Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Verwirkung des Steueranspruchs bei überlanger Verfahrensdauer
Leitsatz (NV)
Es ist mit dem Grundgesetz vereinbar, verstößt nicht gegen den sog. Halbteilungsgrundsatz und entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats, dass das Einkommen einer am Anrechnungsverfahren teilnehmenden Körperschaft im Fall der Gewinnthesaurierung einer Steuerbelastung vom mehr als 50 v.H. unterworfen wird.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2; KStG
Verfahrensgang
FG Münster (Urteil vom 13.02.2004; Aktenzeichen 9 K 3291/00 K) |
Tatbestand
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine GmbH, die in den Streitjahren 1995 bis 1998 lediglich mit Körperschaftsteuer belastet wurde; Gewerbesteuer war nicht zu entrichten. Sie begehrt wegen des vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entwickelten sog. Halbteilungsgrundsatzes (vgl. Beschluss vom 22. Juni 1995 2 BvL 37/91, BStBl II 1995, 655) die Herabsetzung der Körperschaftsteuerfestsetzungen. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) hat das abgelehnt. Das FA hat es ebenso abgelehnt, das Einspruchsverfahren gemäß § 363 Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung (AO 1977) zum Ruhen zu bringen, bis das BVerfG über die bei ihm anhängigen Verfassungsbeschwerden 2 BvR 2194/99 (gegen das Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11. August 1999 XI R 77/97, BFHE 189, 413, BStBl II 1999, 771) sowie 1 BvR 112/04 (gegen den BFH-Beschluss vom 25. November 2003 II B 68/02, BFH/NV 2004, 462) entschieden hat. Auch das Finanzgericht (FG) hat im nachfolgenden Klageverfahren dem Antrag der Klägerin, das Klageverfahren gemäß § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bis zu den ausstehenden Entscheidungen des BVerfG auszusetzen, nicht entsprochen. Im Streitfall gehe es lediglich um eine Belastung mit Körperschaftsteuer. Der BFH habe aber wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass der sog. Halbteilungsgrundsatz für die Körperschaftsteuer ohne Bedeutung bleibe (Senatsurteile vom 15. Oktober 1997 I R 19/97, BFH/NV 1998, 746; vom 28. Juni 2000 I R 89/99, BFHE 192, 513, BStBl II 2001, 261; Senatsbeschluss vom 23. September 1998 I B 34/98, BFH/NV 1999, 515). In den beim BVerfG anhängigen Verfassungsbeschwerden gehe es indes um die Belastung mit Einkommensteuer und Gewerbesteuer sowie Vermögensteuer. Beide Verfassungsbeschwerden seien folglich für den Streitfall nicht einschlägig.
Die Revision wurde nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde.
Das FA ist dem entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Ein Zulassungsgrund gemäß § 115 Abs. 2 FGO liegt nicht vor. Das FG hat zutreffend auf die Senatsurteile in BFH/NV 1998, 746 und in BFHE 192, 513, BStBl II 2001, 261 sowie den Senatsbeschluss in BFH/NV 1999, 515 hingewiesen. Danach ist es mit dem Grundgesetz vereinbar, dass das Einkommen einer am Anrechnungsverfahren teilnehmenden Körperschaft im Fall der Gewinnthesaurierung einer Steuerbelastung von mehr als 50 v.H. unterworfen wird. Der Umstand, dass beim BVerfG die zitierten Verfassungsbeschwerden 2 BvR 2194/99 und 1 BvR 112/04 anhängig sind, ändert daran nichts, weil Verfahrensgegenstand dieser Rechtssachen nicht die Körperschaftsteuer, sondern andere Steuerarten sind. Eine Vorgreiflichkeit jener Verfahren für den Streitfall, die eine Aussetzung des Klageverfahrens gemäß § 74 FGO oder ein Ruhen des Einspruchsverfahrens gemäß § 363 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 geböte, ist deswegen nicht gegeben.
Fundstellen
Haufe-Index 1332195 |
BFH/NV 2005, 895 |