Entscheidungsstichwort (Thema)
Gegenstand des Erwerbsvorgangs bei Erwerb eines sich im Zustand der Bebauung befindlichen Grundstücks
Leitsatz (amtlich)
Verpflichtet sich der Erwerber eines sich im Zustand der Bebauung befindlichen Grundstücks gegenüber dem Grundstücksverkäufer, an dessen Stelle in einen bestehenden Vertrag mit einem Dritten über die Errichtung bzw. Fertigstellung des Bauvorhabens einzutreten, kann daraus nicht ohne Hinzutreten weiterer Umstände der Schluß gezogen werden, der Grundstücksverkäufer und der Dritte hätten in Abstimmung untereinander darauf hingewirkt, dem Erwerber ein Grundstück in fertig bebautem Zustand zu verschaffen.
Normenkette
GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
I. Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) erwarb durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 20.Dezember 1989 von ihrer Tochtergesellschaft (T), der A-AG, ein größeres in Hamburg gelegenes Grundstück. T hatte das Grundstück im Jahre 1988 von der Freien und Hansestadt Hamburg (Stadt) erworben und sich dabei verpflichtet, das Grundstück nach dem Ergebnis eines Architektenwettbewerbes zeitgebunden zu bebauen und mit der Nutzung des Gebäudes eine bestimmte Anzahl von Dauerarbeitsplätzen in Hamburg zu schaffen. Im Juni 1989 hatte T zur Errichtung des Gebäudekomplexes mit der B-GmbH einen Generalunternehmervertrag abgeschlossen. Bis zum Abschluß des Grundstückskaufvertrages mit der Antragstellerin waren T bereits erhebliche Planungs-, Bauvorbereitungs- und Baukosten entstanden.Das Grundstück befand sich am 20.Dezember 1989 im Zustand der Bebauung. Als Kaufpreis wurde ein Betrag von X DM vereinbart, welcher am 22.Dezember 1989 fällig und zahlbar sein sollte. Das Grundstück sollte mit dem Tag der Kaufpreiszahlung übergeben werden. In dem Kaufpreis sollten die bis zu diesem Tag angefallenen Planungs-, Bauvorbereitungs- und Baukosten berücksichtigt sein. Ferner heißt es dann in § 6 Abs.3 Satz 2 wie folgt:
"Soweit zum Verrechnungstag erbrachte Leistungen noch
nicht bezahlt oder Leistungen noch nicht erbracht
sind, tritt Käufer (Antragstellerin) in die
entsprechenden Vereinbarungen, die Käufer
(Antragstellerin) bekannt sind, unter Freistellung des
Verkäufers (T) ein."
Ferner übernahm die Antragstellerin die von T gegenüber der Stadt eingegangenen Verpflichtungen hinsichtlich der fristgerechten Fertigstellung des Gebäudes entsprechend dem Ergebnis des Architektenwettbewerbes sowie der Schaffung von 480 Dauerarbeitsplätzen.
"Auf Bitten" der T unterbreitete die B-GmbH der Antragstellerin mit Schreiben vom 22.Dezember 1989 das Angebot, anstelle der T in den Generalunternehmervertrag hinsichtlich der Errichtung des Gebäudekomplexes unter gleichzeitiger Entlassung der T aus diesem Vertrage einzutreten. Die Antragstellerin sowie T nahmen dieses Angebot am 25.Januar 1990 an.
Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) setzte unter Vorbehalt der Nachprüfung durch Bescheid vom 28.Februar 1990 zunächst Grunderwerbsteuer nach einer Gegenleistung von X DM fest. Später vertrat es die Auffassung, der Grundstückskaufvertrag sowie der Werkvertrag über die Errichtung des Gebäudes seien als einheitliches Vertragswerk, gerichtet auf ein bebautes Grundstück, anzusehen. Es setzte durch Änderungsbescheid vom 22.Juni 1990 Grunderwerbsteuer in entsprechender Höhe gegen die Antragstellerin fest. Als Bemessungsgrundlage sah das FA den Kaufpreis für den Grund und Boden (24 652 545,95 DM) sowie die übernommenen Verbindlichkeiten aus dem Werkvertrag über die Errichtung des Gebäudes an. Über den hiergegen gerichteten Einspruch der Antragstellerin hat das FA bislang nicht entschieden. Während des Einspruchsverfahrens hat das FA durch weiteren Änderungsbescheid vom 22.November 1990 die Steuer herabgesetzt, nachdem ihm bekannt wurde, daß sich der Kaufpreis für das Grundstück vermindert hatte und Inventar mitveräußert worden war.
Einen Antrag der Antragstellerin auf Aussetzung der Vollziehung des Grunderwerbsteuerbescheides hat das FA abgelehnt. Daraufhin hat die Antragstellerin beim Finanzgericht (FG) beantragt, die Vollziehung des Grunderwerbsteuerbescheides vom 22.November 1990 in Höhe von X DM auszusetzen.
Das FG hat dem Aussetzungsbegehren der Antragstellerin entsprochen. Es sei ernstlich zweifelhaft, ob die Aufwendungen der Antragstellerin wegen Eintritts in den von der T abgeschlossenen Werkvertrag zur Gegenleistung zu rechnen seien. Im Streitfall seien nämlich aus bestimmten nicht steuerlichen Gründen lediglich die Person des Bauherrn ausgetauscht worden, ohne daß es dem ausscheidenden Bauherrn darum gegangen sei, dem Eintretenden das fertige Bauwerk zu veräußern.
Hiergegen richtet sich die --vom FG zugelassene-- Beschwerde des FA, der das FG nicht abgeholfen hat. Das FA macht geltend, die Auffassung des FG führe dazu, auf Fälle, in denen der Erwerber an die bereits von der Veräußererseite getroffene Entscheidung über die Bebauung unausweichlich und zwangsläufig gebunden sei, die Grundsätze der Rechtsprechung zum einheitlichen Vertragswerk nicht anzuwenden, obwohl die rechtliche und sachliche Verbindung beider Verträge eindeutiger und offenkundiger zutage trete als in den Normalfällen.
Das FA beantragt, den Beschluß des FG Hamburg vom 3.März 1993 aufzuheben und den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung als unbegründet abzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet.
Das FG hat zutreffend angenommen, daß im Umfang des Aussetzungsbegehrens der Antragstellerin ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheides bestehen, und die Vollziehung der Bescheide teilweise ausgesetzt (§ 69 Abs.3 i.V.m. Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsaktes sind zu bejahen, wenn bei einer summarischen Überprüfung des Bescheids neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen, gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung der Tatfragen bewirken (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10.Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182). Nach summarischer Überprüfung bestehen im Streitfall --wie auch das FG im Ergebnis zutreffend angenommen hat-- derartige ernstliche Zweifel daran, ob Gegenstand des Erwerbsvorgangs der Antragstellerin das schlüsselfertig bebaute Grundstück ist.
Der notariell beurkundete Grundstückskaufvertrag vom 20.Dezember 1989 ist ein der Grunderwerbsteuer unterliegender Rechtsvorgang i.S. von § 1 Abs.1 Nr.1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1983. Die Steuer dafür bemißt sich nach dem Wert der Gegenleistung (§ 8 Abs.1 GrEStG 1983). Als Gegenleistung gelten bei dem Kauf der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen (§ 9 Abs.1 Nr.1 GrEStG 1983).
Es entspricht ständiger Rechtsprechung, daß zur Gegenleistung im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinne jede Leistung gehört, die der Erwerber als Entgelt für den Erwerb des Grundstücks gewährt oder die der Veräußerer als Entgelt für die Veräußerung des Grundstücks empfängt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 5.November 1980 II R 28/75, BFHE 132, 111, BStBl II 1981, 174). Entscheidend für die Qualifikation einer Leistung als Gegenleistung i.S. des § 9 Abs.1 Nr.1 GrEStG 1983 ist, daß die Verpflichtung zur Leistung auf den Erwerb des Grundstücks in dem Zustand, in dem es zum Erwerbsgegenstand gemacht wurde, bezogen ist. Erwerbsgegenstand und Gegenleistung müssen danach final verknüpft sein.
Aus diesem Grund sind Leistungen, die aufgrund eines mit einem Dritten abgeschlossenen Vertrages zu erbringen sind, in die Gegenleistung einzubeziehen, wenn die Leistung des Dritten dazu führen soll, das Grundstück in den Zustand zu versetzen, in dem es zum Gegenstand des Erwerbsvorgangs gemacht worden ist (vgl. Senatsurteile vom 11.März 1981 II R 77/78, BFHE 133, 230, BStBl II 1981, 537, und vom 19.Juli 1989 II R 95/87, BFHE 157, 248, BStBl II 1989, 685). Darüber hinaus kann eine Leistung als "sonstige Leistung" der Gegenleistung zugehören, wenn sie zwar einem Dritten gegenüber zu erbringen ist, jedoch in finaler Verknüpfung mit dem Grundstückserwerb steht, die Verpflichtung zum Abschluß des Vertrages mit dem Dritten (oder zum Eintritt in einen zwischen diesem und dem Veräußerer bestehenden Vertrag) dem Verkäufer gegenüber eingegangen ist und sich die Verpflichtungen aus dem Vertrag mit dem Dritten und dem Erwerber dem Werte nach unausgewogen gegenüberstehen (vgl. Senatsurteil vom 13.Dezember 1989 II R 115/86, BFHE 159, 362, BStBl II 1990, 440). Anhaltspunkte für das Vorliegen derartiger in die Bemessungsgrundlage einzubeziehender Leistungen der Antragstellerin bestehen im Streitfall nicht.
Was Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist, wird bestimmt durch das den Übereignungsanspruch begründende Rechtsgeschäft selbst, sowie --ggf.-- auch durch mit diesem Rechtsgeschäft in rechtlichem oder objektiv sachlichem Zusammenhang stehende Vereinbarungen, die insgesamt zu dem Erfolg führen, daß der Erwerber das Grundstück in bebautem Zustand erhält (BFH-Urteile vom 18.Oktober 1989 II R 143/87, BFHE 158, 477, BStBl II 1990, 183, und II R 85/87, BFHE 158, 483, BStBl II 1990, 181). Dies ist nach den Umständen des Einzelfalls zu ermitteln.
Soweit sich die Antragstellerin der T gegenüber verpflichtet hat, an deren Stelle in den Generalunternehmervertrag einzutreten, ergibt sich daraus nicht, daß Gegenstand der Übereignungsverpflichtung der T das Grundstück mit fertiggestelltem Gebäude sein sollte. Vielmehr zeigt die Vereinbarung über das Ausscheiden der T aus dem Generalunternehmervertrag, daß T sich von dem Bauvorhaben trennen und mit der Fertigstellung desselben nichts mehr zu tun haben sollte. Durch die Verpflichtung zum Eintritt in den Generalunternehmervertrag wurde auch --anders als das FG angenommen hat-- kein rechtlicher Zusammenhang zwischen dem Grundstückskaufvertrag und dem Generalübernehmervertrag hergestellt. Denn durch den Abschluß des Grundstückskaufvertrages zwischen T und der Antragstellerin konnte keine rechtliche (Bestands-)Verknüpfung mit dem Generalunternehmervertrag --jedenfalls nicht ohne Zustimmung der B-GmbH (vgl. §§ 414, 415 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB-) vereinbart werden.
Es besteht im Streitfall auch kein objektiv sachlicher Zusammenhang zwischen dem Grundstückskaufvertrag und dem Generalunternehmervertrag mit der B-GmbH, weil die vertraglichen Vereinbarungen, die die Antragstellerin eingegangen ist, nicht darauf abzielten, ihr ein Grundstück in bebautem Zustand zu verschaffen. Denn insoweit fehlt es bereits an einem zielgerichteten Zusammenwirken zwischen T und der Generalunternehmerin (B-GmbH), welches darauf gerichtet war, daß die Antragstellerin das Grundstück in fertig bebautem Zustand erhält. Verpflichtet sich der Erwerber eines sich im Zustand der Bebauung befindlichen Grundstücks gegenüber dem Grundstücksverkäufer, an dessen Stelle in einen bestehenden Vertrag mit einem Dritten über die Errichtung bzw. Fertigstellung des Bauvorhabens einzutreten, kann daraus nicht --jedenfalls nicht ohne Hinzutreten weiterer Umstände-- der Schluß gezogen werden, der Grundstücksverkäufer und der Dritte hätten in Abstimmung untereinander darauf hingewirkt, dem Erwerber ein Grundstück in fertig bebautem Zustand zu verschaffen.
Weitere Umstände, die auf ein abgestimmtes Verhalten der T und der B-GmbH schließen, sind nicht ersichtlich. Im Streitfall kann im übrigen ein eigenes Interesse der B-GmbH an dem Austausch ihres Vertragspartners nicht erkannt und wegen des Konzernverbundes zwischen der Antragstellerin und T von einer der Antragstellerin geschlossen gegenübertretenden Veräußererseite nicht gesprochen werden.
Eine in die grunderwerbsteuerrechtliche Bemessungsgrundlage einzubeziehende "sonstige Leistung" ist auch insoweit nicht erkennbar, als die Antragstellerin in bestehende Verträge zwischen der T und der B-GmbH eingetreten ist. Es sind keine bedeutsamen Umstände zutage getreten, durch die die Ausgewogenheit der wechselseitigen vertraglichen Verpflichtungen in Frage gestellt würde in der Weise, daß der Vertragseintritt für die Antragstellerin belastend und für die T von Vorteil wäre und mithin eine Leistung der Antragstellerin an die aus den Verträgen ausscheidende T darstellte.
Fundstellen
Haufe-Index 64831 |
BFH/NV 1994, 4 |
BStBl II 1994, 48 |
BFHE 172, 534 |
BFHE 1994, 534 |
BB 1993, 2443 (L) |
DB 1994, 359 (L) |
DStR 1994, 57 (KT) |
DStZ 1994, 122 (KT) |
HFR 1994, 88 (LT) |
StE 1993, 645 (K) |