStBI II 1985, 636). Die DVO 1978 ist indessen rechtsgültig erlassen, die Außerkraftsetzung der früheren Steuerbefreiungsbestimmungen wirksam angeordnet worden (BFH, Urteil vom 27. Juni 1984 II R 12/80, BFHE 141, 556, 558, BStBI II 1984, 850; Senat, Urteil vom 14. Januar 1986 VII R 184/82, BFHE 146, 275, 277, BStBI II 1986, 494), und zwar aufgrund einer landesrechtlichen Ermächtigung, die nach Bundesrecht weitergilt (§ 10 Abs. 5 KraftStG 1979; vgl. Senat in BFHE 144, 176, 179, BStBI II 1985, 636).
b) Wie vom FG richtig entschieden, bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochenen Steuerbescheids, da bei der gebotenen summarischen Betrachtung die Voraussetzungen einer Steuerbefreiung nach der DVO 1978 nicht vorgelegen haben. Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil in BFHE 146, 275, 278, BStBl II 1986, 494) gehört zu dem nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 DVO 1978 für die Steuerbefreiung vorausgesetzten Verbleiben in einem Berliner Betrieb /einer Berliner Betriebstätte, daß der Anhänger im Entrichtungszeitraum überwiegend - bei jährlicher Entrichtung an mindestens 183 Tagen - in Berlin verwendet oder im Berlin-Verkehr eingesetzt worden ist; Ausfahrten aus und Einfahrten nach Berlin können nur durch das Kontrollbuch - § 1 Abs. 3 DVO 1978 - nachgewiesen werden (vgl. auch BFH, Urteil vom 27. Juni 1984 II R 194/81, BFHE 141, 564, 566, BStBl II 1984, 854). An dieser Beurteilung hält der Senat fest. Von den vorstehenden Rechtsgrundsätzen ist - zutreffend - die Vorinstanz ausgegangen. Sie hat entschieden, daß die von der Antragstellerin außer dem Kontrollbuch eingereichten Unterlagen nicht schlüssig eine die Steuerbefreiung rechfertigende - insgesamt - überwiegende Verwendung des Anhängers in Berlin oder im Berlin-Verkehr belegen. Die Beschwerde hat hiergegen lediglich vorgebracht, es dürfe nicht auf den gesamten Entrichtungszeitraum abgestellt werden; vielmehr müßten die Wochenenden berücksichtigt werden, so daß schon eine der DVO 1978 entsprechende Verwendung an mindestens 131 Tagen im Jahr genüge. Dieser Einwand ist nicht stichhaltig; der Senat verweist auf sein Urteil in BFHE 146, 275, BStBl II 1986, 494. Andere Gesichtspunkte, die dem Begehren der Antragstellerin zum Erfolg verhelfen könnten, sind weder vorgetragen worden noch ersichtlich.
4. Dem ,,Hilfsantrag", das Verfahren auszusetzen und die Frage der Gültigkeit der DVO 1978 an die zuständige Besatzungsbehörde - Sektor-Kommandant oder Alliierte Kommandatura Berlin - zu überweisen, kann schon deshalb nicht entsprochen werden, weil für ein solches Vorgehen nach der die Sache erledigenden Entscheidung über den Hauptantrag kein Raum mehr ist (§ 132 FGO). Im übrigen wäre der Senat, der auch in Berliner Sachen allein als Gericht des Bundes, nicht als Berliner Landesgericht entscheidet (BVerfG in BVerfGE 19, 377, 386; von Lampe / Pfennig, a.a.O.; anders, von einer nach Ansicht des Senats mit der Verfassungslage nicht vereinbaren Stellung Berlins zum Bund ausgehend, Wengler, Juristen-Zeitung 1974, 528, 530), den Anordnungen der nur für Berlin zuständigen Alliierten Kommandatura Berlin nicht unterworfen (vgl. auch BVerfG, Beschluß vom 21. Mai 1957 2 BvL 6/56, BVerfGE 7, 1, 11). Eine Verpflichtung zur Aussetzung träfe lediglich das FG. Die Voraussetzungen lagen indessen, wie oben (Nr. 2) ausgeführt, nicht vor.
Fundstellen
Haufe-Index 415299 |
BFH/NV 1987, 813 |