Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der Erbschaftsbesteuerung beim Erwerb eines Einfamilienhauses im "Hochpreisgebiet"
Leitsatz (NV)
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 22. Juni 1995 2 BvR 552/91 (BVerfGE 93, 165, NJW 1995, 2624) nicht die völlige Freistellung "jeder der familiären Eigennutzung dienenden Immobilie" beim Vermögensübergang von Eltern auf Kinder verlangt. Es verstößt nicht gegen Art. 3 GG, dass nach §§ 10 Abs. 1 und 12 Abs. 1 und 3 des ErbStG i.V. mit § 146 Abs. 3 BewG, §§ 16 und 19 ErbStG die Erbschaftsteuerbelastung eines der persönlichen Lebensführung dienenden Familienwohnsitzes beim Übergang vom Vater auf den Sohn von der räumlichen Lage des Grundstücks im Bundesgebiet (hier Lage in einem "Hochpreisgebiet") abhängt.
Normenkette
GG Art. 3, 6 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1; BewG § 146 Abs. 3; ErbStG § 10 Abs. 1, § 12 Abs. 1, 3, § 13 Abs. 1 Nr. 4a, § 15 Abs. 1, §§ 16, 19
Verfahrensgang
FG München (Urteil vom 22.01.2003; Aktenzeichen 4 K 4332/02) |
Nachgehend
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Alleinerbe seines im März 1999 verstorbenen Vaters. Zu dessen Nachlass gehörten neben Wertpapieren und Kapitalforderungen in Höhe von insgesamt 755 620 DM u.a. auch zwei Grundstücke. Ein Grundstück liegt in A und ist mit einem Einfamilienhaus bebaut, in dem der Erblasser bis zuletzt wohnte. Der bestandskräftig festgestellte Grundstückswert beträgt 843 000 DM. Das zweite Grundstück, an dem der Erblasser nur zu einem Bruchteil von 4/32 beteiligt war, liegt in B. Der für diesen Anteil bestandskräftig festgestellte Grundstückswert beträgt 147 125 DM.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) setzte durch Bescheid vom 4. Mai 2001 unter Berücksichtigung eines Freibetrages von 400 000 DM Erbschaftsteuer in Höhe von 251 883 DM gegen den Kläger fest.
Einspruch und Klage, mit denen der Kläger geltend machte, dass die Besteuerung des väterlichen Einfamilienhauses nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben entspreche, die das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seinem Beschluss vom 22. Juni 1995 2 BvR 552/91 (BVerfGE 93, 165, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1995, 2624) gemacht habe, blieben ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) hat in seiner klageabweisenden Entscheidung ausgeführt, dass die für Erwerbsvorgänge ab dem 1. Januar 1996 geltende Freibetragsregelung in § 16 Abs. 1 Nr. 2 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) den Grundsätzen der Entscheidung des BVerfG in BVerfGE 93, 165 entspreche. Danach habe sich der bei Familienangehörigen im Sinne der Steuerklasse I (§ 15 Abs. 1 ErbStG) von der Erbschaftsteuer freizustellende Nachlasswert an den Werten durchschnittlicher Einfamilienhäuser zu orientieren. Dieser betrage etwa 323 000 DM und werde als Folge der Anwendung des Kinderfreibetrages in Höhe von 400 000 DM steuerlich nicht belastet. Hinzu komme, dass der Steuerwert für Grundstücke regelmäßig weit unter den Verkehrswerten liege und deshalb Grundbesitz auch dann entlastet werde, wenn sein Verkehrswert den Freibetrag übersteige.
Das FG hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Kläger macht grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet.
Die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage, ob es mit dem aus Art. 3 des Grundgesetzes (GG) resultierenden Gebot der gleichmäßigen steuerlichen Belastung aller nach Maßgabe der in Art. 6 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG enthaltenen Wertungsordnung vereinbar sei, dass nach §§ 10 Abs. 1 und 12 Abs. 1 und 3 ErbStG i.V.m. § 146 Abs. 3 des Bewertungsgesetzes (BewG), §§ 16 und 19 ErbStG die Erbschaftsteuerbelastung eines der persönlichen Lebensführung dienenden Familienwohnsitzes beim Übergang vom Vater auf den Sohn von der räumlichen Lage des Grundstücks im Bundesgebiet (hier Lage in einem "Hochpreisgebiet") abhänge, hat keine grundsätzliche Bedeutung. Denn die dieser Rechtsfrage zugrunde liegende Behauptung des Klägers, das BVerfG habe in seinem Beschluss in BVerfGE 93, 165 aus verfassungsrechtlichen Gründen beim Vermögensübergang von Eltern auf Kinder die völlige Freistellung "jeder der familiären Eigennutzung dienenden Immobilie" verlangt, trifft nicht zu.
In dem zur Erbschaftsteuer ergangenen Beschluss in BVerfGE 93, 165, auf den sich der Kläger in erster Linie stützt, wird ausgeführt, dass Erwerbern (Familienangehörigen) im Sinne der Steuerklasse I (§ 15 Abs. 1 ErbStG) der Nachlass --je nach dessen Größe-- zumindest zum deutlich überwiegenden Teil oder, bei kleineren Vermögen, völlig steuerfrei zugute kommen müsse und dass es bei einer Anhebung des Wertniveaus der steuerlichen Grundbesitzwerte notwendig sei, den Betrag des Nachlasswertes, der dem oder den Erben der Steuerklasse I ungeschmälert verbleiben müsse, d.h. den Freibetrag entsprechend anzuheben. Für diesen, von der Besteuerung auszunehmenden Nachlasswert (und nicht Nachlassgegenstand, wie der Kläger meint) verweist das BVerfG "anhaltsweise" auf seine Ausführungen in seinem zur Vermögensteuer ergangenen Beschluss vom 22. Juni 1995 2 BvL 37/91 (BVerfGE 93, 121) vom gleichen Tage. Darin wird u.a. ausgeführt, dass es nahe liege, sich an den Werten durchschnittlicher Einfamilienhäuser zu orientieren. Soweit das BVerfG den Gesetzgeber in demselben Zusammenhang verpflichtet hat, "in bestimmten Grenzen das vom Steuerpflichtigen zur Grundlage seiner individuellen Lebensgestaltung bestimmte Vermögen nicht durch weitere Besteuerung zu mindern", gilt dies ausdrücklich nur für die Abschirmung gegen eine Sollertragsteuer und wird von der Verweisung nicht erfasst. Die die Erbschaftsteuer betreffenden Ausführungen des BVerfG können deshalb nur so verstanden werden, dass bei Erfassung des Grundbesitzes mit dem vollen Verkehrswert in der Steuerklasse I ein Nachlasswert im Wert eines durchschnittlichen Einfamilienhauses steuerfrei zu stellen sei. Angesichts des Umstandes, dass nach den Vorstellungen des Gesetzgebers das derzeitige Bewertungsverfahren Grundvermögen im Durchschnitt nur mit etwa 50 v.H. des Verkehrswerts erfassen soll, und unter Berücksichtigung des Kinderfreibetrages von 400 000 DM gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber diese Vorgaben des BVerfG nicht beachtet hätte. Entgegen der Auffassung des Klägers hat das BVerfG keine besondere erbschaftsteuerrechtliche Begünstigung des so genannten Gebrauchsvermögens gefordert, insbesondere auch keine auf die Erwerber der Steuerklasse I beschränkte sachliche, der Vorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 4 a ErbStG entsprechende Steuerbefreiung beim Erwerb eines Familienwohnheims. Anders als der Kläger meint, gibt es keinen besonders geschützten Vermögensgegenstand "Familienwohnheim", der ungeachtet seines Verkehrswerts stets steuerfrei zu stellen ist. Klärungsbedarf ist insoweit nicht erkennbar.
Fundstellen
Haufe-Index 1257792 |
BFH/NV 2005, 210 |